Читать книгу Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer - Страница 100
3.2 Die Besitzwehr gegen eine Besitzstörung
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Nach § 859 I darf sich der unmittelbare Besitzer verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Rechtsfolge ist das Recht zur gewaltsamen Besitzwehr. Selbsthilfeberechtigt ist der unmittelbare Besitzer mit oder ohne Recht zum Besitz und für ihn nach § 860 auch sein Besitzdiener[68].
Erlaubt ist diejenige Gewalt, die erforderlich ist, um die verbotene Eigenmacht wirksam zu verhindern. Wer diese Grenze, und sei es schuldlos, überschreitet, handelt rechtswidrig[69].
Beispiel
Sicherlich darf ich dem Dieb, der sich gerade auf mein Fahrrad schwingt, das Fahrrad entreißen, auch wenn er dadurch zu Fall kommt und sich verletzt. Wieviel Gewalt erforderlich ist, richtet sich allein nach der Stärke des Angriffs auf den Besitz. Will der Dieb das Fahrrad partout nicht loslassen, darf ich ihn vom Fahrrad ziehen und zu Boden werfen. Zwischen der Gesundheit des Diebs und dem Wert meines Fahrrads muss ich nach dem Gesetz nicht abwägen, denn der Besitz muss der Gewalt nicht weichen. Erlaubt ist die erforderliche Gewalt, nicht lediglich eine verhältnismäßige. Das Ende der Fahnenstange ist erst erreicht, wenn das Selbsthilferecht missbraucht wird, denn der Rechtsmissbrauch verdient nach § 242 keinen Schutz (BGH NJW 2009, 2530).
Dies trifft aber nur auf Grenzsituationen zu. So ist es rechtsmissbräuchlich, auf Wanderer, die einen nicht gesperrten Privatweg über ein fremdes Grundstück begehen, Hunde zu hetzen und mit der Flinte zu schießen (BayObLG NJW 65, 163).
Voraussetzung der Besitzwehr ist eine verbotene Eigenmacht nach § 858 I durch Störung des unmittelbaren Besitzes (RN 54, 57). Gegen eine vollendete Besitzentziehung – der Störer hat die Sache dem Besitzer bereist abgenommen und eigenen Besitz begründet – hilft nur noch die Besitzkehr nach § 859 II, III, und deren Voraussetzungen sind strenger.