Читать книгу Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm - Страница 33
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ОглавлениеDas Fluchtauto der Gangster und der Fundort waren endlich ein paar handfeste Anhaltspunkte, mit denen sich Soko-Leiter Hartmut Zeller erneut an die Öffentlichkeit wenden wollte. Seine Vorgesetzten bei der Landespolizeidirektion Stuttgart 1 hatten die Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, den Fall der Redaktion der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst anzudienen. Dort nahm man das Ansinnen mit Interesse auf und fertigte im Eiltempo mithilfe der Ermittlungsakten ein Drehbuch an, sodass ein relativ langer Filmbeitrag entstand: mit allen Details vom Eindringen der Täter in die Wohnung Seifritz’ bis zur Flucht. Knapp viereinhalb Monate nach dem Verbrechen wurde die Fernsehfahndung am 17. Juli 1982 als siebter Fall dieser XY-Folge ausgestrahlt. Kommissar August Häberle verfolgte die Sendung am heimischen Bildschirm zusammen mit seiner Frau Susanne. »Den Seifritz stellen sie aber als ziemlich biederen Schwaben dar. Das hat er nicht verdient«, kritisierte er den Schauspieler, der den Bankdirektor verkörperte. Dass dieser im Film Hans Sanders hieß, veranlasste den Kriminalisten, der sich in Göppingen auskannte, zu einer süffisanten Bemerkung: »Die nennen ihn Sanders – beinahe so, wie dieser Journalist heißt«, grinste er seiner Frau zu. »Hab dir von dem doch schon erzählt. Der steckt seine Nase in Göppingen in alles rein. Georg Sander.«
Susanne konnte sich an einige Episoden des Journalisten erinnern, wollte sich jetzt aber nicht ablenken lassen und dem etwa 15-minütigen Film folgen. Im Anschluss gab neben Moderator Eduard Zimmermann der sichtlich nervöse Soko-Leiter Hartmut Zeller im hellbraunen Anzug mit grauer Krawatte weitere Erläuterungen zu dem Verbrechen. Häberle überlegte, ob sein Kollege den Text tatsächlich auswendig vortrug oder von einem Bildschirm ablas.
Georg Sander, der Journalist, war in diesen Tagen außer Gefecht gesetzt. Er hatte sich bei der verunglückten Landung seines ersten (und einzigen) Fallschirmsprungs das rechte Sprunggelenk innen und außen gebrochen und konnte deshalb die Fernsehfahndung nur vom Klinikbett aus verfolgen. Wie in den Tagen zuvor auch schon die Fußballweltmeisterschaft, die in Spanien stattfand und bei der Italien die deutschen Kicker im Endspiel mit 3:1 besiegte.
Sander, der kein allzu großer Fußballfan war, hatte sich trotzdem geärgert, die meisten Spiele nur in der Klinik anschauen zu können. Noch mehr wurmte es ihn aber, den bislang größten Kriminalfall seiner journalistischen Laufbahn nicht weiter beruflich verfolgen zu können. Doch der altgediente Grüninger konnte dies natürlich mindestens genauso gut.
Sanders Kollegen kümmerten sich in den heißen Julitagen geradezu liebevoll um ihn, versorgten ihn mit den neuesten Nachrichten und brachten ihm sogar nach der XY-Sendung die Pressemitteilung mit, die die Landespolizeidirektion Stuttgart 1 per Fax verbreitet hatte (hier der Originaltext):
Geiselnahme am 7. März d. J. in der Kreissparkasse Göppingen. Wie bereits ausführlich durch die Polizei berichtet, verschafften sich am Tag des Überfalls zwei mit Pistole und Maschinenpistole bewaffnete Männer – einer davon als Polizist verkleidet – kurz nach 20.15 Uhr Zutritt zu der am Stadtrand gelegenen Wohnung des Sparkassendirektors in Göppingen. Sie nahmen ihn und seine 18-jährige Tochter als Geiseln, forderten fünf Millionen DM und hielten die beiden alleine Anwesenden etwa acht Stunden in ihrer Wohnung fest. Am darauffolgenden Morgen, gegen 4 Uhr, entführten sie dann das Mädchen in ein Gartenhaus bei Schorndorf, wo es von einem dritten Täter bewacht wurde. Anschließend fuhren die beiden anderen Täter mit dem Direktor in dessen Dienst-Mercedes zur Hauptstelle der Kreissparkasse in Göppingen, wo sie das Eintreffen weiterer leitender Angestellten abwarteten und dadurch insgesamt 2,7 Millionen DM erpressen konnten. Danach flüchteten sie unter kurzfristiger Mitnahme eines Bankbediensteten als Geisel und konnten unerkannt entkommen. Währenddessen hatte sich die entführte Tochter, nachdem ihr Bewacher das Gartenhaus verlassen hatte, selbst befreien können. Obwohl die Polizei sofort nach Bekanntwerden eine Großfahndung auslöste, fehlt von den Tätern bislang jede Spur. Auch die von der LPD Stuttgart I eingerichtete Sonderkommission »Soko Fils«, die in minuziöser Kleinarbeit mehr als 570 Hinweise und Spuren untersuchte und auswertete, konnte bisher keinerlei konkrete Anhaltspunkte gewinnen. Die ersten brauchbaren Hinweise ergaben sich nun jedoch durch das Auffinden des im zweiten Parkdeck des Gmünd-Centers in Schwäbisch Gmünd abgestellten Tatfahrzeugs im Juni, das möglicherweise mit dem Fluchtfahrzeug identisch ist. Dabei handelt es sich um einen silbermetallic Audi 100 mit bereits Monate zuvor in Schorndorf entwendeten WN-Kennzeichen, die von den Tätern abgefälscht worden waren. Die dem Fahrzeug ursprünglich ordnungsgemäß zugeteilten Ludwigsburger Kennzeichen lagen dagegen im Kofferraum. Im Fahrzeug fand die Polizei einen grünen Polizeianorak, die leere Geldtasche der KSK Göppingen, zwei Handschließen mit passenden Schlüsseln und eine Sonnenbrille.
Sander las den Text interessiert, stellte jedoch fest, dass die Pressemitteilung nur wenig enthielt, was nicht schon bekannt war. Er hatte in den sommerheißen Julitagen trotz des schmerzenden Fußgelenks genügend Zeit, über den Fall nachzudenken. Auch seine Kollegen aus der Redaktion, die ihn beinahe täglich besuchten, wussten von Spekulationen und Gerüchten zu erzählen. Allgemeine Einschätzung: Wie kann es sein, dass Täter so dreist vorgehen und spurlos von der Bildfläche verschwinden? Da musste doch mehr dahinterstecken. Vielleicht doch eine Organisation oder Terroristen? Oder eine ganze Kette von Mitwissern?