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Botanisieren setzt einen genauen Blick inmitten der verwirrenden Vielfalt der Pflanzen voraus. Es ist der Blick des Wissenden: Dieser Stängel, diese Blätter, diese Blüte haben in der äußersten Ökonomie der Natur etwas zu bedeuten.

Wer botanisiert, behält Tausende von Zeichnungen und Beschreibungen; er weiß, welches Exemplar einer Pflanze man pflücken, zwischen Papierblättern pressen und, nachdem sie getrocknet ist, mit Bändchen auf Bögen von grober Pappe befestigen muss, um sie dann zu bestimmen und den Namen des Botanisierenden darunter zu setzen.

Durch das Zusammenfügen der Bögen mit den gesammelten Musterbeispielen entsteht ein Herbarium. Dieses setzt man zwischen zwei Buchdeckel aus hartem, mit Taft überzogenem Leder und bindet die Ränder mit Kordeln aus Flockseide zusammen.

Ein solches Herbarium misst in der Länge eine Elle.

Wegen des durch ihre Seelenlosigkeit und Unvollständigkeit irritierenden Charakters haben diese Herbarien in den naturwissenschaftlichen Sammlungen etwas Bedrückendes.

Bis Mitte des 18. Jahrhunderts waren Pflanzen ein Kollektiv, das keine Beachtung verdiente.

Im 19. Jahrhundert riss der Botanisierer eine Pflanze aus dem Boden und trennte sie aus dem Zusammenhang ihrer Artgenossen.

Die Rechtfertigungen für das Botanisieren können folgende sein: den Pflanzen ihre Essenzen zu entnehmen, sie innerhalb des Pflanzenreichs zu klassifizieren, sie in einem Museum auszustellen, damit die Besucher sie betrachten können.

In einer Vase würden sie jedoch ein paar Tage länger leben, und sie wären anmutiger.

In Porzellanvasen aus Augarten oder Vista Alegre bilden die Blumen ein holländisches Gemälde. Die Leute sagen: „Was für ein schönes holländisches Bild diese Blumen in einer Porzellanvase doch abgeben!“

Aber das Schicksal der botanisierten Pflanzen ist nun einmal die Wissenschaft und das ewige Dunkel.

Gestalt im Schatten

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