Читать книгу Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1 - Martina Meier - Страница 40
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Die Weihnachts-Meeris
Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir zwei Meerschweinchen. Das ist mein einziger Wunsch. Liebe Grüße Deine Lotta
Lotta legt ihren Füller beiseite und steckt den Brief in den Umschlag. Meeris wären das Größte! Ihre Freundin Steffi hat auch zwei. Max und Rosa. Steffi hat ihr bereits viel über die Haltung von Meerschweinchen beigebracht, zum Beispiel, dass man sie nie alleine halten sollte und dass man ihnen immer frisches Heu zum Knabbern anbieten muss. Lotta schaut zum Fenster hinaus. Dicke Schneeflocken wirbeln durch die Luft. Ihre Eltern sind gegen die Haltung von Tieren und bisher nicht umzustimmen gewesen. Die Worte ihrer Mutter klingen ihr immer noch nach: „Tiere sind eine große Verantwortung, und sie machen Schmutz und Arbeit. Nein Lotta, ein Tier kommt uns nicht ins Haus. Auch keine Meerschweinchen!“ Der Gedanke daran macht Lotta traurig. Steffis Rat folgend, hat sie nun an den Weihnachtsmann nach Himmelspforten geschrieben, der die Wunschzettel der Kinder an sich nimmt. Ihr Blick fällt auf den Umschlag in ihrer Hand. Ihre letzte Hoffnung. Bald ist Weihnachten. Ob sich dann wohl ihr größter Wunsch erfüllen wird?
Lotta reckt sich ausgiebig unter der warmen Bettdecke. Die Morgendämmerung lässt Umrisse von Puppen und Stofftieren erkennen. Der Duft frischer Brötchen streift ihre Nase und das Klappern von Geschirr vermischt sich mit der Musik aus dem Radio. „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“
„Heute ist Weihnachten!“ Lotta springt aus dem Bett und läuft in die Küche. Ihre Mutter ist gerade dabei, den Frühstückstisch zu decken.
„Mama, heute kommt der Weihnachtsmann!“
Lottas Mutter muss lächeln, wie Lotta da so vor ihr steht, barfüßig im bunt gestreiften Schlafanzug und mit verstrubbelten blonden Haarsträhnen. „Guten Morgen, meine Süße“, lacht sie, „mir scheint, du kannst es bis zur Bescherung kaum noch abwarten.“
„Mama, glaubst du, der Weihnachtsmann erfüllt die Wünsche der Kinder, wenn er persönlich ihre Wunschzettel liest?“
„Ich denke, es kommt auf die Wünsche an, aber in den meisten Fällen wird er das wohl tun.“ Sie umarmt Lotta und gibt ihr einen Kuss. „Aber nun ins Bad mit dir, es gibt gleich Frühstück.“
Am Frühstückstisch waltet eine Stimmung, in der es vor Aufregung und Übermut nur so knistert. Die Eltern erzählen lustige Geschichten von früher. Lotta und ihr älterer Bruder Jonas hören gespannt zu. Die Türklingel unterbricht die Harmonie.
„Nanu, wer mag das denn sein, so früh am Morgen?“ Bevor der Vater aufstehen kann, ist Lotta schon auf den Weg zur Haustür.
„Der Weihnachtsmann“, ruft sie glücklich, „bestimmt bringt er mein Geschenk!“ Draußen ist niemand zu sehen. Ihr Blick fällt auf einen mit roter Schleife umwickelten Pappkarton, auf dessen Oberseite der Name „Lotta“ geschrieben steht. Schnell öffnet sie den Karton und schreit begeistert auf. Ihre Meeris sind da! Zwei braunweiß gefleckte Meerschweinchenkinder! Wie lange schon hat sie darauf gewartet!
Lottas Mutter ist außer sich, als Lotta mit den Meerschweinchen im Arm im Zimmer steht. „Nein Lotta, wir haben gesagt, es gibt kein Tier! Wer hat den Karton überhaupt vor die Tür gestellt?“ Sie greift nach dem Karton auf Lottas Arm.
„Nein“, schreit Lotta, und dicke Tränen kullern ihr über die Wangen. „Die hat mir doch der Weihnachtsmann gebracht“, weint sie.
„Lotta, das kann gar nicht sein“, sagt die Mutter, „der Weihnachtsmann kommt erst heute Abend. Und wer sich auch immer was dabei gedacht hat, die Meerschweinchen kommen weg! Ich werde sie gleich ins Tierheim bringen.“ Sie zieht ihre Jacke an, nimmt den Autoschlüssel vom Haken und läuft mit dem Meerschweinchenkarton unter dem Arm davon. Lotta bleibt zurück, traurig und mit verweinten Augen.
„Lotta?“ Sie spürt die Hand ihres Vaters auf der Schulter. „Lotta, vielleicht hat Mama eben ein wenig überreagiert, aber wir waren uns doch einig, dass kein Tier ins Haus kommt. Du bist noch zu klein, um soviel Verantwortung übernehmen zu können. Sei nicht traurig. In ein oder zwei Jahren ist das kein Thema mehr, dann kannst du immer noch deine Meerschweinchen kriegen.“ Er zieht Lotta zärtlich an sich, doch sie stößt ihn weg.
„Nein Papa, ich möchte jetzt Meerschweinchen haben! Es ist mein größter Wunsch! Ich habe sogar an den Weihnachtsmann geschrieben.“ Sie schluchzt auf. „Er hat sie mir vor die Tür gestellt, und Mama nimmt sie mir einfach weg! Das ist ja so gemein!“ Sie dreht sich um und läuft in ihr Zimmer. Der Vater schaut ihr bedrückt hinterher.
„Papa“, sagt Jonas, der bisher geschwiegen hatte, „Lotta hat recht, diese ganze Aktion ist wirklich ziemlich blöd. Ihr hättet ihr einfach die Meeris lassen sollen.“
Lottas Mutter sitzt im Auto. Im Karton auf dem Beifahrersitz raschelt und quiekt es. Sie hält am Straßenrand an und öffnet ihn. Die kleinen Meeris legen ihre Pfötchen an den Rand, strecken ihre Nasen in die Höhe und gucken sie mit ihren dunklen Knopfaugen neugierig an. „Na ihr Kleinen“, flüstert sie und streichelt ihnen über das samtweiche Fell. Sie schämt sich plötzlich für ihren schrecklichen Ausbruch. Und dabei wollte sie einfach nur konsequent sein. Wenn sie an das Tierheim denkt, schämt sie sich noch mehr. Sie nimmt einen der kleinen Nager in die Hand und drückt sanft ihre Wange in das weiche Fell. Ein Gefühl von Zärtlichkeit durchströmt sie augenblicklich, und sie muss lächeln. „Na, was meinst du, mein Kleiner, sollte man nicht einfach mal über seinen Schatten springen und aus dem Herzen heraus handeln?“ Sie lacht. „Dann braucht ihr aber noch jede Menge toller Sachen für euer neues Heim, und die werden wir sofort besorgen.“ Als sie das Meerschweinchen wieder in den Karton zurücksetzt, fällt ihr ein Zettel auf, der halb unter dem Heu vergraben liegt. Sie nimmt ihn heraus und liest:
Liebe Lotta,
Rosa hat Babys bekommen! Für den Fall, dass der Weihnachtsmann keine Zeit hat, dir die Meerschweinchen zu bringen, überrasche ich dich einfach mit diesen beiden Weihnachts-Meeris. Ich habe keine Zeit, sie dir persönlich zu geben, weil wir ganz früh zu Oma fahren, darum stelle ich sie dir einfach vor die Haustür. Ich hoffe, deine Eltern schimpfen nicht. Ich rufe dich heute Abend an.
Deine Steffi
„Lotta, hier ist Mama, bitte mach die Tür auf.“
„Nein“, schluchzt Lotta.
„Aber es ist doch Weihnachten. Der Weihnachtsmann war auch schon da. Möchtest du denn gar nicht wissen, was er dir gebracht hat?“
„Nein!“
„Lotta, bitte sei mir nicht mehr böse. Es tut mir so leid, dass ich dich verletzt habe. Komm doch wenigstens zum Essen. Ich habe extra dein Lieblingsgericht gekocht.“
Lotta reibt sich die Augen. Ihr Magen knurrt. „Spagetti mit Tomatensoße?“, fragt sie leise.
„Ja, meine Süße.“
Na gut, denkt Lotta, ein paar Spagetti können ja nicht schaden, und öffnet die Tür.
Der bunt geschmückte Weihnachtsbaum mit den vielen Kerzen ragt bis zur Zimmerdecke hinauf. Lotta wirft einen Blick auf die darunterliegenden Geschenke. Sie will nur Meerschweinchen, nichts anderes. Stumm setzt sie sich auf ihren Platz. Dabei fällt ihr Blick direkt auf ein Gehege, in dem zwei Meerschweinchenkinder im Heu hin und her wetzen. Sie glaubt zu träumen.
Lottas Mutter drückt ihre Hand. „Du siehst richtig Lotta, das sind Meerschweinchen, deine Meerschweinchen. Und es tut mir leid, dass ich mich so doof verhalten habe. Entschuldige bitte. Ich finde, die sind wirklich süß. Und wir werden alle gemeinsam dafür sorgen, dass es ihnen gut geht.“
Lotta jubelt und bedankt sich bei allen mit einer Umarmung. In ihren Augen schimmern Tränen, dieses Mal sind es die des Glücks.
Gabriele Datenet, geboren 1956 in St. Blasien/Schwarzwald, wuchs in Winsen (Luhe) bei Hamburg auf, wo sie noch heute lebt. Seit 1984 ist sie Verwaltungsangestellte bei einer Behörde. Lesen, Schreiben, Malen sind die großen Hobbys seit Kindheitstagen. Inspiration für Gedichte und Kurzgeschichten holt sie sich bei langen Spaziergängen mit Mann und Hündin Numa.