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b) Liturgische Sinn- und Feiergestalt bei H.B. Meyer (1924–2002)
ОглавлениеH.B. Meyer SJ45 fügte – etwas verwirrend – zwischen dogmatische Sinngestalt und liturgische Feiergestalt noch eine »liturgische Sinngestalt« ein und bestimmt sie als liturgietheologischen, nicht streng dogmatischen Begriff, der aus liturgietheologischer Reflexion auf die von Jesus gestiftete und von der Kirche gefeierte Eucharistie gewonnen und Guardini und Casel gleichermaßen verpflichtet ist. Liturgische Sinngestalt »bezeichnet die formale Dynamik (Vollzugsform), die der Feier ihren Sinn gibt und durch die deren Einzelaspekte ihre theologische Bedeutung erhalten, untereinander verbunden und in das Ganze integriert sind. So verstanden, bestimmt die liturgietheologische Sinngestalt als Vollzugs-›Form‹ die formale Sinnstruktur der Eucharistie als liturgische Feier (actio) …«46 Nach Meyer verweist der liturgietheologische Begriff »Sinngestalt« auf die theologische Sinngestalt, weil das Wortelement »Sinn« auf die »theologische Bedeutung der Eucharistiefeier und ihrer Einzelaspekte« weist, während das Wortelement »Gestalt« die »formale Struktur der Feier im Ganzen und der Einzelaspekte« meint.47 Feiergestalt bestimmt Meyer in beschreibender Sachdefinition: »Feiergestalt« = »Materialgestalt« (Lies) oder »Grundgestalt« (Guardini) »bezeichnet den materialen Ausdruck der formalen Sinngestalt und umfaßt sowohl die anthropologischen als auch die in der Stiftung Jesu gründenden wesentlichen Elemente und Vollzüge der Eucharistiefeier, in denen die Sinngestalt in Erscheinung tritt«48: Worte und Gesten, Elemente und Handlungen, personale und soziale Faktoren. Wie gesagt: Meyer kennt damit drei Ebenen: theologische und liturgische Sinngestalt, zudem liturgische Feiergestalt. Die liturgische Sinngestalt als liturgische Sinnhandlung (actio) will der Liturgiewissenschaftler über die nicht zu trennenden dogmatischen Wesensaspekte der Eucharistiefeier (induktiv) ermitteln: 1. aus der »realsymbolischen Zeichenhandlung«, 2. dem »Stiftungs- und Gnadencharakter«, 3. der »Gedächtnis-Gegenwart«; 4. dem »Opfer und Mahl«; 5. der »Communio«.49 Da Liturgie kultisches Handeln ist, müssen diese (dogmatischen) Aspekte der Eucharistie in Wahrheit Aspekte einer »actio« und insofern liturgietheologisch bedeutsam sein; diese dogmatischliturgischen Aspekte werden durch die sie umfassende liturgische Sinngestalt zusammengehalten, die Meyer »eulogisches Gedenken«50 nennt: »Diese Bezeichnung ist nicht als definitorische Bestimmung im strengen Sinn, sondern eher heuristisch, d.h. als Hilfe dafür zu sehen, daß wir die Sinngestalt in ihrer Eigenart erfassen können. Als Bezeichnung für eine formale Sinngestalt ist sie in analogem Sinn grundsätzlich auch auf andere liturgische Feiern anwendbar … Es ist die umfassende, alle Einzelaspekte integrierende formale Sinngestalt der Eucharistie als gottesdienstliche Feier.«51
Schauen wir genauer auf Meyers Vorgehen! Als Liturgiewissenschaftler kannte er das neuzeitliche dogmatische Mühen um die Wesenselemente und Sinngestalt der Eucharistie genau. Jedoch die von ihm ausgewählten und (eher) dogmatisch entfalteten Aspekte der Eucharistie führen nicht notwendig und aus sich heraus (induktiv) auf die von ihm herangezogene Sinngestalt der Eulogie. Er formuliert einerseits die in der dogmatischen Theologie entwickelte Sinngestalt »Eulogie« zu einer liturgischen Sinngestalt um und beteuert: Sie »ist die den Einzelelementen und -vollzügen des liturgischen Geschehens vorausliegende, sinnenhaft wahrnehmbare ›tragende Grundgestalt‹, nach der Guardini und andere gesucht haben, und bringt die formale Sinngestalt in der Zeichenhandlung der Meßfeier zum Ausdruck. Sie kann daher auch deren Ausdrucksgestalt genannt werden.«52 Andererseits zerstört er diese eine »umfassende« liturgische Sinngestalt, wenn er zur Feiergestalt, die ja von der Sinngestalt umfaßt sein soll, sagt: »Wir meinen, daß die Feiergestalt der Eucharistie nicht durch einen einzigen Begriff bestimmbar ist, wie das vor allem von jenen Autoren getan oder wenigstens nahegelegt worden ist, die sich zum Thema ›Grundgestalt‹ (sc. Opfer oder Mahl) der Meßfeier geäußert haben.«53 Gegen solche »Engführungen« gibt Meyer nur eine »beschreibende Sachdefinition der Feiergestalt«, die faktisch doch auf einen umfassenden dogmatischen Sinn verzichtet: »Die Feiergestalt der Eucharistie besteht darin, daß in der im Namen Jesu versammelten Gemeinde das Paschamysterium verkündet, daß im lobpreisend-bittenden Gebet über den Mahlgaben seiner und seines Heilswerkes gedacht, die communio mit dem Herrenleib, Haupt und Gliedern erbeten und im Genuß seines Leibes und Blutes erlangt wird.«54 Letztlich sind – das zeigt schon der fehlende Opfercharakter – die eine dogmatische Sinngestalt, die betonte liturgische Sinngestalt und liturgische Feiergestalt auseinandergebrochen. Unsere Frage kehrt zurück: Was ist nun die theologische und liturgische Sinngestalt der Eucharistiefeier? Wir erkennen – und hier ist Ratzinger rechtzugeben – die Frage nach letzter liturgischer Gültigkeit kann nicht mehr die Liturgie, sondern nur die Dogmatik stellen.55