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Eine Typhusepidemie an Bord des Schiffes führte dazu, dass der Kapitän den Plan aufgab, nach Kuba zu segeln. Sowohl Mitglieder der Besatzung als auch Passagiere erlagen der Krankheit und wurden über Bord geworfen.

Humboldt begleitete unter Deck das Leiden und Sterben eines neunzehnjährigen jungen Mannes, den er ins Herz geschlossen hatte.

Es fiel ihm schwer, wieder an Deck zu gehen. Er hatte rotgeweinte Augen. Lange betrachtete er den Horizont.

„Er war so jung, Aimé“, sagte er, „so jung und so schön. Aber das ist wohl das Los der Schönheit.“

Als Aimé Bonpland ihn am nächsten Tag tief die Morgenluft einatmen sah, betrachtete er ihn als genesen.

Sie nahmen Kurs auf Cumaná im Norden von Südamerika.

Das dortige Meer kennen die Seeleute gut. Da sind die Seewege wie Straßen auf offenem Gelände.

„Die Änderung unseres Ziels soll uns recht sein“, sagte Humboldt, „Für das, was wir brauchen, ist jedweder Landstrich von Nutzen. Das gibt uns die Gelegenheit, den Orinoco und seine Verbindung mit dem Amazonas zu erforschen. Den Casiquiare, erinnern Sie sich?“

Schon am Vortag hatte der Kapitän der Pizarro angekündigt, dass sie bald Land sichten würden. Indessen war nichts davon zu sehen. Das Schiff segelte in einer weißen Wolke von Nebel.

Sie hörten die Schiffsglocke am Heck läuten und das Geschrei der Männer.

Aimé Bonpland und Humboldt liefen zur Reling an der Backbordseite. Es war der Hafen von Cumaná.

Endlich waren sie in der Neuen Welt.

Das Schiff legte ohne Schwierigkeiten an.

„Schön“ riefen beide wie aus einem Munde. Aber Wörter sind nur Schall.

Aimé Bonpland spürte Humboldts Arm auf seiner Schulter.

„Sehen Sie nur! Schauen Sie sich das mit mir zusammen an! Eine solche Schönheit ist zu viel für einen einzelnen Menschen.“

Die Neue Welt, das war ein tiefblauer Himmel, eine angenehme Temperatur, eine Vegetation aus Dattel- und anderen Palmen, Mangobäume zuhauf, Sklaven mit bunten Tüchern um die Taille, Kolonialherren mit breiten Hüten. Aber außerdem gab es dort das Weiß der Kalkfelsen, Kakteen, rosafarbene Flamingos, Pelikane mit weißlichem Gefieder und über der Landschaft umherschweifende Reiher.

Aimé Bonpland wandte sich zu Humboldt um. Starr vor Staunen schaute dieser das Land an. Sein Blick sagte: „Ich sehe, ich höre, ich fühle, aber ich kann es nicht glauben.“

Aimé Bonpland wusste:

Alsbald würde Humboldts Blick beginnen, diese verwirrende Vielfalt zu sichten und ihren Sinn zu erfassen. Alles würde seinen Platz in der weltumspannenden Ordnung finden.

Sie gingen von Bord. Die anderen Passagiere versuchten, sich aus dieser infizierten Umgebung in Sicherheit zu bringen.

Die Windstille im Hafen bewirkte, dass die Gerüche schwer in der Luft hingen: Es roch nach Gebratenem, dazu kamen Körperausdünstungen, vermischt mit aromatischen Düften nach Moschus und Weihrauch.

Aimé Bonplands Blicke verloren sich in dem Geflecht der harten Blätter, das seine Finger ertastet hatten, und den Kondenswassertropfen auf den Zweigen der Mimosen.

Sie verließen den Hafen. Aimé Bonpland pflückte die erste Art der Neuen Welt. Es war eine Mangrove: die Avicennia tomentosa.

Benommen von so viel Neuem, hielten sie sich nicht bei einer Pflanze auf, sie eilten zur nächsten. Sie liefen Gefahr, sich nie mehr auf etwas konzentrieren zu können.

Die Luft war gesättigt von Feuchtigkeit. Das Hemd klebte ihnen auf dem Rücken und an der Brust.

Aimé Bonplands Blick blieb an dem schwirrenden Flug der Kolibris hängen, die er nur von den blassen Abbildern auf Aquarellen kannte. Jetzt sah er sie in all ihrer Farbenpracht, der ein wenig Purpur mit einem irisierenden Seidenglanz beigemischt war: Grün, Kobaltblau, intensives Rot, Gelb und Tiefschwarz.

„Das ist ein einzigartiger Vogel, Alexander. Es ist unmöglich, dass er fliegen kann, und dennoch fliegt er“, sagte er.

Gestalt im Schatten

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