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a) Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)
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Das in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verbürgte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird im Strafverfahren naturgemäß vor allem durch körperliche Untersuchungen tangiert.[67] Streitbefangen sind hier insbesondere die Reichweite der in § 81a StPO normierten Rechtsgrundlage für körperliche Untersuchungen des Beschuldigten sowie die Verhältnismäßigkeit konkreter Eingriffsmaßnahmen. Das BVerfG hatte beispielsweise keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, § 81a StPO „dahin auszulegen, daß er die Rechtsgrundlage für die zwangsweise Veränderung der Haartracht und Barttracht eines Beschuldigten – bis hin zu Eingriffen in die Substanz seiner Haartracht und Barttracht – zum Zwecke seiner Identifizierung bildet“.[68] Dem ist mit Grünwald[69] zu widersprechen: Weder kann der Veränderung der Haar- und Barttracht die Eigenschaft als körperlicher Eingriff abgesprochen werden,[70] noch lässt sich der Vorschrift des § 81a StPO – die nach ihrem Wortlaut körperliche Untersuchungen regelt – eine Rechtsgrundlage für die Durchführung gänzlich anders gearteter Eingriffsmaßnahmen entnehmen.[71]
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Umstritten ist auch die Zulässigkeit der Entnahme von Gehirn- oder Rückenmarksflüssigkeit (sog. Liquorentnahme) zur Feststellung von Erkrankungen des Zentralnervensystems. Der Eingriff gilt zwar bei einer Durchführung nach den Regeln der ärztlichen Kunst als ungefährlich,[72] zieht jedoch regelmäßig „Befindlichkeitsstörungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen und andere Störungen des Allgemeinbefindens von kürzerer oder längerer Dauer“[73] nach sich. Die h.M. verlangt daher zu Recht das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts wegen einer schweren Straftat.[74] Gleiches soll für die zur Ermöglichung einer Röntgenaufnahme des Gehirns durchgeführte sog. Hirnkammerluftfüllung (Pneumoenzephalographie) gelten,[75] die allerdings heute durch die Möglichkeiten der Computertomographie obsolet geworden ist.
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Die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an Drogenhändler zum Zwecke der Exkorporation von Beweismitteln, in der teilweise sogar ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) gesehen worden ist,[76] ist nach inzwischen herrschender Auffassung wegen der mit ihr verbundenen erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen[77] und des massiven Eingriffs in die Intimsphäre der Betroffenen regelmäßig als unverhältnismäßiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit anzusehen.[78] Soweit schließlich der BerlVerfGH im Fall Honecker geurteilt hat, „daß es mit dem Gebot der Achtung der Würde des Menschen unvereinbar ist, einen Menschen, der von schwerer und unheilbarer Krankheit und von Todesnähe gekennzeichnet ist, weiter in Haft zu halten“,[79] dürfte das Recht auf körperliche Unversehrtheit ebenfalls einen passenderen Prüfungsmaßstab abgeben.[80] Gleiches gilt für die Frage, ob eine Hauptverhandlung wegen drohender schwerwiegender Schäden für die Gesundheit des Angeklagten abzubrechen ist.[81]