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Musikwissenschaft und Berufspraxis
ОглавлениеEs gibt zahlreiche Studiengänge, die ihre Absolventen auf ein konkretes Berufsfeld hin ausbilden: Medizinstudenten werden überdurchschnittlich oft Ärzte und können sich bereits im Studium durch Pflichtpraktika oder spezielle Kurse am Krankenbett auf diese Arbeit einstellen und vorbereiten. Auch Studierende an Musikhochschulen haben häufig schon eine recht genaue Vorstellung von ihrer späteren Tätigkeit, sei es als Orchestermusiker, Instrumental- oder Gymnasiallehrer. Bei musikwissenschaftlichen Studiengängen ist das spätere Berufsziel in den meisten Fällen nicht ganz so eindeutig festgelegt. Ein Schwerpunkt der universitären Ausbildung liegt nach wie vor auf der wissenschaftlichen Arbeit mit der Perspektive, an das Bachelor- noch ein Masterstudium und vielleicht sogar eine Promotion anzuschließen, um alle Voraussetzungen für eine Tätigkeit im akademischen Umfeld – in Forschungs- oder Editionsprojekten sowie der universitären Lehre – zu schaffen. Musikwissenschaftsstudenten an die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens heranzuführen, ist nicht zuletzt das Hauptanliegen dieses Buches.
|21| Dennoch werden nicht alle Absolventen eines musikwissenschaftlichen Studiums Wissenschaftler, sondern im Gegenteil höchstens eine Minderheit. Deutlich mehr Musikwissenschaftler sind im großen Bereich der Kulturarbeit und des Kulturmanagements beschäftigt. Sie übernehmen die Dramaturgie oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Musikfestivals, Theatern oder Konzerthäusern, arbeiten in den Redaktionen von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen, bei Buch- und Musikverlagen, in Bibliotheken, Museen, Archiven oder in der Aufnahmeindustrie. Für alle diese Tätigkeiten ist eine solide wissenschaftliche Grundausbildung eine wichtige Voraussetzung, sie reicht in den meisten Fällen jedoch nicht aus. Welche zusätzlichen Qualifikationen man für die einzelnen Berufsfelder noch mitbringen sollte, erfährt man am leichtesten über Praktika, die sich oft gut in ein Studium integrieren lassen (z.B. zwischen Bachelor- und Masterphase oder in den Semesterferien). An vielen musikwissenschaftlichen Instituten werden überdies berufsorientierte Veranstaltungen z.B. zur Dramaturgie, zum Musikjournalismus oder zum Musiklektorat angeboten, die man so oft wie möglich wahrnehmen sollte. Vieles von dem, was man für seinen Traumberuf noch zusätzlich lernen sollte, seien es Fremdsprachen oder Vortragstechniken, journalistisches Schreiben oder Grafikprogramme, lässt sich an den meisten Universitäten in speziellen Einrichtungen wie Datenverarbeitungs- oder Fachsprachenzentren in der Regel ohne größere Probleme nebenbei absolvieren.
Äußerst nützlich für fast alle späteren Berufe und obendrein noch eine wertvolle persönliche Erfahrung sind Auslandsaufenthalte an einer Universität oder im Rahmen eines Praktikums. In anderen Ländern lernt man nicht nur Fremdsprachen, sondern man bekommt auch einen Einblick in eine fremde Kultur. Neben zunächst vielleicht gewöhnungsbedürftigen Essgewohnheiten und bürokratischen Abläufen gehört dazu auch eine neue Perspektive auf das eigene Fach: An italienischen oder englischen Universitäten betreibt man Musikwissenschaft anders als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, setzt abweichende inhaltliche oder methodische Schwerpunkte und bewegt sich zudem in unterschiedlichen Fachtraditionen. Sprachliche und kulturelle Kompetenz, die man auf diese Weise erwirbt, hilft nicht nur bei der Kommunikation mit Wissenschaftlern auf internationalen Konferenzen, sondern auch beim Umgang mit Künstlern auf Musikfestivals oder am Theater.
|22| Literatur
Sabine Ehrmann-Herfort (Hrsg.), Musikwissenschaft und Berufspraxis, Darmstadt 1996
»Kapitel 6: Musikwissenschaft und ihre beruflichen Perspektiven. Kommentare aus der Praxis«, in: Musikwissenschaft studieren. Arbeitstechnische und methodische Grundlagen, hrsg. von Kordula Knaus und Andrea Zedler, München 2012, S. 241–267
Lothar Scholz, Die Musikbranche. Ausbildungswege und Tätigkeitsfelder, Mainz 2007