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2.3 Lernstrategien und ihre metakognitive Regulation

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Nicht nur die funktional verfügbare selektive Aufmerksamkeit, die Arbeitsgedächtniskapazität und das bereits vorhandene Vorwissen sind bedeutsam für die Qualität und Intensität, mit der Informationen im Lernprozess zu neuem Wissen verarbeitet werden. Von entscheidender Bedeutung sind auch Techniken bzw. Strategien des Lernens und der Informationsverarbeitung. Schon in den 1960er Jahren konnte man die Bedeutung strategischer Aktivitäten für die Lernleistung bei einfachen Gedächtnisanforderungen nachweisen. Beispielsweise las man Personen Wortlisten der folgenden Art vor, mit der Aufforderung, sich die Wörter gut zu merken, um sie später in beliebiger Reihenfolge reproduzieren zu können: Tisch – Hund – Roller – Jacke – Stuhl – Bus – Hose – Lampe – Vogel – Fahrrad – Socke – Schwein – Zug – Kommode – Pferd – Pullover.

Um eine solche Behaltensanforderung möglichst gut zu bewältigen, kann man ganz unterschiedlich vorgehen. Erwachsene setzen in der Regel eine oder mehrere der folgenden Strategien ein: Sie memorieren die Liste, indem sie die gehörten Wörter möglichst mehrmals leise oder lautlos (innerlich) nachsprechen; sie malen sich (innerlich) ein Bild aus oder stellen sich eine Szene bzw. eine Szenenfolge vor, in der die in der Liste vorkommenden Objekte enthalten sind oder sie entdecken die kategoriale Ordnungsmöglichkeit der Liste – nämlich dass darin vier Einrichtungsgegenstände, vier Tiere, vier Fahrzeuge und vier Kleidungsstücke enthalten waren – und organisieren die Begriffe entsprechend beim Einprägen und Wiedergeben der Liste.

Wer die kategoriale Ordnungssystematik beim Lernen einer Liste von Wörtern nutzt, wer beim Durcharbeiten eines Lehrbuches die besonders wichtig erscheinenden Begriffe unterstreicht und für jedes gelesene Kapitel eine kurze Zusammenfassung schreibt, der zeigt strategisches Lernverhalten. Was aber sind eigentlich Strategien?

Eine Strategie besteht aus einer kognitiven Operation oder einer Sequenz unabhängiger kognitiver Operationen, die den zwangsläufig beim Bearbeiten einer Aufgabe stattfindenden Prozessen übergeordnet sind und auf diese zurückgreifen. Strategien dienen kognitiven Zielen (z. B. dem Verstehen oder Behalten) und sind potentiell bewusste und kontrollierbare Aktivitäten. (Pressley, Forrest-Pressley, Elliott-Faust & Miller, 1985, S. 4)

Die Definition von Pressley et al. (1985) trifft schon die beiden Hauptmerkmale, die in späteren Präzisierungen des Strategiebegriffs als notwendige Bestandteile identifiziert wurden: die Zielgerichtetheit und die Tatsache, dass es sich bei Strategien stets um mehr handeln muss als nur um die obligatorischen Vorgänge und Erfordernisse bei der Bearbeitung von Reizinformationen. Nach einer Sichtung der einschlägigen Literatur konnte Hasselhorn (1996) sechs weitere häufig angeführte Merkmale von Strategien identifizieren: dass Strategien (1) absichtlich, (2) bewusst und (3) spontan eingesetzt werden, dass sie vom Lernenden (4) ausgewählt und (5) kontrolliert werden und dass der Strategieeinsatz (6) Anteile der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses verbraucht.

Nahezu alle diese Bestimmungsmerkmale von Strategien sind bei der Strategienutzung in Lern- oder Behaltenskontexten anzutreffen, sind aber nicht zwingend notwendig. Gegen die Merkmale der Absichtlichkeit und der Bewusstheit lässt sich einwenden, dass Lernende oftmals unbewusst und nahezu intuitiv Strategien hervorbringen, die sich dann als ausgesprochen effektiv erweisen. Führt beispielsweise eine Lehrperson im Mathematikunterricht die Technik des Zerlegens bei der Addition zweistelliger Zahlen ein (41+16 = 41+10+6), so wird sie gelegentlich feststellen, dass einige Schüler diese Technik bereits beherrschen und anwenden, ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne dass sie sich darüber jemals Gedanken gemacht hätten.

Wollte man hingegen nur spontanes strategisches Verhalten als Strategie klassifizieren, so handelte man sich das Folgeproblem ein, dass eine Lerntechnik, die erst aufgrund einer expliziten Aufforderung von den Lernenden gezeigt wird, nicht mehr als Strategie gelten könnte. Das Merkmal der Selektivität impliziert die Auswahl zwischen alternativen Verhaltensoptionen. Da es aber durchaus auch Lernanforderungen gibt, bei denen solche Optionen entweder nicht vorhanden oder nicht sinnvoll sind und in denen eine angemessene Strategieanwendung nur darin besteht, die obligatorischen (und automatisch ablaufenden) Verarbeitungsprozesse einfach zu unterbinden, ist eine Auswahl zwischen alternativen Vorgehensweisen gelegentlich gar nicht notwendig.

Ähnliche Argumente sprechen dafür, dass auch die Merkmale der Kontrolle und der Kapazitätsbelastung nicht notwendigerweise auf strategisches Verhalten zutreffen müssen. So kann z. B. bei sehr vertrauten und oft geübten Strategien auf die Kontrolle verzichtet werden. Und das Merkmal der Kapazitätsbelastung scheint eher auf das Anfangsstadium einer neu erworbenen Strategie zuzutreffen. Je routinierter eine Strategie eingesetzt werden kann, desto weniger Kapazität des Arbeitsgedächtnisses wird durch ihre Ausführung verbraucht werden.

Pädagogische Psychologie

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