Читать книгу Eberhard Arnold - Markus Baum - Страница 38
Anfänge der Pfingstbewegung
ОглавлениеParallel zu DCSV-Konflikt, Tauf- und Kirchenfrage taucht in den Brautbriefen zwischen Emmy von Hollander und Eberhard Arnold immer wieder die Frage nach Dauer und Zukunft der Erweckung auf, die in Halle und vielen anderen Städten und Landstrichen dieser Zeit zu spüren war. Eberhard Arnold glaubte, „eine immer reiner werdende Rückkehr zum Urchristentum“ feststellen zu können: „Unsere Erweckung trägt den Stempel der Endzeit, der herrlichen Erwartung Seiner Ankunft (…) – Noch ist viel zu tun. Viel Gebundenheit, viel Unklarheit zu überwinden, die alleinige Autorität des Wortes im Geist durchzufechten und die Sünde als tot hinauszutun.“ Da kann es nicht erstaunen, dass er hellhörig war für Nachrichten über besonders auffällige Ereignisse in der Christenheit. In einem der ersten Briefe an Emmy, am 4. April 1907, gab er stichwortartig den Inhalt eines Berichts des Zeltevangelisten und Pastors Jonathan Paul wieder über seltsame Vorgänge bei einer Erweckung in Frederiksand bei Christiana (Oslo), „in der viele zur völligen Hingabe an Jesus gekommen sind und der Geist mit einer Kraft herniedergekommen ist wie an Pfingsten in der Apostelgeschichte, sodass auch dort heute Leute mit fremden Sprachen reden …“ Er war begeistert, „wie ruhig, nüchtern und doch wunderbar der Geist Gottes in unseren Tagen wirkt!“ Ein Vierteljahr später berichtete Emmy von Hollander über „vier Geschwister aus Norwegen“, die nach eigener Aussage vom Heiligen Geist nach Halle geschickt worden seien und sich ohne Vorankündigung bei einer Gemeinschaftsschwester einquartiert hätten, „vielleicht acht Tage, vielleicht ein Jahr, je nachdem der Geist es ihnen zeigt“. Sie war befremdet über die ungeordnete, unverständliche Art des Betens, aber auch bereit, die Sache gründlich zu prüfen. Nach der zweiten Begegnung schrieb sie: „Das Kreuz ist nicht der Mittelpunkt, weder gestern noch heute, sondern das Erfülltsein mit dem Geist, welches sie (so kommt es mir vor) erzwingen wollen.“ Eberhard Arnolds trockener Kommentar dazu: „Geistespredigt ohne Christusverkündigung ist die gefährlichste Schwärmerei. Der Geist ist nur dazu da, dass er Christus verherrlicht und von Ihm und Seinen Worten zeugt.“ Nach einer dritten Versammlung mit den Norwegern glaubte Emmy, die Bewegung sei womöglich doch göttlich. – Das Thema war in der Folge Gesprächsgegenstand am Rand der Blankenburger Allianzkonferenz und bei allen möglichen Gelegenheiten. Den positiven Bericht eines „äußerst nüchternen DCSV-Kollegen“ über die „Großalmerodener (Pfingst)-Bewegung“ schickte Eberhard Arnold ohne weiteren Kommentar an Emmy. Er legte großen Wert auf ihre Einschätzung, und die fiel zunächst vorsichtig positiv aus.
Als dann erkennbar wurde, dass die Pfingstbewegung mehr noch als die Tauffrage Unruhe und Streit in die Allianzbewegung brachte, hielt er es mit den leitenden Männern der Blankenburger Allianzbewegung: Ernst Modersohn, General von Viebahn, Bernhard Kühn und andere richteten am 19. Dezember 1907 in einer Erklärung des „Allianzblattes“ ein Haltesignal auf. Zungenrede, Weissagung und andere neutestamentliche Geistesgaben sollten auf den Blankenburger Konferenzen nicht geübt werden – um der Einheit willen.
Es ist nicht bekannt, dass Eberhard Arnold später engere Fühlung mit pfingstkirchlichen Gemeinden oder Gemeinschaften gehabt hätte. Es gibt freilich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Pfingstbewegung pauschal verurteilt oder absichtlich gemieden hätte. Wie hätte er auch seine deutliche Prägung durch Torrey und Finney verleugnen können? In seinem Leben sind mit den Jahren eine ganze Reihe von Charismen wirksam geworden: Urteilskraft, prophetischer Weitblick, tätige Liebe.