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b) Johannes Betz
ОглавлениеBetz87 faßt den Ansatz seiner neuesten Eucharistiedarstellung so zusammen: »Wesen und Wirklichkeit der Eucharistie gründen in der ›Stiftung‹ Jesu, wie sie vom Neuen Testament verkündet wird. Die nachfolgende Liturgie und Theologie der Kirche versteht sich im Grund nur als Entfaltung der neutestamentlichen Grundaussagen.«88 Um diesen Ansatz in den Griff zu bekommen, muß Betz diese neutestamentlichen Grundaussagen ermitteln (Neutestamentliche Einsetzungsberichte und deren Sinnerschließung, übriges NT)89 und sie möglichst nahe an das historische Stiftungsereignis heranführen. Für Betz ist dieser Ansatz nicht eine Synthese gedanklich zusammengefaßter theologischer Aussagen, sondern vor allem ein Geschehen, das seinen theologischen Sinn als solches offenbart: »Jesu letztes Abendmahl ist als sein Selbstvermächtnis in Gestalt eines Mahles letztlich ein Phänomen sui generis.«90 Das Geschehen offenbart den Sinn des Abendmahles und schließt bei genauerem Betrachten die Grundelemente »Selbstvermächtnis«, d. h. »Gegenwart Christi und Opfer an Gott und die Menschen in Mahlgestalt« ein. Die Gestalt des Geschehens fügt sich aus Wortgeschehen, Mahlhandlung und Speise zusammen. Dabei bezieht Betz den handelnden und sprechenden Jesus ein und kann dessen Identifikation mit den Gaben verdeutlichen91. Während bei Auer eine dogmatische Prämisse zur Realpräsenz führte, folgt die Realpräsenz bei Betz aus dem Abendmahlsgeschehen und verweist auf es zurück. Damit kann Betz die übrigen Eucharistieaussagen des NT den einzelnen Gestaltelementen des Abendmahls bzw. der Liturgie neutestamentlicher Zeit zuordnen, ohne das Geschehen verlassen zu müssen92.
Nach einem dogmengeschichtlichen Überblick93 kommt er zur »systematischen Einsichtnahme«94. Dieser Ausdruck ist sehr glücklich gewählt, da der Begriff Einsichtnahme ein systematisches Sehen und Betrachten und nicht ein eigenmächtiges denkerisches Gestalten nahelegt. Daher kann für Betz ein »Wesensbegriff« von Eucharistie »nur deren Charakter als Testamentum, Vermächtnis, Stiftung des Herrn sein, wie ihn die neutestamentlichen Einsetzungsberichte bezeugen. Dem entspricht als Grundakt des Menschen das Hören, Entgegennehmen, gehorsame Tun. So sieht sich die Dogmatik bei ihrer Erklärung immer auch auf den Vollzug des Testaments und die dabei gemachten Glaubenserfahrungen verwiesen.«95 Wenn wir dies vereinfachend und verdeutlichend ausdrücken, so versteht Betz methodisch gesehen die Entfaltung seines Ansatzes als systematisierte (Dogmatik) Anamnese (Tradition) der Anamnese (Stiftungsbefehl) des Abendmahlsgeschehens, wobei die Stiftung norma normans bleibt; trotz des »hermeneutischen Zirkels«, der auch solche Entgegennahme bestimmt, ja bestimmen muß, gilt dennoch: »Oberste Norm bleibt der Stiftungswille Jesu. Maßgebend sind nicht die Anschauungen eines einzelnen Individuums und hieße es Augustinus, auch nicht das Lebensgefühl einer einzelnen Generation, und fühlte sie sich noch so reformfreudig wie die unsrige, auch nicht die philosophischen und weltbildhaften Vorstellungen einer Epoche … Das Abendmahl ist nach der Schrift die restlose Selbstschenkung Jesu an den Vater und an die Menschen, das Selbstvermächtnis und damit die bleibende Gegenwart seiner Person und seines Werkes, des einen Heilsereignisses Jesus Christus. Es stellt eine analogielose Konzentration des Heiles in seiner Person dar. Darum ist umgekehrt die Christologie der nächste Verstehenshorizont für die Eucharistie.«96 Dabei ist natürlich mit einer »eucharistischen Brechung« der Christologie zu rechnen. Dennoch »bietet die Christologie den Hintergrund, vor dem die Konturen des Sakraments klarer erscheinen«97.
Das Abendmahlsgeschehen der Kirche ist daher von Christus her zu entwickeln. »Er allein ist nicht nur der historische Stifter, sondern der dauernde Urheber jeden Vollzugs, da er allein die Verfügungsgewalt über sich (sc. Eucharistie als Hingabegeschehen Christi an Gott und an die Menschen) behält. Die Kirche kann nur in seiner Kraft und in seinem Namen handeln. Er bleibt bei den Seinen gegenwärtig als Urheber und als Inhalt seines Testaments, als Opfersubjekt und Opfergabe. Mithin ist der Begriff Gegenwart geeignet, die ganze Wirklichkeitsfülle des Sakraments zu entfalten.«98 Dabei versteht Betz die Gegenwart nicht nur im Sinne des lokalen Anwesendseins, sondern im Sinne von Begegnung.
Obgleich für ihn das vornehmliche Moment der Eucharistie die Gegenwart Christi ist, verliert er doch nicht das Geschehen aus den Augen; daher gliedert Betz »Gegenwart« in drei Aspekte auf: »1. die personale, pneumatische Wirkgegenwart (Aktualpräsenz) des erhöhten Christus als principalis agens im Sakramentsvollzug (die prinzipale Aktualpräsenz); 2. die anamnetische Gegenwart seines einmaligen Heilswerkes (anamnetische, memoriale Aktualpräsenz); 3. die substantiale Gegenwart der leibhaftigen Person Christi unter den Gestalten von Brot und Wein, in der Schultheologie einfachhin als Realpräsenz bezeichnet … Alle drei Gegenwartsweisen sind pneumatisch und sind real, nicht nur gedacht. Während aber die Schultradition die an dritter Stelle genannte somatische einfachhin als Realpräsenz bezeichnet, sprechen neuerdings Autoren von der unter 1. genannten Aktualpräsenz als von Realpräsenz. Diese Sprechweise ist in sich nicht unmöglich, da jene Aktualpräsenz real ist. Die Sprechweise darf aber, will sie den Verdacht einer tendenzhaften Um-Interpretation vermeiden, den Unterschied zwischen den Gegenwartsweisen nicht verdecken, sondern sollte ihn aufdecken. Weil die substantielle somatische Gegenwart Christi unter den Gestalten das Proprium der Eucharistie ausmacht, können wir sie mit der Tradition als ›die‹ Realpräsenz fassen.99
Auch diese Aussagen lassen erkennen, daß alle theologischen Momente der Eucharistielehre in einem dynamischen Geschehenszusammenhang stehen. So besagt »die Aktualpräsenz Christi nicht nur den historischen, sondern den bleibenden Ursprung unseres Heils in Christus. Dieser ist in allem Tun der Kirche gegenwärtig, besonders dem sakramentalen. Das hat die Eucharistie mit den anderen Sakramenten gemeinsam. Sie hat aber noch ein Proprium: In ihr wird das Selbstopfer Christi mitsamt der Opfergabe auf eine selbst opferhafte Weise gegenwärtig. Gegenwärtig wird Christus als Opfersubjekt, also als Opfer- und Hoherpriester, aber auch als Opfergabe …«100 Die prinzipale Aktualpräsenz des himmlischen Hohenpriesters Christus besagt nicht Untätigkeit: Er handelt durch den Heiligen Geist in den Christen und in besonderer Weise im Priester, entfaltet so sein einstiges Heilswerk. Denn in letzterem hat er sich restlos und radikal ausgesagt und ausgegeben, das Heil ein für allemal erworben. Und so kann denn die Folgezeit nur Entfaltung der einen Heilstat bzw. die Einbeziehung der Menschen in diese sein. Wo nun die Schrift die Eigenart und Fülle der Erlösungstat Jesu knapp mit einem einzigen Wort anzeigen will, spricht sie von ihr als Opfer.«101
Daher kommt es Betz darauf an, die Dimensionen des Opfers Christi darzustellen als Ausdruck des Hingabewillens Christi an Gott und Mensch (= Sühn-, Lob- und Dankopfer). Für das Mahlgeschehen unserer Eucharistie (Messe) gelten daher folgende Momente: »1. die Eucharistie als das vergegenwärtigte Opfer Christi oder als die memoriale Aktualpräsenz des letzteren; 2. die Eucharistie als selbst opferhafter anamnetischer Vollzug der Kirche oder vergegenwärtigendes Opfer der Kirche; 3. das Verhältnis der beiden Aspekte, das nicht als Nebeneinander, nicht als Nacheinander, sondern als In- und Miteinander zu kennzeichnen ist. Wir können hier schon kurz formulieren: die Messe ist die selbst opferhafte Aktgegenwart des Opfers Christi.«102
Damit kann Betz das »grundlegende Wesen der Eucharistie« als »Aktualpräsenz des Opfertodes Jesu« bestimmen: »Demnach ist die Messe ein relatives Opfer. Sie hat ihre innere Entelechie in der absoluten Kreuzestat Jesu und bringt diese zur Gegenwart«, wobei diese »vergangene Heilstat« nicht absolut und in sich, sondern relativ und im Symbol präsent wird103: »Das blutige Opfer Christi gewinnt im kultischen Opfer der Kirche eine neue raumzeitliche Erscheinungsweise, entfaltet so seine Fülle, wirkt so die Integration der Menschen in den Christus totalis.«104 Daher muß das Erscheinungsbild, also auch schon das biblische und liturgische, selbst opferhafte Züge tragen: »Die biblische Erhellung … kann wenigstens Ansätze opferhaften Denkens freilegen, indem sie entsprechende Züge in der Abendmahlshandlung Jesu sucht, die auf Grund des Stiftungsbefehls dann auch für die Feier der Kirche gelten. Jesus stellt seine Opferhingabe an den Vater durch die Eulogisierung von Brot und Wein dar, die damit stärker als die jüdische Berakha Darbringungscharakter bekommt. Weiter symbolisiert er seine Hingabe für die Menschen durch seine Selbstverteilung in Gestalt der Speisen. In beiden Aktionen kann eine tiefer lotende Betrachtung opferhafte Züge finden. Der Wiederholungsbefehl gebietet, daß auch die Kirche wie ihr Herr Mahlgaben darbringen, an ihnen sein Opfer symbolisieren und sie als seinen Leib und sein Blut austeilen soll, und er meint nicht nur das äußere kultische Tun, sondern die es tragende innere Opfergesinnung.«105 »Als Darbringung der Kirche ist die Messe ein eigentliches Opfer (DS 1751), aber kein eigenständiges, ist selbst ein Opfer, aber kein selbständiges, vielmehr ein relatives und anamnetisches … So ist die Messe Opfergedächtnis als Gedächtnisopfer, sacrificium Christi repraesentatum und sacrificium ecclesiae repraesentans. Man könnte sie auch oblatio oblationis Christi nennen.«106 Von der »opferhaften Aktualpräsenz des Kreuzesopfers Christi« her ist denn auch die »Aktualpräsenz der Opferhingabe Jesu der tragende Grund für die Realpräsenz der Opfergabe, diese die Krönung der ersteren. Die somatische Realpräsenz Jesu darf nicht isoliert und wie ein Mirakel angesehen werden. Sie wächst vielmehr organisch aus dem Gesamtgeschehen heraus. Als Gegenwart der Opfergabe Jesus Christus ist sie ein inneres Moment im Opfergeschehen.«107
So gelingt es Betz, die »Tatsache, Subjekt und Grundweise der Realpräsenz«108, ihr »ontisches Zustandekommen: die Wandlung der Mahlelemente«109 zu verdeutlichen, ohne den Rahmen des Geschehenszusammenhanges zu verlassen: »Der Dogmatik obliegt es, das Offenbarungsgut zu wahren und dem Glaubensverständnis von heute zu erschließen. Nun ist die substantielle Wandlung der Elemente in der Schrift nicht explizit ausgesagt, sie ist aber nichts anderes als eine notwendige ontologische Entfaltung und Sicherung des Inhaltes der Einsetzungsworte, daß das Dargereichte der Leib Jesu sei, also letztlich nicht mehr bloßes Brot, sondern bei Wahrung der äußeren Brotsgestalt wirklich der Leib Christi. Die Grundaussage der Transsubstantiation ist daher einfache Auslegung des Wortes Gottes, Dogma und damit eine Wahrheit, die weder aufgegeben werden kann noch aufgeweicht werden darf. Dieser Anspruch gilt aber nur für das Daß der Wandlung. Die weitergehende philosophische und theologische Erklärung ihres genaueren Wie kann nicht den gleichen Anspruch erheben, weist auch beträchtliche Variationen der Meinungen auf und gehört in den Bereich nicht des Dogmas, sondern der Spekulation, die so viel wert ist wie ihre Gründe.«110
Wenn es Betz auch gelingt, die theologische Gestalt der Eucharistie als Entfaltung der theologischen Gestalt des Abendmahls nachzuweisen, so erhebt sich doch die Frage, ob es Betz gelungen ist, schon in der Abendmahlsgestalt, die gewöhnlich als Grundgestalt der Eucharistie angesehen wird, eine formale Sinngestalt zu finden, in der die materialen Sinnaspekte wie Hingabe Christi, seine Gegenwart etc. eingeschrieben sind. Auf Grund seiner christologischen Konzentration erhält Betz die christologische Grund- und Sinngestalt der Eucharistie. Die einzelnen Sinnmomente der Eucharistie sind bei Betz Sinnmomente der gegenwärtigen Person Christi mit ihrem Heilswerk und finden in dieser Person ihre Zuordnung. Dennoch erübrigt sich angesichts dieser beachtlichen Leistung die Frage nach der formalen Sinngestalt der Eucharistie nicht. Betz kommt durch die christologische Konzentration der eucharistischen Sinngestalt nur zu einer faktischen Zuordnung in der Person Christi. Wir fragen, ob es eine notwendige Sinngestalt gibt, die sowohl für die ganze Person Christi und ihr Heilswerk als auch für die Eucharistie gilt. Da für Betz der theologische Hintergrund der Eucharistielehre die Christologie ist, stellt sich unsere Frage auch so: Gibt es eine Sinngestalt, in der sich die gesamte Christologie zusammenfassen läßt?