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Attributionsstile
ОглавлениеDass wir nach Gründen und Ursachen für die Ereignisse um uns herum suchen, scheint zur Natur des Menschen zu gehören. In der Psychologie spricht man von Kausalattributionen, wenn wir Ereignissen, die wir wahrnehmen, Ursachen zuschreiben. Zu solchen Ursachenzuschreibungen kommt es auch im Zusammenhang mit Leistungsergebnissen in Lern- und Leistungssituationen, insbesondere in Folge von Leistungsbewertungen durch Benotung. Erlebt man z. B. das Resultat in der letzten Klausur als einen persönlichen Erfolg, dann hat man dafür ebenso schnell eine Erklärung parat (z. B. »Die Klausur war nicht besonders schwer«) wie im Falle eines subjektiv erlebten Misserfolgs (z. B. »Ausgerechnet das Thema, das behandelt wurde, als ich krank war, kam dran«).
Weiner (z. B. 1979, 1992) hat Kausalattributionen in Leistungssituationen systematisch erforscht und auf schulisches Lernen bezogen. Er stellte dabei fest, dass unterschiedliche Arten der Ursachenzuschreibung einen Einfluss darauf haben, ob wir bei der nächsten Lernanforderung eher einen Erfolg oder einen Misserfolg erwarten, welche emotionalen Befindlichkeiten wir gegenüber Lernanforderungen entwickeln und wie wir uns in nachfolgenden Lern- und Leistungssituationen verhalten.
Weiner (1992) unterscheidet drei Dimensionen der Ursachenzuschreibung: die Lokation (den Ort der vermeintlichen Ursache), ihre zeitliche Stabilität und ihre subjektive Kontrollierbarkeit. Die Lokationsdimension ist für die erlebten Selbstbewertungsaffekte entscheidend. Der Ort einer Ursache kann entweder internal, d. h. in der Person selbst, oder external, d. h. in äußeren Gegebenheiten liegen. Internale Ursachenzuschreibungen (z. B. die eigene Fähigkeit oder die investierte Anstrengung) führen bei Erfolgserlebnissen zu Stolz, bei erlebtem Misserfolg zu Beschämung. Die wahrgenommene zeitliche Stabilität einer Ursache beeinflusst dagegen die Erwartungen darüber, wie man künftig abschneiden wird. Glaubt man, dass ein erlebter Misserfolg auf zeitlich stabile Faktoren (z. B. auf eine geringe eigene Fähigkeit) zurückzuführen ist, reduziert sich die Erwartung, beim nächsten Versuch eine entsprechende Aufgabe erfolgreich lösen zu können. Erklärt man das Scheitern bei einer Aufgabe eher mit zeitlich variablen Ursachen (wie z. B. störendem Lärm oder großer Hitze), führt das eher zu der Erwartung, bei einem weiteren Versuch, besser abzuschneiden.
Die Dimension der Kontrollierbarkeit ist für die Intensität der Affekte und Erwartungen verantwortlich. Handelt es sich bei den Attributionen nach erlebtem Erfolg um selbst kontrollierbare Ursachen (z. B. die investierte Anstrengung), dann werden der erlebte Stolz sowie die zuversichtliche Erwartung für künftige Leistungen umso intensiver ausfallen. Einige typische Ursachenzuschreibungen nach einem erlebten Misserfolg in einer Klassenarbeit sind in Abbildung 2.10 dargestellt.
Abb. 2.10: Typische Ursachenzuschreibung nach Misserfolg im Rahmen des Klassifikationsschemas nach Weiner (1992)
Eher erfolgsmotivierte Personen unterscheiden sich von den eher misserfolgsängstlichen Personen in systematischer Weise in ihren Kausalattributionen nach Erfolg und Misserfolg (Meyer, 1973), so dass man in der Literatur von Attributionsstilen spricht.
Danach haben Erfolgsmotivierte die Tendenz, eigene Erfolge internalen Faktoren, insbesondere der eigenen Fähigkeit zuzuschreiben. Bei Misserfolg ist dagegen die Stabilitätsdimension entscheidend. Erfolgszuversichtliche schreiben Misserfolge zeitvariablen Faktoren (z. B. mangelnder Anstrengung, Pech) zu. Diese Voreingenommenheit der Ursachenerklärung macht Leistungssituationen zu Gelegenheiten, bei denen man im Erfolgsfall hoch positive Selbstbewertungsaffekte erlebt. Im Misserfolgsfall kann zwar auch Ärger auftreten. Wegen der Zeitvariabilität der Attribution bleibt aber die Aussicht auf Erfolg bei einem erneuten Versuch. Dieses Attributionsmuster wirkt also auf Erwartung und Anreiz motivational ausgesprochen günstig.
Die typische Ursachenerklärung von Misserfolgsängstlichen fällt dagegen deutlich ungünstiger aus. Im Vergleich zu Erfolgszuversichtlichen erklären sie eigene Misserfolge häufiger mit einem Mangel an Fähigkeit. Eigene Erfolge werden dagegen häufiger dem Glück oder der Aufgabenleichtigkeit zugeschrieben. Damit haben Leistungssituationen im Erfolgsfall geringen Belohnungswert. Im Misserfolgsfall führt dagegen dieses Attributionsmuster zu starker Betroffenheit und nimmt zugleich die Hoffnung auf künftig besseres Abschneiden. (Rheinberg & Vollmeyer, 2019, S. 93)
Man unterscheidet zwischen selbstwertunterstützenden und motivationsfördernden Attributionen. Als selbstwertunterstützend gelten Attributionen, die Leistungserfolge eher internal, Misserfolge external attribuieren. Als motivationsförderlich gilt es darüber hinaus, einen erlebten Misserfolg internal-variabel, d. h. durch eine zu geringe eigene Anstrengung zu erklären.