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c) Teleologische Reduktion
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Durch die Analogie wird, wie gezeigt, der Anwendungsbereich einer Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus erweitert. Das Gegenstück bildet die „teleologische Reduktion“: Hier wird der Geltungsbereich der Norm unter Berufung auf ihren Zweck (griechisch: telos) enger geschnitten als der wörtlichen Auslegung entspräche. In solchen Fällen berufen sich die Gerichte häufig auf die „teleologische Auslegungsmethode“ (Rn 94, Rn 105).
Beispiel:
§ 828 II 1 bestimmt: Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Damit wird die absolute Verschuldensunfähigkeit, die für Kinder unter sieben Jahren ausgesagt ist (§ 828 I), für einen bestimmten Lebensbereich auf Kinder zwischen sieben und zehn Jahren „verlängert“ (außer bei Vorsatz, § 828 II 2). „Unfall mit einem Kraftfahrzeug“ meint jeden Unfall, an dem ein Kraftfahrzeug beteiligt ist. In einem Fall prallte ein 9-jähriger Junge, der mit einem anderen ein Wettrennen auf öffentlicher Straße veranstaltete, mit seinem Kickboard auf einen parkenden PkW und beschädigte diesen. Bei wörtlicher Auslegung des § 828 II 1 hätte der Junge nicht schadensersatzfähig sein können. Doch erklärte ihn der BGH (BGHZ 161, 180) mit Hilfe einer teleologischen Reduktion gleichwohl für verschuldensfähig: Die Vorschrift des § 828 II 1 komme wegen ihres Zwecks nur dann zum Zug, wenn sich bei einem Schadensfall eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat; das sei beim Aufprall eines Kickboard auf ein parkendes Fahrzeug nicht der Fall.