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Diktatur des Embryos
ОглавлениеAnders als der Mann wird die Frau für Nemilow – Autor des Buches „Die biologische Tragödie der Frau“ – nicht bloß Opfer einer biologischen Illusion, sondern hat „einen teuren Preis durch einen langwierigen und vielseitigen Dienst zum Nutzen des ‚Genius der Art’ [Gattungsdienst] zu entrichten. Dieser Dienst erfordert eine gänzliche Umstellung ihres Organismus. Die Umstände, unter denen der Umbau und die Umstellung des Organismus geschicht, kann nur als grausam bezeichnet werden. Die Natur errichtet in ihrem Körper eine umbarmherzige Diktatur der reifenden Frucht, konzentriert ihren ganzen Körper auf den Schutz dieses winzigen neuen lebendigen Stoffes und verlangt erbarmungslos für diesen letzteren die völlige Selbstentäußerung der Mutter. Alles für den Keim, alles für den ‚Genius der Art’, für die Mutter nur Schmerzen, Unbequemlichkeiten aller Art.“ (Nemilow, a.a.O., S. 52f)
Wir haben es mit folgender Konstellation zu tun: Frauen sind einerseits – freiwillige Komplizinnen oder zwangsverpflichtete Beihelferinnen – des Diktats der Geburt, zugleich aber unterliegen sie (in weitaus höherem Maß als der Mann) dem Diktat des Menschen, dessen Existenz sie beginnen lassen: des Embryos. In diesem Sinne äußerte sich Simone de Beauvoir, wenn sie ausführt, die Frau empfindet ihre Schwangerschaft „gleichzeitig als eine Bereicherung und als eine Verstümmelung. Der Foetus ist ein Teil ihres Körpers und auch wieder ein Parasit, der auf ihre Kosten lebt.“ (Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Zweites Buch, Zweiter Teil, VI. Mutterschaft, S. 482) „Tag für Tag wird sich ein Polyp, der aus ihrem Körper geboren und ihrem Körper fremd ist, in ihr mästen.“ (A.a.O., S. 484) Die biologische Diktatur des Embryos kulminiert im Gebärterror, um sodann vom sozialen Diktat des Neugeborenen fortgesetzt zu werden.{52}
Gedanken de Beauvoirs humoristisch fortsetzend, informiert uns Klinger über die „Gerissenheit“ des zur Welt kommenden Kindes: „Die Schwachheit ist die Mutter der Macht; und wenn der wackere Sohn der Mutter nicht bei der Geburt den Leib zerreißt, so geschieht es nicht aus Schonung: Wer sollte ihn sonst säugen und nähren?“ (Klinger, Betrachtungen und Gedanken, S. 114)