Читать книгу Die Stimme - Marijana Dokoza - Страница 7

II

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»Kiara … Kiara«, hörte sie eine vertraute Stimme.

»Kiara, wie fühlst du dich?«, wiederholte Henning, als er sich über sie beugte. Er wirkte besorgt. Kiara sah sich verwirrt um.

»Wo bin ich, was ist geschehen? Wo ist Johanna?«

Henning wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Die Ärzte hatten ihn darauf hingewiesen, dass Kiara Ruhe brauche und jede Aufregung zu vermeiden sei. Er wunderte sich, dass sie nach einer Johanna fragte; er wusste nicht, dass sie eine Person mit diesem Namen kannte. Sie hatte sie noch nie erwähnt. Henning schrieb ihre Äußerungen dem Schock zu, den sie durch den Unfall erlitten hatte.

»Kiara, beruhige dich, du darfst dich nicht aufregen«, redete er behutsam auf sie ein.

»Henning, was ist mit Johanna? Ich habe sie vorhin gesehen, sie wollte mir etwas sagen …«

Henning wusste nicht, was er erwidern sollte. Er wusste nicht, ob sie wirres Zeug sprach oder wieder zurechnungsfähig war, und ließ deshalb einen Arzt kommen.

»Die junge Frau steht noch unter Schock und kann sich offenbar an nichts mehr erinnern. In einigen Stunden wird es ihr besser gehen«, bekam er vom Arzt zu hören.

Kiara sah wohl, dass der Arzt sich mit ihrem Freund unterhielt, konnte aber nicht hören, um was es sich handelte. Sie sah ihre Mutter Rosie, die weinend an der Krankenzimmertür stand und dem Gespräch zuhörte. Das wunderte sie kaum, war ihre Mutter doch eine sehr ängstliche Person. Als der Anruf gekommen und sie über den Unfall benachrichtigt worden war, hatte sie sich augenblicklich ins Krankenhaus begeben und erst aufgehört zu weinen, als Kiara die Augen geöffnet hatte, und selbst dann hatte sie, blass vor Angst, ihre Tochter angeschaut, als würde diese jeden Moment zerbrechen, obwohl man ihr versichert hatte, dass der Zustand der Patientin nicht kritisch sei. Nachdem sie dem Arzt aufmerksam zugehört hatte, trat sie nun vorsichtig an Kiaras Bett.

»Alles wird wieder gut, mein Schatz. Du hast dir nur ein bisschen wehgetan. Hab keine Angst. Du musst versuchen, ein wenig zu schlafen«, sagte sie mit sanfter Stimme.

Kiara war jedoch viel zu angespannt, um einzuschlafen, und selbst wenn sie es geschafft hätte, die Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben, wäre sie viel zu nervös gewesen. Sie wollte endlich in Erfahrung bringen, warum niemand wusste, was mit der alten Johanna geschehen war. Die im Zimmer anwesenden Personen wussten weder, was mit ihr geschehen war, noch, wer Johanna überhaupt war. Allmählich glaubte Kiara, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Und doch schien alles so wirklich.

»Guten Tag! Verzeihen Sie die Störung, darf ich hereinkommen?«

Kiara, Henning und Rosie fuhren auf, als sie die unbekannte Stimme hörten, die von der Tür her kam.

»Ich bin Marcus. Sie sind vor mein Auto gerannt und ich habe Sie angefahren«, sagte der junge Mann, etwas ängstlich Kiaras Reaktion abwartend, bevor er zögerlich eintrat.

Sie schaute ihn nur an und deutete schweigend auf einen Stuhl links neben ihrem Bett. Marcus fühlte sich unwohl. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte.

»Entschuldigen Sie, es war meine Schuld. Ich hätte vorsichtiger sein sollen. Zum Glück sind Sie nicht schlimmer verletzt worden …«, sagte er, aber Kiara unterbrach ihn sofort.

»Halb so wild. Es ist ja nichts passiert. Ich bezweifle außerdem, dass Sie mich überfahren könnten. Ich bin unverwüstlich, müssen Sie wissen. Wie geht es Ihnen? Ist mit Ihrem Auto alles in Ordnung? Ich war’s schließlich, die ohne zu schauen, ja fast wie ein Zombie die Straße überquert hat«, entschuldigte sich Kiara.

Marcus war die ganze Situation unangenehm. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich die junge Frau, die er beinahe totgefahren hätte, bei ihm entschuldigen würde.

»Im Übrigen wäre die Welt nicht viel ärmer ohne mich …«, fügte sie hinzu, woraufhin Marcus innehielt, weil ihn ihre Bemerkung irritierte – eine Bemerkung, die ihr an dieser Stelle angebracht geschienen hatte, weil sie merkte, dass er sich in der Gegenwart ihrer Mutter und Hennings nicht wohl fühlte.

›Wenn ich so etwas von mir gebe, kann man das ja verstehen, aber dass diese Person so etwas sagt, ist wirklich eine Schande‹, dachte er.

Seine Familie war der Auffassung, dass Marcus Costava nur einen wahren Grund hatte, unglücklich zu sein: seine unerklärlichen Alpträume. Marcus litt, das bescheinigten ihm die Psychiater, die ihn in den vergangenen zehn Jahren behandelt hatten, an »wiederkehrenden Wahnvorstellungen«. Diese Wahnvorstellungen waren, so die Ärzte, die Widerspiegelung einer Unzufriedenheit, auch wenn er selbst nicht wusste, worauf diese Unzufriedenheit beruhte. Er war jung, erfolgreich, besaß ein eigenes Unternehmen zur Parfümproduktion und war auch bei den Frauen sehr beliebt. Die Richtige war ihm bisher allerdings noch nicht begegnet – die Frau, der er sein ganzes Vermögen zu Füßen legen würde. Da er aber erst dreiunddreißig Jahre alt war, war es noch zu früh, um sich ernsthaft Sorgen darüber zu machen.

»Sie dürfen so etwas nicht sagen, Sie sind doch noch jung«, sagte Marcus zu der Frau, die seinetwegen im Krankenhaus lag.

Kiara lachte nur, ohne zu antworten.

»Ich bitte Sie noch einmal, mir zu verzeihen! Ich werde für die Behandlungskosten und alles andere aufkommen«, bot Marcus an.

»Das wird nicht nötig sein«, sagte Kiara und schüttelte den Kopf.

Marcus zuckte daraufhin seufzend mit den Schultern, entschuldigte sich noch ein letztes Mal, hinterließ seine Handynummer und betonte, sie solle nicht zögern und sich sofort bei ihm melden, falls sie irgendwann einmal seine Hilfe benötige, und verließ dann den Raum. Henning blieb regungslos sitzen. Ihm hatte Marcus ganz und gar nicht gefallen, auch nicht die Art, wie Kiara ihn ansah. Vorwürfe konnte er ihr jedoch nicht machen, da sie ihm keinen konkreten Anlass dazu gegeben hatte. Er wartete noch, bis sie eingeschlafen war, und machte sich dann auf den Heimweg.

Die Stimme

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