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e) Ulrich Kühn
ОглавлениеKühn liefert am Ende seines ausgezeichneten Beitrags zum Begriff »Abendmahl«139 »Grundlinien eines dogmatischen Entwurfs«140. Ausgehend von einem den neuesten Ergebnissen der Exegese angepaßten Begriff »einer Einsetzung durch Jesus«141, der sich auf die mit der Verkündigung des Gottesreiches in Verbindung stehende Mahlpraxis Jesu bezieht, läßt sich eine Kontinuität der nachösterlichen Abendmahlsdeutung zum vorösterlichen Tun Jesu herstellen. »Im Blick auf diesen komplexen Sachverhalt kann theologisch von einer Stiftung des Abendmahles durch den lebendigen Jesus Christus, dessen Leib die Kirche ist, gesprochen werden.«142
Damit bietet sich das Mahl, »das die Gemeinde zum Gedächtnis Jesu feiert«143, als Reflexionsbasis an, an der das Besondere der Eucharistie gegenüber anderen Handlungen der Gemeinde deutlich wird. Dabei spielt weniger das Geben und Empfangen eine Rolle, als vielmehr das gemeinsame Handeln und Empfangen (›nehmet, esset‹). Es wird so ein »für die Gemeinschaft als Gemeinschaft effektiver Symbolwert«144. »Das Mahl der Gemeinde wird zum Sakrament dadurch, daß es ausdrücklich und programmatisch zum Gedächtnis Jesu gefeiert wird. Dies wird eindeutig durch die beim Mahl gesprochenen Worte.«145 Somit erhält der von M. Thurian wieder neu herausgestellte Begriff des Memorial entscheidende Bedeutung: »Gedenken ist mehr und anderes als ein bloß subjektives Sich-Erinnern. Es ist vielmehr Danksagung der Gemeinde vor Gott, Eucharistie, in der das Heilsgeschehen, für das gedankt wird, aus der Vergangenheit und Ferne gewissermaßen gerufen und vor Gott und für uns gegenwärtig wird.«146
Bei dieser objektiven Vergegenwärtigung spielt der Heilige Geist (Epiklese) eine »entscheidende Rolle«147. Der »spezielle Gegenstand des Gedenkens sind Leib und Blut Christi«, d. h. seine ganze Person mit ihrem Heilswerk, Vergangenheit und Zukunft einschließend und gegenwärtig setzend148. Darin liegt auch der Opfercharakter. »Die Ablösung des ›kulttechnischen‹ Opferbegriffs durch denjenigen der personalen Hingabe an Gott und die Menschen, wie ihn die katholische Theologie gegenwärtig vollzieht, erscheint von daher als sachgemäß. Diese Hingabe (im doppelten Sinne), die über den Tod hinaus das ganze Leben umfaßt, ist aber der Inbegriff der in Jesus erschienenen Gottesherrschaft. An dieser Hingabe als an seinem ganzen Weg gibt Jesus im Abendmahl wirksamen Anteil. Damit werden die das Abendmahl Feiernden hineingenommen in die totale Hingabe an Gott (kultisches Moment) und in seine Hingabe an die Menschen (Sprengung des Kultischen). Darin ist der legitime Sinn der katholischen Lehre vom ›Mitopfern der Kirche mit Christus‹ zu sehen.«149
Für Kühn liegt »das theologische Problem der spezifischen Realpräsenz Christi im Abendmahl, das vor allem zwischen den reformatorischen Kirchen strittig war, in der Verknüpfung des ›Gedächtnisses‹ der Kirche mit dem von ihr gehaltenen Mahl«150. Der spezifische Inhalt des Gedächtnisses ist die Hingabe Jesu, »die im Kreuzestod ›für die Vielen‹ kulminiert und den Bundesschluß Gottes mit seinem Volke vollzieht. Als so sich Hingebender ist Jesus Christus aber nicht nur im Abendmahl, sondern auch sonst bei den Seinen gegenwärtig, z. B. wenn sie sich zum Hören des Wortes, zu Gesang und Gebet zusammenfinden.«151
Wenn Kühn von einer »spezifischen« Gegenwart Christi beim Abendmahl spricht und daher für ihn eine Gegenwart »extra usum« nicht in Betracht kommt152, so wäre hier zu sagen, daß ein Mahl und die sich in ihm bildende Gemeinschaft dann nicht aufhört, wenn das Essen zu Ende ist. Ist die Verehrung der Eucharistie nicht gerade ein Hinweis darauf, daß Christus allzeit bereit ist, sich uns im Mahl des Wortes und der Schrift hinzugeben? Könnte man dann nicht den eucharistischen Kult außerhalb des Mahles (Anbetung, Viaticum etc.) theologisch als »flankierende Maßnahme« deuten, das Mahl weder sakralistisch noch als einzige Christusbegegnung zu verstehen? Könnte man den eucharistischen Kult dann nicht dahingehend verstehen, daß wir allzeit hungrig sind nach Christus, im Mahl und im Wort?
Die eigentliche Konsekration bezeichnet Kühn sehr gut als »Sinnstiftung«, die als »Gesamtvorgang des eucharistischen Gedächtnisses der Kirche anzusehen« ist. Hier finden wir eine Beziehung zur Eucharistieauffassung des Origenes, wenn es heißt: »Das in der Abendmahlsfeier gesprochene Wort muß insgesamt primär als Glaubenswort und Zeugnis der Kirche angesehen werden, das Gott seinerseits zu seinem Gnadenwort an die Gemeinde wandelt, in das auch das sakramentale Zeichenhandeln wirksam einbezogen ist.«153 Damit ist für Kühn »das Abendmahl … der zentrale Selbstvollzug der Kirche (K. Rahner)« und »Ausdruck der Einheit der Kirche und stiftet Einheit«154.
Wenn Kühn bezüglich der katholischen Verbindung von Amtstheologie und Eucharistie sagt: »Der Begriff der ›Gültigkeit‹ ist in diesem Zusammenhang allerdings ungeeignet und ebenso ist daraus nicht eine ›Ungültigkeit‹ einer Abendmahlsfeier ohne Amtsträger abzuleiten«155, so ist dies theologisch berechtigt, versteht man Ungültigkeit im Sinne von wertlos. Es ist nicht berechtigt, setzt man eine, allerdings in der katholischen Theologie noch nicht geleistete Unterscheidung von Eucharistie im strengen Sinn und quasi-eucharistischen Vollzügen (Kommunion außerhalb der Messe, Wortgottesdienst, eucharistische Andachten) voraus. Sicher hat eine liturgisch gestaltete Agapefeier (Did) ihre eucharistische Geltung, sie ist jedoch nicht Eucharistie im vollen Sinn. Hinzu kommt beklagenswerterweise, daß der in der katholischen dogmatischen Theologie verwendete Rechtsbegriff »Gültigkeit« nicht jene tiefen Dimensionen der »Hierarchie der Wirklichkeit« aufscheinen läßt, die er eigentlich ordnen sollte.
Kühn lehnt ein ›weltoffenes‹ Abendmahl (Moltmann) mit Recht ab. Es ist »ex definitione Mahl derer, die an Christus glauben und miteinander das dankende Gedächtnis Jesu begehen«, so daß es ein Zeichen der Entscheidung und auch der Scheidung156 wird.
Kühn bringt die verschiedensten theologischen Elemente organisch in ein eucharistisches Ganzes, das für ihn das eucharistische Gedächtnismahl ist. Das Mahl als Gedächtnis offenbart die Opferdimension, die wesentlich in der vollzogenen und dargestellten Gegenwart des Hingabeaktes an Gott und Mensch besteht, in den die feiernde Gemeinde hineingenommen wird. Im Abendmahl stellt sich Christus in seinem Hingabeakt an die Menschen dar, in dem er sich austeilt. Vom rechten Verständnis des Gedächtnisses, das zugleich Gegenwart des Erhöhten ist, ergibt sich auch das rechte Verständnis der Realpräsenz, die in der »Sinn-Stiftung« als Gesamtvorgang des Gedächtnisses Christi und der Kirche besteht und so zum Selbstvollzug der Kirche wird, deshalb auch zum Ort der Entscheidung, zu Christus gehören zu wollen. Die beiden sinngestaltenden Momente sind also Gedächtnis und Mahl. In ihre Wechselbeziehung lassen sich die theologischen Sinnelemente einführen.
Kühns theologischer Ansatz zeigt dennoch, wie notwendig die Frage nach der theologischen Sinngestalt ist, bietet seine Abendmahlsauffassung doch eine Spannung von Mahl und theologischem Inhalt, die er durch das eucharistische Wortgeschehen zu überbrücken sucht. Wir fragen nach einer theologischen Grundgestalt, die sowohl den Hingabeakt Christi an Gott und die Menschen als auch das Gedächtnis, das Wortgeschehen und den Mahlcharakter umfaßt.