Читать книгу Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1 - Martina Meier - Страница 30

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Putschipatschis Weihnachten

Spät im November heulte der Sturm um die alte Mühle. Er pfiff durch Löcher und Ritzen des alten Gemäuers, klapperte an den grünen Fensterläden und bemühte sich, die Pfannen von den Dächern zu reißen. Erste Schneeflocken mischten sich in den peitschenden Regen. Im alten Haus bullerte der Holzofen und verbreitete gemütliche Wärme. Mutsch hatte sich einen Wintertee aufgegossen, saß am Küchentisch und bastelte Weihnachtssterne aus Goldpapier. Ein wenig wehmütig dachte sie an die Zeiten zurück, als sie erst mit ihrer Mutter Sterne gebastelt hatte und später dann mit ihren Kindern. Inzwischen waren die Kinder erwachsen und aus dem Haus. Eine kleine Träne tropfte verstohlen an ihrer Wange herunter.

Neben ihr räusperte sich etwas. Putschipatschi, der kleine Mühlenkobold, war unbemerkt in die Küche geschlichen und auf den Stuhl neben Mutsch geklettert. „Warum weinst du, wenn du so schöne Dinge machst?“, fragte das Kerlchen neugierig. „Was ist das überhaupt? Es sieht aus wie ein Stern vom Himmel!“

„Ich mache Weihnachtssterne für den Tannenbaum und ich denke an frühere Zeiten, als ich mit meinen Kindern gebastelt habe“, antwortete Mutsch und schniefte kurz.

„Jetzt hast du doch mich“, erklärte Putschipatschi und strahlte Mutsch an. „Bekomme ich mein Schokoladencremebrot und einen großen Becher Kakao?“

Mutsch kraulte durch die wirren schwarzen Locken zwischen den beiden Hörnchen. „Da hast du freilich recht! Jetzt bist du hier.“

Mit vollen Backen kauend brachte Putschipatschi undeutlich hervor: „Was ist Weihnachten?“

Mutsch überlegte. Wie erklärt man einem Mühlenkobold, der eigentlich ein ausgerissenes Teufelchen ist, was Weihnachten bedeutet? Schließlich antwortete sie: „In der dunklen Weihnachtszeit liegt die Wintersonnenwende. Das Licht kommt zu uns zurück. Gott bedeutet für die Menschen das Licht in der Dunkelheit. Deswegen liegt der Geburtstag seines Sohnes in der Zeit des wiederkehrenden Lichtes.“

Putschipatschi schlürfte genüsslich seinen Kakao. „Das verstehe ich“, meinte er nach kurzem Nachdenken. Auf seinem grünen Gesichtchen erschien ein breites Grinsen und die schwarzen Augen leuchteten. „Zum Geburtstag bekommt man Geschenke, hast du einmal gesagt.“

Mutsch nickte bestätigend. „Zu Weihnachten beschenken sich die Menschen und feiern die Geburt Christi. Man hat einen Weihnachtsbaum und ein schönes Essen und …“

„Ich wünsche mir ein Pferdchen!“, unterbrach Putschipatschi Mutschens Aufzählungen. Genussvoll leckte er sich klebrige Schokoladencreme von den Fingern.

Mutsch legte erschrocken das Goldpapier auf den Tisch. Sie starrte das kleine Kerlchen an. „Ein Pferdchen? Du bist doch so klein und Pferde sind große Tiere!“

Putschipatschi hüpfte vom Stuhl und tanzte in der Küche herum. „Ein Pferdchen, ein Pferdchen, für Putschipatschiii, für Putschipatschiiiiii ganz alleiiiin!“, sang er mit hohem Stimmchen. „Hach, ich freue mich auf Weihnachten!“ Mit diesen Worten verschwand er und ließ Mutsch ratlos in der Küche zurück.

Die Vorweihnachtszeit verging rasch und das Fest näherte sich. Mutsch hatte noch keine Ahnung, wie sie den Wunsch des kleinen Koboldes erfüllen sollte. Schließlich fragte sie Paps, denn Männer haben meistens praktische Ideen. Nach längerem Nachdenken wusste Paps auch Rat und flüsterte Mutsch etwas ins Ohr. Mutsch lachte erfreut auf. „Natürlich, das ist es! Dass ich daran nicht gedacht habe!“, jubelte sie. Sogleich begann sie eifrig, in Katalogen zu blättern, suchte in Reklameheftchen und in Geschäften und hatte endlich kurz vor Weihnachten das Richtige gefunden.

Zu Heiligabend holte Mutsch den Kübel mit dem Tannenbäumchen aus dem Hof in die Wohndiele. Liebevoll begann sie, das Bäumchen zu schmücken.

Putschipatschi kam neugierig herbei, wühlte in Sternen, Kerzen und Kugeln, wollte helfen und wuselte alles durcheinander. Immer wieder fragte er Mutsch: „Hast du auch an das Pferdchen gedacht?“

Mutsch grinste in sich hinein. „Warte es nur ab“, meinte sie schließlich, als der Kobold sie langsam nervös machte mit seinem Herumgehüpfe. „Heute Abend ist Bescherung. So lange wirst du noch warten müssen!“

Am Abend war die Mühle erfüllt von feiernden Menschen. Die Kinder verbrachten wie jedes Jahr den Abend mit ihren Eltern. Bratenduft zog durchs Haus, Geschenke wurden ausgepackt, Wein funkelte rot in Kristallgläsern und weihnachtliche Musik erklang. Die Familie saß gemütlich zusammen. Man aß, trank, erzählte und freute sich an den Geschenken.

Endlich kehrte Ruhe ein. Als alle schliefen, lugte ein neugieriges Gesichtchen um die Ecke der Diele. Der Weihnachtsbaum leuchtete noch in voller Pracht. Mutsch hatte die elektrischen Kerzen brennen lassen. Putschipatschi stand andächtig davor und freute sich an dem Glanz der Lichter, die sich in den Kugeln spiegelten. Dann erspähten seine suchenden Augen einen mit einem Tuch verhüllten Gegenstand, der versteckt neben dem Bäumchen stand. Sogleich hüpfte Putschipatschi auf ihn zu und zog das Tuch herunter. Er sah geradewegs in die Augen eines kohlschwarzen Schaukelpferdes. Rotes Lederzaumzeug bändigte eine wuschelige Mähne. Der Schweif glänzte seidig und die stämmigen Beine standen fest auf silbrig schimmernden Kufen. Ein roter Sattel mit bequemen Steigbügeln lud zum Reiten ein. Putschipatschis Augen leuchteten. „Ein Pferdchen“, flüsterte er leise. „Ein Pferdchen für mich ganz allein!“ Vorsichtig strichen seine kleinen Hände über das samtene Fell. Dann kletterte er auf den Rücken, rückte sich im Sattel zurecht und begann zu schaukeln.

„Hüh“, rief er und lachte laut auf, als das Pferd wie wild hin und her schaukelte. „Das macht Spaß! Jetzt gehen wir auf eine große Reise und erleben viele Abenteuer!“

Aber das Pferdchen schaukelte nach Art der Schaukelpferde nur hin und her. Nach einer Weile wurde Putschipatschi das Schaukeln langweilig. Still saß er im Sattel und überlegte angestrengt. Dann kam ihm ein Gedanke. Er hatte doch noch! Wo war er denn geblieben? Richtig! Er war noch dort, wo er ihn hin gesteckt hatte.

Der Kobold zog einen kleinen Beutel aus seiner Hosentasche. Den hatte er heimlich aus der Höhle des Oberteufels stibitzt. Putschipatschi schnürte das Ledersäckchen auf und schaute hinein. Schwarzer Staub glänzte im Licht der Weihnachtskerzen. Gemahlene Höllensteine! Mal sehen, was er damit anfangen konnte. Der Kobold nahm eine Prise des Höllenstaubes und blies sie zwischen die Ohren des Schaukelpferdes. Sogleich begann er heftig zu niesen. Aus Versehen hatte Putschipatschi ein wenig Staub eingeatmet. Das Pferdchen wieherte erschrocken auf, schüttelte seine Wuschelmähne und sprang von den Kufen herunter. Die Haustür öffnete sich einladend und Pferd und Reiter verschwanden in der Dunkelheit.

Die Nacht war kalt und sternenklar. Es hatte ein wenig geschneit und das Mondlicht glitzerte in den Schneekristallen. Ein weißes Leuchten erhellte die Dunkelheit. Putschipatschi galoppierte auf seinem Pferdchen die Wiesen hinunter am Mühlenbach entlang. Unter den dahineilenden Hufen des kleinen Pferdes wirbelte der Schnee lustig empor. Der Kobold jubelte vor Freude. „Wie schön ist doch Weihnachten!“

Nachdem sie eine Zeitlang so dahingejagt waren, schnaubte das Pferdchen laut und meinte keuchend: „Ich brauche eine kleine Pause. Ich bin das Laufen nicht gewöhnt.“

Putschipatschi sprang ab und klopfte den Hals des kleinen Tieres. „Entschuldige, daran habe ich nicht gedacht.“

Das Pferdchen sah ihn strafend an. „Denkst du überhaupt viel? Was hast du denn als Geschenk für Mutsch?“

Putschipatschi hielt erschrockenen still. „Daran habe ich wirklich nicht gedacht“, flüsterte er dann kleinlaut. „Ich habe ein Geschenk für Mutsch vergessen!“ Er stieg auf und trieb erneut sein Reittier an. „Mal sehen, vielleicht finden wir etwas für Mutsch.“

Da sah der Kobold einen großen Fuchs über die verschneite Wiese laufen. Er jagte ihm hinterher und versperrte ihm den Weg. Ganz außer Atem bat Putschipatschi: „He Fuchs, du hast so einen schönen Schweif. Gib ihn mir, dann hat Mutsch einen warmen Schal zu Weihnachten.“

Der Fuchs sah den sonderbaren Gesellen aus schwarz glänzenden Augen ungläubig an: „Du spinnst wohl! Meinen Schweif brauche ich selber.“ Er schüttelte den Kopf über den Wunsch des Koboldes und lief ärgerlich bellend davon. Putschipatschi sah ihm traurig nach. Der Schweif wäre ein so schönes Geschenk gewesen.

Langsam ritt er weiter. In einem Gebüsch hörte er merkwürdige Geräusche. Etwas wühlte, grunzte und quiekte. Neugierig geworden, ritt Putschipatschi auf das Gebüsch zu. Eine Rotte Wildschweine suchte unter dem Schnee nach alten heruntergefallenen Kastanien. Genussvoll grunzend fraßen sie laut schmatzend die gefundenen Früchte. Der Kobold schaute mit glänzenden Augen auf die struppigen Borsten der Tiere. Aus den Borsten konnte er eine schöne Bürste für Mutsch machen. Leise schlich er sich an die Rotte heran und sprang dann auf den Rücken eines kleinen Schweinchens. Sogleich begann er an den Borsten zu reißen.

Das Schwein quiekte entsetzt auf und hüpfte voller Panik umher. Putschipatschi flog im hohen Bogen von seinem Rücken herunter und landete direkt vor den gebleckten Zähnen einer großen Sau. Kleine Augen funkelten ihn drohend an.

Putschipatschi robbte entsetzt rückwärts durch den aufgewühlten Boden. „Hallo Schwein“, stotterte er schließlich, „gib mir doch deine Borsten, ich kann eine schöne Bürste für Mutsch daraus machen.“

Die Sau schnüffelte am Gesicht des kleinen Kobolds, gab ihm einen schmerzhaften Stoß mit der Schnauze und grunzte dann: „Du spinnst wohl! Wir frieren ohne Borsten. Mach, dass du weiterkommst. Du störst uns hier.“

Schnell kletterte Putschipatschi auf den Rücken seines Pferdchens. Ängstlich trabte es an und beruhigte sich erst, als die Wildschweine nicht mehr zu sehen waren.

Ihr Weg hatte sie zurück zum Mühlenbach geführt. Das Pferd steckte seine Nase in das klare Wasser. In großen Zügen stillte es seinen Durst. Putschipatschi stieg ab und sah im Mondlicht silbrig glänzende Fische im Bach schwimmen.

Wieder hatte er eine Idee. „He, ihr Fische“, rief er sie an, „gebt mir eure Schuppen. Ich will für Mutsch eine Kette daraus machen!“

Doch die Fische hörten nicht auf ihn und schwammen eilig davon. Traurig setzte sich der Kobold an das Ufer des Baches. Wie sollte er für Mutsch ein Geschenk finden? Eine dicke Träne rollte seine Wange herunter, tropfte auf den Schnee und blieb dort als schimmernde Perle liegen.

Das Pferdchen stupste den kleinen Kobold mit seinem weichem Maul an. Leise schnoberte es: „Schau, da hast du doch ein Geschenk für Mutsch! Was gibt es Wertvolleres als Tränen, die man aus Liebe weint?“

Als Mutsch am Weihnachtsmorgen in die Wohndiele kam, wunderte sie sich sehr über die schmutzigen Beine des Schaukelpferdes. Das Fell wirkte struppig und in dem Schweif hatten sich einige dürre Blätter verhakt. Kopfschüttelnd kam sie näher. Da sah sie zwischen den Beinen des Pferdes einen kleinen Tannenzweig liegen. Auf seinem Grün glänzte die schönste Perle, die Mutsch je gesehen hatte. Mutsch lauschte erstaunt. Hatte das Pferdchen gerade leise gewiehert? Sanft strich sie ihm über die Ohren und lächelte still. „Da habt ihr einen schönen Ausflug gemacht heute Nacht!“

Mutsch nahm die Perle, bewunderte ihren Glanz und sagte laut: „Dankeschön, lieber Putschipatschi!“ Dann legte sie die Perle behutsam in das kleine Kästchen, in dem sie ihre größten Schätze hütete.

Dr. Erika Hemmersbach, Jahrgang 1951, studierte nach dem Abitur Agrarwissenschaften und promovierte schließlich zum Dr.agr.. Einige Jahre arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Uni Bonn, dann übernahm sie den Hof der Schwiegereltern und baute unter anderem einen Hofladen mit eigener Produktion von Biogemüse auf.

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