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2. Die Eulogie als dogmatisch-eucharistische Sinngestalt
ОглавлениеWas im Wort als Segen gefeiert wird (aktualpräsent), wird auch in den Symbolen gegenwärtig (somatisch-realpräsent). Die dogmatische Sinngestalt der Eucharistie, die einer liturgischen Sinngestalt erst Gültigkeit verleiht, ist die Eulogia (Segen) mit ihren Sinnelementen. Sie weist Mahl und Opfer ihre Ebenen zu. Die im Namen und damit im Gedenken Christi (gen.obj. und subj.) zusammenkommende und so gesegnete Gemeinde gedenkt und dankt (Anamnese) dem himmlischen Vater für das ein für alle Male geschehene Heilswerk (Segenswerk) in Christus, mit dem er sie von damals bis heute gesegnet hat. Die Segensgegenwart Christi mit seinem Heilswerk ist unverdiente Mitte und Bestand der Gemeinde. Daher ist gemeindliche Danksagung für das Heilswerk mit dem Bewußtsein verbunden, daß es ausschließlich die Freigebigkeit und Güte des Vaters war und seine Freiheit bleibt, seinen Sohn zu unserem Segen zu senden.
Allein dankbares Bitten der Gemeinde um die Freigebigkeit des Vaters auch heute kann der Freiheit Gottes gerecht werden (Epiklese). Die Gegenwart Christi mit seinem Heilswerk wird als Liebe des Vaters auf uns und die Gaben herabgefleht. Diese Segens-Bitte, da sie im Vertrauen auf den Namen und den Auftrag des Herrn geschieht, wird vom Vater unfehlbar erhört.
Wie im Erinnern der Menschen an Jahwe sich Jahwe der Menschen erinnert und ihnen gegenwärtig ist, wie Bitten und Danken nur in freier und personaler Begegnung möglich ist, so besagt Segen (Eulogia) immer freie Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und darin der Menschen mit Gott (Koinonia). Diese in dankender Bitte gewährte Gemeinschaft des Vaters in Christus und im Heiligen Geist mit uns Menschen, die als aktual-und realpräsenter Segen die Feier ermöglicht und über den Gaben zu deren Wandlung erinnert, diese Gemeinschaft wird im Leibe Christi unter den Gestalten von Brot und Wein sakramental gegenwärtig: Christus in seinem geopferten Leib und Blut (somatische Realpräsenz) ist unser Segen, den wir in der Kommunion zum Segen aufnehmen und so zu seinem Segensleib, der Kirche, werden (Koinonia).
Segen kennt neben der katabatischen auch die anabatische Richtung. Gott segnet die Menschen, aber auch die Menschen segnen Gott (eulogetos theos). Dieser Segen Gottes (gen. obj.) kennt viele Begriffe: Lobpreis, Heiligung, Danksagung, Darbringung und Opfer. Präzise umschreibt die lateinische Liturgie diesen anabatischen Sinn mit »memores offerimus«: Unser Opfer (Prosophora) ist ein lobpreisendes und dankendes Gedenken (Anamnese). Dieses Opfer hat nichts mit religionsgeschichtlichen Meßopfertheorien zu tun. Was Gott uns in Christus schenkt, empfangen wir im Lobpreis und beziehen in diesem Lobpreis die erhaltene Segensgabe auf den Segensgeber zurück. Wenn das Konzil von Trient einerseits von der Gegenwart des Kreuzes und der Austeilung seiner Früchte und andererseits von einem neuerlichen Opfern, wie es in der Messe geschieht, spricht, so kann unsere eulogische Konzeption präzisieren: Im erinnernden Danksagen der Gemeinde an den himmlischen Vater wird Christus mit seinem Opfer aktual und sakramental zu unserem Empfang gegenwärtig und ausgeteilt. Das Lobopfer (Segen), zu dem die Kommunion gehört, ist wie für Trient auch Austeilungritus (Segensgabe). Die Kirche vereinigt sich mit Christus, indem sie Christus dem Vater dankend vor Augen stellt (prospherein) und in diesem Sinne bedankt, d.h. »darbringt« (offerimus). Da die in der Feier aktuellen Wirklichkeiten zugleich jene sind, die in den Gestalten von Brot und Wein realpräsent werden, kann man die gewandelten Wirklichkeiten von Brot und Wein im theologisch-umfassenden Sinne »Eulogia«, unter je bestimmter Rücksicht Eucharistia, Koinonia mit dem Leibe Christi, Opfergabe (hostia), ja Segensgabe Gottes an uns und auch unsere an Gott nennen. Und all dies letztlich, weil Christus als die »Auto-Eulogia« des himmlischen Vaters (gen. obj. und subj.) im Heiligen Geist anwesend ist. Auch Christi Passa ist Eulogie. Denn Christus ist besonders in seinem Opfer (Passa) des Vaters Gedenken an uns und unser Gedenken an den Vater (wechselseitiger Segen); Gottes rufende Bitte an uns, deshalb Ort unserer gedenkend antwortenden Bitte an den Vater; Gemeinschaft des Vaters mit uns und unsere Gemeinschaft mit dem Vater und untereinander; Christus ist des Vaters Hingabe und Versöhnungsopfer an uns und so unsere Hingabe an den Vater. Daher sind auch die Gaben Realsymbole begegnender Anamnese, Epiklese, Gemeinschaft und gegenseitiger Hingabe. Soweit ich sehe, setzt sich diese dogmatische Sicht als Sinngestalt auch der liturgischen Feiergestalt immer mehr durch.56
1 Vgl. Melanchthon: Confessio Augustana [=CA],4 [BSLK 56,4f.]; Apologie der CA [Apol], 24,27 [BSKL 356,42]; vgl. ebd. 24,89 [374,6f.]; 24,92 [375,15]; M. Luther, Schmalkaldische Artikel, II, 2 [BSLK 416; vgl. 419]; vgl. CA 24,22 [BSLK 93,10–13].
2 DH 1740: »Weil jedoch sein Priestertum durch den Tod nicht ausgelöscht werden sollte [Hebr 7,24], hat er beim letzten Abendmahle, ›in der Nacht, da er verraten wurde‹ [1 Kor 11,23], um seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares (wie es die Natur des Menschen erfordert) Opfer zu hinterlassen, durch das jenes blutige (Opfer), das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, vergegenwärtigt werden, sein Gedächtnis bis zum Ende der Zeit fortdauern und dessen heilbringende Kraft für die Vergebung der Sünden, die von uns täglich begangen werden, zugewandt werden sollte, sich auf ewig als Priester nach der Ordnung des Melchisedek [vgl. Ps 110,4; Hebr 5,6; 7,17] eingesetzt erklärend, seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott, dem Vater, dargebracht und sie unter den Zeichen derselben Dinge den Aposteln (die er damals als Priester des Neuen Bundes einsetzte) dargereicht, damit sie sie empfingen, und ihnen und ihren Nachfolgern im priesterlichen Amte durch folgende Worte geboten, daß sie sie darbrächten: ›Tut dies zu meinem Gedächtnis‹ [Lk 22,19; 1 Kor 11,24], usw., wie es die katholische Kirche immer verstanden und gelehrt hat [Kan. 2].«
3 DH 1752: »ut … sacerdotes offerent corpus et sanguinem suum«; DH 1741: »se ipsum ab Ecclesia per sacerdotes sub signis visibilibus immolandum in memoriam transitus sui ex hoc mundo ad patrem«.
4 B. Neunheuser, Art.: Meßopfertheorien. In: LTHK 7 (21962) 350–353, hier 350.
5 Ebd. 351.
6 O. Casel, Das christliche Kultmysterium, Regensburg (3. Auflage) 1948; ders., Glaube, Gnosis und Mysterium. In: JLW 15 (1941); ders., Das christliche Kultmysterium, Regensburg (4. erw. Auflage [Neunheuser]) 1960.
7 V. Warnach, Art: Mysterientheologie. In: LThK 7 (1962) 724–727, hier 725.
8 Vgl. ebd. 726.
9 Ebd.
10 Vgl. H.B.Meyer SJ, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag vom Irmgard Pahl (Handbuch der Liturgiewissenschaft 4). Regensburg 1989, 29–73, hier 72.
11 Vgl. L. Lies, Kultmysterium heute – Modell sakramentaler Begegnung. In: Archiv für Liturgiewissenschaft 28 (1986) 2–21.
12 Vom Geist der Liturgie (Ecclesia orans). Freiburg (18. Auflage) 1953. Die erste Auflage liegt 30 Jahre zurück. Die Reihe geht zurück auf die Ursprünge der liturgischen Bewegung und besonders auf den Maria-Laacher Abt Ildefons Herwegen OSB, den Förderer auch von Odo Casel OSB. Vgl. »Grundgestalt« ebd. 14.
13 Vgl. ebd. 5 u. 14f.
14 Vgl. ebd. 30.
15 Vgl. ebd. 31.
16 Vgl. ebd. 35f.
17 Vgl. ebd. 65f.
18 Vgl. ebd. 35f.
19 H. B. Meyer SJ, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag von Irmgard Pahl (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft 4). Regensburg 1989, 441–460, hier 443, weist darauf hin: »R. Guardini, Besinnung vor der Feier der heiligen Messe. 1–2 [1939]. 8. durchges. Aufl. Mainz 1965. – Zur Gestalt I,70–80. Ab der 4. Auflage fehlt dieses Kapitel, ›da es Anlaß zu Mißverständnissen gegeben hat‹ (Vorwort).«
20 Wichtige Veröffentlichungen: Joh. Betz, Eucharistie als zentrales Mysterium. In: MySal IV/2. Einsiedeln 1973,185–313; ders., Eucharistie. In der Schrift und Patristik. HDG IV/4a. Freiburg 1979.
21 J. Betz, Art.: Eucharistie. In: H. Fries (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe, München 21970, 388.
22 Ebd. 389.
23 Vgl. ebd.
24 Joseph Cardinal Ratzinger, Gestalt und Gehalt der eucharistischen Feier. In: Ders., Das Fest des Glaubens. Versuche zur Theologie des Gottesdienstes. Einsiedeln 21981, 31–54, hier vgl. 31.
25 Ebd. 31f.
26 Ebd. 32.
27 Vgl. ebd. 33.
28 Ebd. 33f sagt Ratzinger, es könne nicht die Meinung von Joseph Pascher gelten, »der von einer Mahlgestalt spricht, in der die Opfersymbolik eingezeichnet ist. Die Trennung der Gaben von Brot und Wein, die symbolisch auf das tödliche Blutvergießen Jesu verweise, trage das Zeichen des Opfers in die grundlegende Mahlgestalt ein.«
29 Vgl. ebd. 33.
30 Vgl. ebd.
31 Vgl. ebd. 34 mit Verweis J.A. Jungmann, Missarum sollemnia. 2 Bde., Freiburg 1948 u.ö., hierzu I, 327ff.
32 Vgl. ebd.
33 Vgl. ebd. mit Verweis auf J.A. Jungmann, Abendmahl als Name der Eucharistie. In: ZKTh 93 (1971) 93: »Es bestätigt sich also, daß die Bezeichnung ›Abendmahl‹ im sechzehnten Jahrhundert ein vollständiges Novum war.«
34 Vgl. ebd.
35 Ebd. 35 mit Verweis auf: O. Casel, Die ›logike thysia‹ der antiken Mystik in christlich-liturgischer Umdeutung. In: Jahrbuch für Liturgiewissenschaft 4 (1924) 36ff.; J. Pascher, Eucharistia. Gestalt und Vollzug. Münster-Krailling 1947, 94–98; L. Bouyer, Eucharistie. Théologie et Spiritualité de la prière eucharistique. Tournai 1966; H.U.v. Balthasar, Die Messe, ein Opfer der Kirche? In: Ders., Spiritus Creator. Einsiedeln 1967, 166–217.
36 Vgl. ebd.
37 Vgl. ebd.
38 Ebd. 45f.
39 Vgl. ebd. 47.
40 Vgl. L. Lies, Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie. In: ZKTh 100 (1978) 69–121 (Lit.), hier 69: »Unter Formalgestalt der Eucharistie verstehen wir jene Gestalt, die die Vorstellungen des Gedächtnisses, des realpräsentischen Sakramentes, des Opfers und des Mahles zusammenfassen kann und allen Aspekten der Eucharistie ihren formalen Sinn gibt. Wir nennen daher die Formalgestalt auch theologische Sinngestalt … Unter Materialgestalt der Eucharistie verstehen wir all das, was auf die Ebene der sichtbaren Wirklichkeit gehört und heute oft mit Grundgestalt (z.B. dem Mahl- oder dem Zeichencharakter oder dem liturgischen Vollzug) wiedergegeben wird. Mit formaler Sinngestalt der Eucharistie meinen wir deshalb auch nicht die durch die liturgische Bewegung eingeführte Kategorie der ›Gestalt‹.«
41 Vgl. L. Lies, Wort und Eucharistie bei Origenes. Zur Spiritualisierungstendenz des Eucharistieverständnisses (Innsbrucker theologische Studien 1). Innsbruck [1978] 21981; ders., Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie. In: ZKTh 100 (1978) 69–97.98–121; ders., Ökumenische Erwägungen zu Abendmahl, Priesterweihe und Meßopfer. In: ZKTh 104 (1982) 385–410; ders., Sakramententheologie. Eine personale Sicht. Graz 1990; ders., Eucharistie. In ökumenischer Verantwortung. Graz 1996.
42 Vgl. Lothar Lies, Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie. In: ZKTh 100 (1978) 69–121, hier 69.
43 Vgl. ebd. 94–97.
44 Vgl. Lothar Lies, Theologie als eulogisches Handeln. In: ZKTH 107 (1985) 76–91.
45 H.B.Meyer SJ (s. Anm. 19).
46 Ebd. 445.
47 Vgl. ebd.
48 Ebd.
49 Vgl. ebd. 447–453.
50 Vgl. ebd. 454f.
51 Ebd. 455f.
52 Ebd. 457.
53 Ebd. 458.
54 Ebd.
55 Vgl. ebd. 466f.
56 Verwiesen sei auf: Martin Stuflesser, Memoria Passionis. Das Verhältnis von lex credendi und lex orandi am Beispiel des Opferbegriffs in den Eucharistischen Hochgebeten nach dem II. Vatikanischen Konzil (Münsteraner Theologische Abhandlungen 51). Altenberge 1998; neuestens Josef Wohlmuth, Opfer – Verdrängung und Wiederwehr eines schwierigen Begriffs. In: Albert Gerhards u.a. (Hg.), Das Opfer. Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt (Quaestiones Disputatae 186). Freiburg 22000, 100–127. Man beachte auch die ökumenischen Dokumente »Das Herrenmahl« und das sogenannte Lima-Papier (Max Thyrian).