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Grabbes Gottsatan

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In seinem „Herzog Theodor von Gothland“ führt Grabbe (1801–1836) den Schöpfer als Gottsatan vor, der die Welt so präpariert hat, dass der Mensch in ihr Schaden nehmen und in der Hölle enden muss. Vergleichsweise „hold und tröstlich“ sei der

„Kinderglaube aus der Zeit / Der Griechen, welche noch nichts Schlimmres ahnten! Das / Geschick ist grausam und entsetzlich, / Doch planvoll, tückisch, listig ist es nicht!“ (Grabbe: Herzog Theodor von Gothland. Bibliothek deutscher Klassiker Bd. 40, S. 95)

Im Unterschied zu den alten Griechen habe man es jetzt mit „Allmächtige(r) Bosheit“ zu tun, „die den Weltkreis lenkt und ihn zerstört“ (Ebd.)

„Ja, Gott / Ist boshaft, und Verzweiflung ist / Der wahre Gottesdienst!“ (Ebd.) / […] / „Weil es verderben soll / Ist das Erschaffene erschaffen! / Deshalb ist unsers Leibes kleinster Nerv so / Empfänglich für den ungeheursten Schmerz, / Deshalb sind unsre Glieder so gebrechlich, / Deshalb sind wir so fasernackt geboren!

Daß die Verführung sichrer uns

Beliste, wurden wir

Mit Dummheit reichlich ausgestattet, und

Unsterblich sind wir für – – die Höllenstrafen!“ (Grabbe, Herzog Theodor von Gothland , S. 96)

Was folgt, ist ein verklausulierter Aufruf zur antinatalistischen Selbstermächtigung:

„Der Mensch / Trägt Adler in dem Haupte / Und steckt mit seinen Füßen in dem Kote! / Wer bwar so toll, daß er ihn schuf? / Wer würfelte aus Eselsohren und / Aus Löwenzähnen ihn zusammen? Was / Ist toller als das Leben? Was / Ist toller als die Welt? / Allmächtger Wahnsinn ists, / Der sie erschaffen hat!“ (Grabbe, Gothland, S. 94)

Vordergründig bleiben die Eltern durch die Diabolisierung Gottes weiterhin entlastet, wird die Anthropodizeepflicht nicht ausgesprochen, aber sie steht bereits im Raum. Die Religiosität ist hier nicht mehr intakt. Der längst gewusste Umstand, dass Menschen von Menschen geschaffen werden – ohne dass ein guter oder böser Gott im Spiele wäre –, lässt die von Grabbe formulierten Anschuldigungen auf die sich fortzeugenden Menschen zurückfallen. Der Vorwurf des Wahnsinns (Gott wird an dieser Stelle – wie andeutungsweise schon in Widmanns Maikäfer-Komödie – psychiatrisiert!) richtet sich nach der Implosion des diabolischen Gottes (als entlastender Schwundstufe des guten Gottes) gegen die sich fortzeugenden Menschen: Allein Wahnsinnige können in eine solche Welt Kinder setzen, wie es später heißen wird{57}. Grabbe versäumt es dabei nicht, die Möglichkeit des Aufbegehrens gegen die überlieferte Fremdverordnung menschlichen Daseins pauschal anzudeuten:

„Ei, darf der Hund in seine Kette beißen,

So darf es auch der Mensch!“ (A.a.O., S. 95)

Was bei Grabbe außerhalb des Gesichtskreises liegt, ist freilich, dass der Mensch die Kette – der Fortzeugungen! – mittels nataler Enthaltsamkeit tatsächlich auflösen kann.

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