Читать книгу Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp - Страница 77
2. Anwendung im Bereich der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
ОглавлениеAuch wenn das Verbot der Benachteiligung und Begünstigung nach § 78 S. 2 BetrVG nicht auf die nach § 37 BetrVG speziell geregelten Fälle anzuwenden ist, kann die Regelung dennoch in bestimmten Fällen – wenn auch nur mittelbar – Einfluss auf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern haben. Einer der Hauptanwendungsbereiche wird hier die Konstellation sein, bei der Entgeltzahlungen an Betriebsratsmitglieder zwar noch nicht tatsächlich geleistet wurden, sie aber zum Beispiel durch vertragliche Abreden in Aussicht gestellt werden.373 Das betrifft das Betriebsratsentgelt im weiteren Sinne, § 37 BetrVG greift aber (noch) nicht. Ebenso kann sich eine tatsächliche Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz auf die Vergütung auswirken und nach § 78 S. 2 BetrVG zu beurteilen sein.374
Darüber hinaus ist es denkbar, dass § 78 S. 2 BetrVG für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern eine Rolle spielt, wenn die Regelungen des § 37 BetrVG noch nicht bzw. nicht mehr greifen. Die speziellen Vergütungsvorschriften sind – im Gegensatz zu § 78 S. 2 BetrVG – in ihrem Schutzzeitraum teilweise ausdrücklich eingeschränkt. Während dieser spezialgesetzlich geregelten Geltungszeiträume findet § 78 S. 2 BetrVG keine Anwendung. Da für die Geltung des allgemeinen Verbotes aber keine zeitliche Begrenzung angenommen wird,375 könnten die Mandatsträger vor Übernahme ihres Amtes oder nach Beendigung der Amtszeit über dieses noch einen weitergehenden Schutz auch in finanzieller Hinsicht erfahren.
Zu einer möglichen Vorwirkung enthält § 37 BetrVG keine spezielle Regelung, so dass § 78 S. 2 BetrVG für zur Betriebsratswahl stehende Arbeitnehmer grundsätzlich eingreifen könnte. Dennoch ist ein solcher vorwirkender Schutz vor der Wahl aber abzulehnen.376 Das ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 78 S. 1 und S. 2 BetrVG „Mitglieder des Betriebsrats“ und „wegen ihrer Tätigkeit“. Beides trifft auf zur Wahl stehende Arbeitnehmer noch nicht zu. Außerdem besteht bereits mit der Strafvorschrift der unzulässigen Wahlbeeinflussung nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein ausreichender Schutz vor Amtsübernahme. In dem Zeitraum zwischen der Wahl und der tatsächlichen Amtsübernahme muss das Verbot allerdings greifen, um Schutzlücken zu vermeiden. Gewählte Arbeitnehmer gelten außerdem bereits als Betriebsratsmitglieder.377
Demgegenüber wird fast einheitlich vertreten, dass ein zeitlich unbegrenzter nachwirkender Schutz durch § 78 S. 2 BetrVG besteht.378 Die wirtschaftliche Sicherung der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 4 BetrVG erstreckt sich ausdrücklich auf ein Jahr nach Ende der Amtszeit, für über drei volle Amtszeiten hinweg freigestellte Betriebsräte erhöht § 38 Abs. 3 BetrVG diesen Zeitraum auf zwei Jahre. Über diese vorgegebenen Geltungszeiträume hinaus darf ein früheres Betriebsratsmitglied aber trotzdem nicht finanziell benachteiligt oder begünstigt werden.379 Es wäre durchaus denkbar, dass ein Arbeitgeber auch Jahre später Zuwendungen an ehemalige Betriebsratsmitglieder macht oder diesen finanzielle Vorteile vorenthält.
Dagegen wird nicht einheitlich beurteilt, ob für Ersatzmitglieder ein Schutz über § 78 S. 2 BetrVG – auch hinsichtlich der Vergütung – besteht. Ohne Zweifel gelten sämtliche Schutzvorschriften bei Eintritt des Ersatzfalles wie für alle anderen Betriebsratsmitglieder, auch wenn nur eine vorübergehende Vertretung erfolgt.380 Davor ist eine Geltung ebenfalls abzulehnen.381 Im Vergleich zu bloßen Wahlbewerbern, bei denen die Anwendung des § 78 S. 2 BetrVG noch abgelehnt wird, sind Ersatzmitglieder zwar schon gewählt, es besteht aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie jemals – auch nur zeitweise – das Amt übernehmen werden. Außerdem besteht für sie ein ausreichender Schutz über § 75 BetrVG sowie individualvertraglich nach den §§ 242, 612a BGB, § 106 GewO und dem AGG.382 Eine Nachwirkung des Verbotes nach § 78 S. 2 BetrVG für Ersatzmitglieder ist jedoch anzunehmen, wenn sie zumindest einige Zeit als Betriebsrat tätig waren.383