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Studie: Wirksamkeit von Strukturierungsstrategien
ОглавлениеChmielewski und Dansereau (1998) stellten die Aufgabe, einen Text über das menschliche Nervensystem zu lesen und sich die Inhalte zu merken. Es war nicht gestattet, während des Lesens irgendwelche Notizen anzufertigen. Erst nach fünf Tagen sollte man aufschreiben, was man behalten hatte. Wenn vor der Aufgabenstellung ausführlich über mentale Modellierungstechniken und deren Anwendung informiert worden war, konnten mehr als doppelt so viele Informationen erinnert werden.
Wittrock (1974) hat Lernen als eine »generative Aktivität« bezeichnet, weil der Lernende aktiv Beziehungen zwischen Ideen bzw. Informationen herstellen muss. Solche Aktivitäten bezeichnen wir in Anlehnung an einen Vorschlag Mayers (2003a) als generative Strategien. Sie haben zum Ziel, ein tieferes Verständnis zu erzeugen. Im Gegensatz zu den Strukturierungsstrategien geht es dabei nicht um eine Reduktion der Informationsvielfalt, sondern um eine Elaboration relevanter Informationen und um Maßnahmen der Verknüpfung mit dem bereits verfügbaren Vorwissen.
Generative Strategien gründen auf der Sicht vom Lernen als Konstruktion von Wissen ( Kap. 1.4). Eine generative Strategie wäre z. B. die Analogienbildung. Analogien können hilfreich sein, um bestimmte Merkmale des neu zu Erlernenden besser zu verdeutlichen (z. B. die zuvor beschriebene Analogie zwischen dem Röhrensystem der Wasserleitung und dem Blutkreislauf). Eine weitere wirksame Strategie dieser Art ist die Selbstbefragung. Generiert der Lernende Fragen an den Text und versucht diese unter Rückgriff auf den Text und auf sein verfügbares Vorwissen zu beantworten, so führt dies zu besseren Verstehens- und Behaltensleistungen (z. B. Singer, 1978). Ob es sich allerdings bei der Selbstbefragung noch um eine kognitive oder schon um eine metakognitive Strategie handelt, ist zumindest fraglich.
Generative Strategien wurden in vielen Lernkontexten entwickelt und evaluiert (z. B. Fiorella & Mayer, 2016). Sie gelten als besonders wirksam für den Aufbau und die Erweiterung von Wissen. Brod (2021) hat für sechs der besonders häufig untersuchten generativen Lernstrategien untersucht, ob sie auf allen Altersstufen des Bildungssystems gleichermaßen nützlich sind. Die genauer betrachteten Strategien waren das Kartieren von Konzepten (concept mapping), das Generieren von Erklärungen (explaining), das Generieren von Vorhersagen (predicting), das Stellen von Fragen (questioning), das Generieren von Antworten (testing) sowie das Generieren von Zeichnungen (drawing). Während sich alle sechs Strategien als effektiv bei erwachsenen Lernenden mit hohem Bildungsniveau erwiesen, waren im Grundschulalter nur für das Generieren von Vorhersagen und von Antworten positive Lerneffekte festzustellen. Erst ab dem Ende der Grundschulzeit war auch das Kartieren von Konzepten nachweislich wirksam.