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II. DAS DERZEITIGE RINGEN UM DIE FORMALGESTALT DER EUCHARISTIE 1. Systematische Ansätze a) Johann Auer
ОглавлениеFür Auer65 »erschließt sich uns die Mannigfaltigkeit des Mysteriums Gottes wie auch der Eucharistie« im »Bedenken der realen Gegenwart… Gottes in der Gegenwart Christi und seines Werkes in diesem Sakrament«; Sakrament versteht Auer »als Zeichen für die reale Heilshilfe des lebendigen Gottes in Jesus Christus«66. Im Rahmen der Sakramente gebührt der Eucharistie eine Ausnahmestellung, da »Eucharistie … den Erlöser und sein Erlösungswerk selbst sakramental-zeichenhaft gegenwärtig setzt und vermittelt (Thomas, S.Th. III q 65a 3)«67. Da in der Eucharistie das ganze Christusgeheimnis (seine Person und sein Opferwerk) anwesend ist68, nimmt die Eucharistie an diesem Geheimnis teil; sie ist »Opfer und Sakrament, Opfer und Opfermahl, Mitte und Zenit des Kultes der Kirche, die aus diesem Kult lebt und sich unablässig in ihm und aus ihm erneuert und verjüngt bis zum Ende der Zeiten«.69 Solche Worte drücken das unbewußte Ringen um die Sinngestalt der Eucharistie aus.
Um diesen Sinn der Eucharistie aufzuzeigen, sucht Auer nach einer Methode: »Da die Eucharistie als sakramentale Wirklichkeit ganz aus ihrem Zeichencharakter lebt, erhebt sich die Frage, auf welchem Weg sich uns der Sinn dieses sakramentalen Zeichens am besten erschließt, oder allgemein, welcher Methoden sich eine theologische Betrachtung dieses sakramentalen Mysteriums bedienen kann und soll.«70 Als Möglichkeiten bestehen die »heilsgeschichtliche« Methode der Schrift und der frühen Väter71, die »allegorisch-symbolische« der Väter und des germanischen Mittelalters72, die »philosophischmetaphysische«, die besonders in der Transsubstantiationsdiskussion ihren Ausdruck fand73, die »phänomenologisch-idealistische« der liturgischen Bewegung74, die heilsgeschichtlich-biblische »ergänzende« holländischer Prägung75.
Um nun die richtige Methode auszuwählen, sucht Auer nach einem Ansatz. Er wählt als allgemeinen Ansatz den sakramentalen Zeichencharakter, um das Mysterium der Eucharistie zu entfalten, weil ihm der Zeichencharakter »das Erscheinungsbild« des Mysteriums bedeutet76. Bei solch einem allgemeinen Ansatz ist die Frage nach dem besonderen zugleich die Frage nach dem Einstieg77, aus dem sich der besondere Ansatz, das Mysterium der Eucharistie zu verstehen, ergibt, enthält doch nach Auer ein Ansatz das Ganze schon unentfaltet. Dieser besondere Ansatz ist eben das »geschichtliche Abendmahl Jesu Christi, wie es im nachösterlichen Kerygma uns in der Schrift überliefert ist. Dieses nachösterliche Kerygma will jedoch nur ›das neue Verständnis der Urgemeinde für das historische Ereignis‹ zur Darstellung bringen.«78 Diesem Ansatz entspricht von den oben angegebenen Methoden die heilsgeschichtliche: »Diese … führt am besten zum ursprünglichen Verständnis der OffenbarungsWirklichkeit der Eucharistie.«79
Die heilsgeschichtliche Darstellung des ursprünglichen Verständnisses der Offenbarungswirklichkeit der Eucharistie weist das historische Abendmahl als Passa- und Opfermahl aus, so daß im Ansatz jüdische und christliche Vorstellungen einfließen. Auer nennt in diesem Zusammenhang Passa, Opfer und Kreuzestod Christi, die drei »geschichtlichen Grundlagen« des Verständnisses des Eucharistie-Mysteriums80. Als dieses Eucharistiemysterium erhellend gelten ihm das »Erscheinungsbild des ›Mahles‹ als solches«, besonders nach Johannes (13, 2. 26. 28) und »die zahlreichen Hinweise Christi auf das eschatologische Mahl im Reiche (Hause) seines Vaters als Vollendung der Erlösung und Erfüllung der Erlösten …«81 »Von diesen Einstiegsmöglichkeiten her sind nun auch die ›Namen‹ zu deuten, die dieses Geheimnis der Eucharistie in der Schrift und bei den Vätern trägt«82: etwa Tisch des Herrn, geistige Speise, Engelsbrot, Opfer, Eucharistie, Brotbrechen und Altarssakrament83.
Wenn wir recht sehen, sucht Auer tatsächlich nach einer theologischen Sinngestalt der Eucharistie, in der sich die von ihm genannten Momente sinnvoll ordnen. Denn es stellt sich für die Ebene der Zeichen, also das Abendmahl, die Frage nach dem Zueinander dieser »geschichtlichen« Grundlagen. Und hier liegt für Auer u. E. das Problem: die »geschichtlichen Grundlagen« liegen auf verschiedenen Ebenen und sind nicht ohne weiteres vergleichbar, da ihnen die sie einander zuordnende Sinngestalt fehlt. So ist das Passamahl als rituelles Geschehen nicht ohne weiteres mit dem Kreuz Christi zu verbinden, so das Mahl nicht ohne weiteres mit einer eschatologischen Deutung.
Auer ordnet nun diese »geschichtlichen Grundlagen« mittels der Vorstellung der realen Gegenwart Christi zusammen: »Das Bedenken der realen Gegenwart dieser Heilshilfe Gottes in der Gegenwart Christi und seines Werkes in diesem Sakrament bildet die Voraussetzung und Grundlage für das rechte Verständnis dafür, daß uns hier das einmalige Erlösungsopfer für alle Zeiten als Gedächtnisfeier übergeben ist: Die Eucharistie als sakramentales Opfer bildet so die Grundlage für das rechte Verständnis der Eucharistie als Mahl, als Mahl der Teilhabe am Opfer Christi und als Mahl der feiernden Christusgemeinde. Im rechten Verständnis der feiernden Christusgemeinde wiederum ist der Grund dafür zu sehen, daß Eucharistie auch selbst irgendwie Gegenstand des Kultes sein kann. In diesen Vollzugsmöglichkeiten der einen Eucharistie als Opfer, Mahl und Kult liegt endlich der Grund dafür, daß Eucharistie in besonderer Weise der Kirche zugeordnet ist, dem ganzen Volk Gottes, das selbst im Opfer, Kult und Mahl mit diesem sakramentalen Leib Christi als mystischer Leib Christi lebt und sich vollenden läßt von dem, der das Ziel und die Vollendung alles Geschaffenen und Heilsbedürftigen in dieser Welt ist.«84
Auer ordnet damit, wenn wir recht sehen, die drei »geschichtlichen« Grundlagen durch einen Denkprozeß, der den heilsgeschichtlichen Ansatz überfremdet. Die Realpräsenz ist das Gefäß, in dem die Elemente von Mahl, Kreuz und Hingabe Christi zusammengefaßt sind. Das Ordnungsprinzip der »geschichtlichen Grundlagen« ist somit ein dogmatisches. Dies ist für Auer auch legitim, weil die Eucharistie eine Sonderstellung innerhalb der Sakramente einnimmt. Auer begeht damit eine Petitio principii. Von der sakramentalen Realpräsenz kommt er auf die Sonderstellung der Eucharistie, von ihr auf das realpräsentische Ordnungsprinzip der geschichtlichen Grundlagen des Abendmahls, d. h. zur Sakramentalität des Abendmahls: die Sakramentalität des Abendmahles ist das Ordnungsgefüge seiner theologischen Elemente. Dabei ist »das Zeichen für Eucharistie primär nicht aus dem zu entnehmen, was wir heute bei unserer Eucharistiefeier sehen und erleben. Es ist vielmehr aus den Berichten zu erheben, die uns darüber in der Schrift gegeben und die selbst aus ihrem heilsgeschichtlichen Zusammenhang jeweils zu erhellen sind. An dem so gewonnenen Verständnis des sakramentalen Zeichens der Eucharistie ist das im gegenwärtigen Kult erfahrene Zeichen selbst zu messen, von ihm her immer wieder neu zu gestalten und zu berichtigen.«85
Auer muß also den Sinn des Zeichens – daß es sakramental ist, weiß er schon – aus dem »geschichtlichen und sachlichen Ort…, der uns in der Verheißungsrede (sc. Joh 6) und in den Einsetzungsworten gegeben ist«, ermitteln, um »dann aber auch ihr spezifisches Erscheinungsbild (sc. Materie und Form der Tradition) und schließlich ihren einmaligen Zeichensinn zu verstehen, der hier die besondere Weise der Gegenwärtigkeit Christi und seines Erlösungswerkes in diesem eucharistischen Geheimnis zum Heile der Menschen meint«86.
Wenn für Auer das Zeichen für Eucharistie nicht primär aus dem zu entnehmen ist, was wir heute bei unserer Eucharistiefeier sehen, läßt sich dies auch für das behaupten, was die Kirchenväter und die Tradition gesehen und symbolisch-allegorisch gedeutet haben. Wer so argumentiert, dem stellt sich nun nicht nur die Frage nach der sinnordnenden Grundgestalt des geschichtlichen Abendmahles, sondern sogar die nach deren Gültigkeit, denn auch die Kirchenväter mußten ihre theologischen Aussagen über die Eucharistie ausweisen. Auer denkt also entgegen seinem Anliegen gänzlich ungeschichtlich.
Die Frage nach einer Formalgestalt der Eucharistie, die schon bei der Diskussion des Abendmahls als Passamahl aufscheinen konnte und eine Sinn-Zuordnung von Kreuz Christi, Mahl, Passa ermöglichen würde und die logisch vorgängig den Sinn der zeichenhaften Abendmahlsfeier ordnen würde, kommt ihm nicht in den Sinn. Eine solche Frage hätte der Überfrachtung des Sakramentsgedankens gewehrt. Vor allem aber hätte sie es ermöglicht, den geschichtlichen Prozeß der Eucharistieentwicklung theologisch zu überprüfen. Wenn wir es mit unserer eigenen Unterscheidung von Formal- und Materialgestalt charakterisieren dürfen, so müssen wir sagen: Auer vermischt die theologische Material- und Formalgestalt.