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Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie I. DIE FRAGE

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Es soll an einige Neuerscheinungen der letzten Jahre zum Thema Eucharistie die Frage nach der Formalgestalt der Eucharistie herangetragen werden. Um dieses Unterfangen verständlich zu machen, ist der ungebräuchliche Begriff der Formalgestalt zu erklären. Unter Formalgestalt der Eucharistie verstehen wir jene Gestalt, die die Vorstellungen des Gedächtnisses, des realpräsentischen Sakramentes, des Opfers und des Mahles zusammenfassen kann und allen Aspekten der Eucharistie ihren formalen Sinn gibt. Wir nennen daher die Formalgestalt auch theologische Sinngestalt. Die Suche nach dieser formalen Sinngestalt ist theologisch legitim, weil eine systematische theologische Eucharistielehre Anamnese, Opfer und Präsenz einander zuzuordnen hat. Diese Frage ist theologiegeschichtlich und pastoral gefordert, da die neuzeitliche Diskussion und Verkündigung Gefahr laufen, einen traditionellen Teilaspekt der Eucharistie besonders hervorzuheben und katechetisch »auszuschlachten«, während andere, ebenso wichtige Aspekte zu kurz kommen.57

Der Begriff Formalgestalt ist nicht mit dem Begriff Formalobjekt zu verwechseln, da Formalobjekt jenen Gesichtspunkt meint, unter dem eine Sache betrachtet wird, also in die Erkenntnisebene gehört, während Formalgestalt dem Objekt selbst zukommt und in die Wirklichkeitsebene gehört. Insofern natürlich jede Wirklichkeit unter einem bestimmten Gesichtspunkt erörtert werden kann, ist der Gesichts- und Fragepunkt und somit das Formalobjekt unseres Beitrages die Frage nach der Formalgestalt der Eucharistie.

Wir wollen diese Formal- bzw. Sinngestalt so auffassen, daß sich von ihr her die Materialgestalt als sinnvoll und verstehbar erweist. Unter Materialgestalt der Eucharistie verstehen wir all das, was auf die Ebene der sichtbaren Wirklichkeit gehört und heute oft mit Grundgestalt (z. B. dem Mahl- oder dem Zeichencharakter oder dem liturgischen Vollzug) wiedergegeben wird. Mit formaler Sinngestalt der Eucharistie meinen wir deshalb auch nicht die durch die liturgische Bewegung eingeführte Kategorie der »Gestalt«58: »Mit dem Begriff ›Gestalt‹ war eine bisher unbekannte Kategorie ins theologische Gespräch eingetreten, deren reformerische Dynamik unverkennbar war. Ja, man darf sagen, daß mit dem Aufdecken dieser Kategorie Liturgiewissenschaft im modernen Sinn geboren war. Die spezifische Ebene des Liturgischen gegenüber dem Dogmatischen und Kirchenrechtlichen war erst damit in Erscheinung getreten, so daß es hier um Theologie und um theologisch begründetere Form ging, ohne daß unmittelbar die Dogmatik ins Spiel gebracht wurde … ›Tragende Gestalt ist die des Mahles‹, formulierte Joseph Pascher …«59 Diese Grundgestalt nennen wir Materialgestalt.

In einer systematischen Erörterung über die Eucharistie als Sakrament oder liturgisches Geschehen dürfte es an sich gleich bleiben, ob wir von der Materialgestalt und von den sie unmittelbar betreffenden Deutungen auf die theologische Formalgestalt schließen oder umgekehrt. Da wir nach der Formalgestalt suchen, bleibt an sich als Ausgangspunkt nur die Materialgestalt. Denn die Formalgestalt als Sinngestalt der Eucharistie ist als theologische Größe, obwohl in der Materialgestalt verwirklicht, nicht anschaubar. Der an sich richtigen Überlegung, die Formalgestalt der Eucharistie aus der Materialgestalt zu erschließen, widerspricht aber die andere, daß die Materialgestalt (etwa die Messe) gar nicht so eindeutig ist, daß sich aus ihr sofort und unmittelbar eine theologische Sinngestalt ermitteln ließe. Könnte die theologische Sinngestalt direkt aus der Materialgestalt erschlossen werden, würde sich z. B. die Frage nach dem Opfercharakter der Messe erübrigen. Daher kann und muß die Sinngestalt (auch) aus den theologischen Aussagen der Schrift, der Kirchenväter, der Theologen und Konzilien ermittelt werden. Daß man nicht vorschnell von der Materialgestalt oder »Grundgestalt« (Mahl) auf die theologische Formal- oder Sinngestalt schließen kann, zeigen auch die Erfahrungen der liturgischen Erneuerung. Schon früh begann man innerhalb der liturgischen Bewegung die Spannung von liturgischer Gestalt und theologischem Gehalt zu spüren. So bemühte sich Pascher, die Opfergestalt der Eucharistie in die grundlegende Mahlgestalt eingezeichnet zu sehen, während J. A. Jungmann »zeigt, daß schon in den frühesten liturgischen Formen die Eucharistia – das als Dank geformte Gebet des Gedächtnisses – das Übergewicht über das Mahl als solches gewinnt. Die Grundgestalt ist nach ihm jedenfalls seit dem ausgehenden 1. Jahrhundert nicht das Mahl, sondern die Eucharistia.«60 Nach Ratzinger steht »die These von der Eucharistia als Grundgestalt einer inneren Vermittlung zwischen dogmatischer und liturgischer Ebene ohne weiteres offen«61. Er folgert: »Wenn die Grundgestalt der Messe nicht ›Mahl‹, sondern Eucharistie heißt, dann bleibt zwar die notwendige und fruchtbare Differenz zwischen liturgischer (gestalthafter) und dogmatischer Ebene bestehen, aber beides fällt nicht auseinander, sondern drängt aufeinander zu und bestimmt sich gegenseitig. Im übrigen ist dann das Element des Mahles nicht einfach ausgeschlossen, weil Eucharistia auch (nicht bloß) Tischgebet des heiligen Mahles ist; aber die Mahlsymbolik ist dann unter- und eingeordnet in ein Umfassenderes.«62

Dennoch bleibt die Frage, da das Letzte Abendmahl als Stiftung der Eucharistie eben ein Mahl war, wie der Übergang vom Mahl zur Eucharistie legitim geschehen konnte: »Wie man sieht, führt diese Frage in das Grundproblem gegenwärtiger, unter dem Zeichen des Dissenses von Historie und Dogma stehenden Theologie überhaupt hinein: in die Frage nach dem Übergang von Jesus zur Kirche.«63

Bevor wir zu einer eigenen Antwort kommen, betrachten wir zunächst einige systematische Ansätze der Eucharistielehre, dann patristische und konzilsgeschichtliche Arbeiten und zum Schluß neutestamentliche Untersuchungen. Wir tun dies unter ausschließlich systematischer Rücksicht und fragen, was diese Arbeiten zur Erkenntnis einer theologischen Sinngestalt der Eucharistie beitragen. Die Frage nach der Sinngestalt wird sich nicht nur für die spekulative Theologie als interessant erweisen, auch für die Liturgik dürfte sie von entscheidender Bedeutung sein. Werden doch von ihr her besonders jene Momente, die in die Mahlgestalt aufgenommen sind und die wir aus dem Mahlcharakter nicht unmittelbar ableiten können, ihre unaufgebbare Bedeutung erweisen. Dennoch würde es diesen Beitrag überfordern, die neuen liturgie-theologischen Bücher über die Messe heranzuziehen.64

Um es gleich zu sagen: wir sind der Überzeugung, daß die den liturgischen Abendmahlsberichten und der kirchlichen Eucharistie zugrundeliegende umfassende Sinnstruktur die »Eulogia« ist. Diese theologische Sinngestalt ist geeignet, den Übergang von alttestamentlichen und neutestamentlichen Mählern zum eucharistischen Herrenmahl dogmatisch zu legitimieren.

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