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Die fünfte Seligpreisung

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Glückselig die Barmherzigen,

denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren.

Barmherzig zu sein, hat zwei Grundbedeutungen. Die erste hat mit Barmherzigkeit zu tun, die aus Gefühlen und Taten besteht. Der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn „hatte Erbarmen“ und „lief“ (rannte!) ihm entgegen (Lk 15,20; EÜ). Seine barmherzigen Gefühle führen ihn dazu, drastisch zu handeln. Über Jesus heißt es immer wieder, dass er Erbarmen mit den Notleidenden um ihn herum hatte (Mt 9,36; 14,14; 18,27; Mk 1,41; 6,34; Lk 7,13; 10,33). Manchmal werden die Gefühle gar nicht erwähnt und es wird nur über die barmherzige Handlung berichtet. Der blinde Bettler an der Straße rief Jesus zu: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lk 18,38), woraufhin Jesus ihn heilt. Barmherzigsein heißt im Kern, auf menschliche Nöte mit Mitgefühl und Taten zu reagieren. Doch es geht noch darüber hinaus.

Barmherzig zu sein und Barmherzigkeit zu erlangen, steht in engem Zusammenhang damit, zu vergeben und Vergebung zu empfangen. Doch auch hier stehen wir wieder vor einem Juwel von einem Paradox. Jeder Versuch, einen Juwel so zu bearbeiten, dass er sein Licht nur noch in eine Richtung reflektiert, hieße, ihn zu zerstören. Auf ganz ähnliche Art und Weise hat das Paradox des Gebens und Empfangens von Barmherzigkeit bzw. Vergebung mit drei Fragen zu tun.

1. Vergeben wir anderen, so wie Gott uns vergibt?

2. Vergeben wir anderen zuerst, damit Gott uns dann vergibt?

3. Vergibt Gott uns und wir sind dann dadurch fähig, anderen zu vergeben?

Alle drei Aspekte finden sich im Neuen Testament in den folgenden Texten.

1. Im Vaterunser in Matthäus 6,9-13 (LUT) bitten wir, dass Gott uns unsere Schuld vergibt (unsere Übertretungen und Sünden), „wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Es klingt, als würden diese beiden Formen von Vergebung parallel geschehen.

2. Im Vaterunser in Lukas 11,4 (LUT) heißt es hingegen: „Vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig wird“ (Hervorhebung von mir). Diese Lesart des Vaterunsers besagt, dass wir zuerst anderen vergeben müssen, bevor wir mit der Bitte um Vergebung zu Gott kommen können.

3. Schließlich haben wir noch das Gleichnis vom unversöhnlichen Diener (Mt 18,23-35), dem zuerst von seinem Herrn vergeben wurde, der sich dann aber weigerte, einem anderen Diener zu vergeben. Für sein Versagen wurde er verurteilt, und in 1. Johannes 4,19 lesen wir, weshalb: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“

Welche dieser drei Formen von Vergebung erklärt die vorliegende Seligpreisung am besten? Oder sollten wir alle drei auswählen? In der ständig wechselnden Herausforderung, in der Nachfolge treu zu sein, leuchten geheimnisvollerweise alle drei ein. Sie passen logisch nicht zusammen, aber wer hätte behauptet, dass Barmherzigkeit und Vergebung logisch sind? Alle drei sind wichtig für den Glauben und das Leben als Christ.

Barmherzig zu sein oder zu vergeben, ist äußerst schwierig für Menschen, denen tiefes Unrecht zugefügt wurde. Doch die Alternative wäre die Selbstzerstörung durch Groll oder Rache. Solcher Groll wird oft von einer Generation an die nächste weitergegeben und wirkt sich zerstörerisch im Leben Einzelner und ganzer Gesellschaften aus. Die von Jesus glücklich Gepriesenen entfliehen diesem selbstzerstörerischen Teufelskreis, weil sie barmherzig sind. Doch das ist noch nicht alles.

Diese Seligpreisung behauptet, dass die Barmherzigen „Barmherzigkeit erlangen“ werden. Von wem werden sie Barmherzigkeit erlangen? Auch hier verwendet Jesus ein „göttliches Passiv“: Die Barmherzigen werden Gottes Barmherzigkeit erlangen. Die Barmherzigkeit ihrer Mitmenschen mag Mangelware sein, doch Gottes Barmherzigkeit wird sie niemals im Stich lassen.

Jesus war kein Europäer

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