Читать книгу Die Stimme - Marijana Dokoza - Страница 14

IX

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»Verdammt!«, rief Kiara plötzlich.

»Was ist los?«, fragte Katja, als sie Kiaras Wohnung betraten. Katja schleppte ihre große Reisetasche mit sich. Sie gehörte zu den Menschen, die auch auf kurzen Reisen einen Berg an Gepäck dabeihaben, als würden sie für einen ganzen Monat verreisen.

»Wie konnte ich das nur vergessen? Ich bin so dumm! Ich bin wirklich dumm«, ärgerte sich Kiara.

»Was ist denn passiert?«, fragte Katja noch einmal.

»Ich habe im Lokal, in dem ich auf dich gewartet hatte, mein kleines Notizbuch liegen lassen«, antwortete Kiara.

»Stand denn etwas Wichtiges drin?«

Kiara überlegte einen Moment. „Nur eine Telefonnummer.«

»Warum hattest du es überhaupt aus der Tasche herausgeholt?«, fragte Katja und setzte sich im Wohnzimmer auf die Couch.

Kiara wusste es nicht. Sie vermochte sich weder zu erinnern, warum sie das Notizbuch mit der Telefonnummer herausgeholt hatte, noch wusste sie, wessen Telefonnummer es war. Es fiel ihr einfach nicht ein. Was sie noch wusste, war, dass sie jemanden hatte anrufen wollen, bevor sie Marcus getroffen und deshalb das Notizbuch in die Hand genommen hatte. Aber wen? Sie setzte sich auf einen Stuhl und schloss die Augen, um die Ereignisse der letzten paar Stunden noch einmal Revue passieren zu lassen, aber es ergab alles keinen Sinn. Sie fragte sich, warum sie das Notizbuch, in dem nur eine einzige Nummer stand, auf dem Tresen im Café liegen gelassen hatte, anstatt es wieder in ihre Handtasche zu stecken.

›Mein Gott, ich glaube, ich verliere den Verstand‹, dachte sie insgeheim.

»Ich kann es dir nicht sagen, Katja. Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete sie schließlich.

Katja bemerkte nicht die Panik in Kiaras Stimme. Ihre Freude über das Wiedersehen mit ihrer Freundin war zu groß. Das Notizbuch mit der Nummer hatte sie schon längst vergessen. Sie hatte tausend Fragen und wusste nicht, wo sie anfangen sollte.

»Erzähl doch mal, Kiara, gibt es irgendwelche Neuigkeiten? Wie geht es Henning? Du bist doch noch mit ihm zusammen, oder nicht? Wie geht es deiner Mutter? Wie läuft es auf der Arbeit?«

Kiara überlegte, welche Frage sie zuerst beantworten sollte, und vergaß für einen Augenblick das Notizbuch und die Telefonnummer, deren Eigentümer ihr entfallen war.

Die beiden Freundinnen verbrachten die nächsten Stunden damit, einander zu berichten, was sich in ihrem Leben seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte, und merkten gar nicht, dass es schon nach Mitternacht war.

»Ach, jetzt hab’ ich schon wieder etwas vergessen!«, rief Kiara.

»Was ist denn nun schon wieder?«

»Ich habe Luca ganz vergessen. Ich wollte ins Krankenhaus fahren, weil ich dort noch etwas zu erledigen habe, aber ich hab’s glatt vergessen. Heute entfällt mir einfach alles. Das passiert mir normalerweise nie. Ich muss mich vergewissern, ob ihm die diensthabende Ärztin sein Medikament gegeben hat. Wie konnte mir das nur passieren«, klagte Kiara und erging sich in Selbstvorwürfen.

»Kennst du das bekannte Sprichwort? – Ärzte haben einen großen Vorteil: Wenn sie einen Fehler machen, begraben sie ihn einfach«, witzelte Katja, bereute aber sogleich, was sie gesagt hatte, als Kiaras finsterer Blick sie traf.

»Das war doch nur ein dummer Witz, schau mich bitte nicht so böse an!«

»Das ist es nicht …«, murmelte Kiara, die auf der Suche nach dem mobilen Telefon den Raum durchstreifte. Als sie es unter der Couchdecke gefunden hatte, wählte sie sofort die Rufnummer des Krankenhauses. Der Pförtner meldete sich und verband sie umgehend mit der Station, auf der Luca lag. Sie wartete eine Weile, doch nach mehrmaligem Ertönen des Freizeichens hörte sie erneut die Stimme des Pförtners.

»Es hebt niemand ab, Frau Doktor. Die Ärztin ist sicher im Laboratorium und hört deshalb das Klingeln nicht. Wollen Sie es später noch einmal versuchen?«

»Das werde ich tun, Rocco«, sagte Kiara und legte wieder auf.

»Und?«, fragte Katja anstandshalber. Es interessierte sie nicht sonderlich, ob Luca sein Medikament bekommen hatte.

»Ich konnte die Ärztin nicht erreichen. Auf der Station ging niemand ans Telefon«, antwortete Kiara und setzte sich neben ihre Freundin.

»Mach dir keine Sorgen. Alles wird in bester Ordnung sein. Du wirst sehen. Ich bin ein bisschen müde. Kann ich als Erste unter die Dusche?«, fragte Katja, und Kiara nickte.

»Du trägst so was?«, fragte Katja neckisch. Sie stand in der Wohnzimmertür und hielt die schwarzen Strapse hoch.

Kiara musste lachen. Sie stand auf und nahm sie ihr aus der Hand. »Nur, wenn Henning hier ist. Hör auf zu lachen, du hast bestimmt auch schon welche getragen.«

»Na klar, Süße, aber du scheinst mir nicht gerade der Typ dazu. Es ist doch nichts dabei. Nur weiter so!«, sagte Katja lachend und ging zurück ins Badezimmer, um zu duschen.

In letzter Zeit war Kiara sehr unruhig. Zu begründen vermochte sie ihr Unwohlbefinden nicht. Auch an diesem Abend überfiel sie diese Unruhe, die sie sich nicht erklären konnte. Sie ging zu Bett, aber nachdem sie sich einige Minuten lang im Bett hin und her gewälzt hatte, stand sie wieder auf und zog sich an. Hastig ergriff sie ihren Mantel, stieg die Treppen hinunter und verließ das Haus. Ihr Auto hatte sie in der Nähe geparkt, aber diesmal dachte sie nicht daran, dass es Nacht war, und unterdrückte ihre Angst. Sie startete den Motor und fuhr zum Institut. Am Eingang empfing sie der Pförtner Rocco, der in dieser Nacht Dienst hatte. Obwohl es schon nach Mitternacht war, war er keineswegs erstaunt, sie zu sehen. Er war es gewöhnt, einzelne Ärzte zu so später Stunde zu begrüßen. Seiner Ansicht nach übertrieben es manche mit ihrer Hingabe an den Beruf.

»Guten Abend, Frau Doktor«, begrüßte er sie.

»Guten Abend, Rocco. Sind Sie der Ärztin schon begegnet, die heute Nacht Dienst hat?«

»Hab sie nicht gesehen.«

»In Ordnung, ich werde oben nach ihr schauen. Ich möchte mich vergewissern, ob sie meinem Patienten sein Medikament verabreicht hat.«

Der Pförtner nickte und drückte auf den Knopf, der die Eingangstür öffnete. Als sie die Treppe hinaufging, die zu Lucas Krankenzimmer führte, vermeinte sie, für eine Sekunde gesehen zu haben, wie eine Person in einem weißen Kittel gerade das Laboratorium betrat. Als sie fast schon im oberen Stockwerk angelangt war, überlegte sie einen Augenblick, wohin sie zuerst gehen sollte – ins Laboratorium oder zu Luca. Sie blieb kurz stehen und beschloss dann, zuerst nach dem Patienten zu sehen.

Die Stimme

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