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Auf den ersten Blick

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Am 4. März 1907 – einem Montag – hielt Eberhard Arnold eine Bibelarbeit im Haus der Frau Oberstabsarzt Else Baehr, einer energischen, umtriebigen Gemeinschaftschristin. Mit welchen Erwartungen ist er wohl dorthin gegangen? Vielleicht schon ein wenig in Abschiedsstimmung. Die Hallenser Zeit war fast abgelaufen; eine Woche später würde er sich exmatrikulieren; das nächste Semester wollte er wieder zuhause in Breslau studieren. Im April stand noch eine studentische Arbeitskonferenz der DCSV-Kreisleiter an, bei der er den Vorsitz führen sollte. Dann würde er die Zelte abbrechen. – An diesem Abend sprach er über einen Abschnitt aus dem zehnten Kapitel des Hebräerbriefs.


Emmy von Hollander, 1907

Es waren etwa 25 Besucher im Raum, darunter Karl Heim, das Ehepaar Sallwürk, eine Frau Generalmajor von Borke, ein Bergwerksdirektor Sievert und verschiedene andere Notabeln, die durch von Gerdtells Vorträge „erweckt“ worden waren. Die Bibelarbeit des angehenden jungen Theologen war sehr eindringlich und persönlich. „Er sprach mit einer solchen Feuerkraft und Glut und Überzeugung, dass er nach der Versammlung ganz belagert war, und jeder ihn fragte, ob er Missionar werden wollte (...). – Ich hatte so etwas noch nie in meinem Leben gehört und erlebt“, schrieb eine Augen- und Ohrenzeugin – eine Krankenpflegerin, die in einem Diakoniekrankenhaus in Salzwedel arbeitete und eigentlich nur auf Urlaub bei ihren Eltern in Halle war. Eberhard Arnold hatte sie schon bemerkt, als er den Salon betrat, und hatte sich bei dem Gedanken ertappt: „So muss meine Braut sein.“ Die junge Frau hieß Emmy von Hollander. Das erfuhr er aber erst einige Tage später.

Emmy Monika Else von Hollander war, als Eberhard Arnold sie erstmals traf, eine attraktive Erscheinung: mit selbstbewusster Haltung, mit blonden Naturlocken, die sich nur widerwillig – der Zeit und Konvention entsprechend – hochstecken ließen, und mit einem offenen, geraden Blick aus auffällig blauen Augen. Geboren am 25. Dezember 1884 in Riga, war sie in Jena und seit 1897 in Halle aufgewachsen. Geistliches Leben hatte sie fasziniert, seit sie durch eine Freundin in die Familie des Pastors Meinhof eingeführt worden war, der das Pfarramt an der Hallenser St. Laurentius-Kirche ausübte. Als Jugendliche beschäftigte sie sich mit Zinzendorf und der Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine. Sie vertiefte sich in alte und neuere geistliche Lieder; auch sie las mit Begeisterung Thomas von Kempens „Nachfolge Christi“. Mit 17 war sie als Schwesternschülerin in die Diakonissenanstalt im Hallenser Stadtteil Giebichenstein eingetreten. Mit 19 arbeitete sie eine Zeitlang als Kinderpflegerin im Haushalt der Pastorenfamilie Freybe in Stappenbeck bei Salzwedel. 1905 war sie Probeschwester im Hallenser Diakonissenmutterhaus geworden, war aber schon zum Jahresende von Krankheit geschwächt und innerlich entmutigt wieder ausgetreten. Seit Februar 1906 hatte sie durch Vermittlung des Pastors Freybe im Johanniter-Krankenhaus in Salzwedel gearbeitet. Sie übte ihren Beruf gern und mit Hingabe aus. Allerdings war sie im Beruf und in der Familie früh und oft mit Leiden und Tod konfrontiert worden und sah sich dadurch gezwungen, über den manchmal rätselhaften Willen Gottes, über seine Barmherzigkeit und über die Begrenztheit des Lebens nachzudenken. „Was mich beunruhigte, war, dass ich etwas Trennendes zwischen Gott und mir empfand“, berichtet sie über diese Zeit; „ich konnte es nicht begreifen, wie der reine und heilige Gott solch unheilige Menschen sich erwählt hat, und fand keine wirkliche Lösung dieser Frage.“

So also war Emmy von Hollanders innere Verfassung, als sie den Salon der Frau Oberstabsarzt Baehr aufsuchte. Dazu kam eine Portion Neugier. Für vier Wochen auf Urlaub bei den Eltern in Halle, hatte sie ihre Geschwister begeistert von den Vorträgen Ludwig von Gerdtells vorgefunden. In Kaffeekränzchen und bei Gesellschaften hörte sie ganz offen darüber diskutieren, „ob das Sühnopfer Christi noch heute Kraft und Bedeutung habe“. Die ganze Stadt schien einen anderen Geist zu atmen: „Wie sehnte ich mich danach, auch von diesem Geist erfasst zu werden.“ – Eberhard Arnold sah sie nach diesem einen Abend zunächst nicht wieder (er war für ein paar Tage in den Harz gefahren, um sich über seine Gefühle und über Gottes Willen hinsichtlich dieses Mädchens klar zu werden). Von seiner Ansprache immer noch aufgewühlt, suchte sie nach einigen Tagen (am 15. März) die Frau Oberstabsarzt auf und ließ sich von ihr den Weg zur „Ruhe in Gott und in Christus“ erklären. Sie besuchte auch weitere Versammlungen.

Eberhard Arnold

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