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|9| Geleitwort zur Neubearbeitung des Studienbuchs Musikwissenschaftliches Arbeiten
ОглавлениеHandwerk hat goldenen Boden. Diese alte Lebensweisheit kann als Maxime auch am Anfang eines Buches stehen, das überreich an Hinweisen auf Digitalisate, Internet, Onlinerecherche, World Wide Web, EDV, Suchmaschinen, IP-Adressen, OPACs, virtuelle Plattformen, Datenbanken, URLs, Boolesche Operatoren, MP3s, Scans, Beamer und Smartboards ist. Denn nicht nur der Umgang mit altbewährten analogen Speichermedien wie einem Buch oder einer Notenausgabe und Hilfsmitteln wie einem Bibliothekskatalog in Form von Karteikästen bedarf einer sachkundigen Souveränität, auch die virtuellen Ressourcen und das elektronische Arbeitsmanagement sind nur die Hälfte wert, wenn sie immer wieder mit der berühmten Methode »Versuch und Irrtum« genutzt werden.
So zeigt dieses Buch durch seine jahrzehntelange Geschichte, wie die Verfahren, mit denen musikwissenschaftliche Arbeit vonstattengeht, einen festen Kern bilden: Musikalische Phänomene und ihre Kontexte werden untersucht, in Zusammenhänge gestellt, und es wird darüber etwas zur Sprache gebracht. Dieser Kern erfuhr und erfährt immer wieder anpassungsfähige Ummantelungen. Denn so wie sich die Musikarten, die beobachtet werden, im Laufe der Zeit erweitern, einschränken und verwandeln, so wie die Fragestellungen, die an sie herangetragen werden, einem regen Perspektivwechsel unterliegen, so werden die Untersuchungen mit veränderten Werkzeugen in Angriff genommen und präsentieren sich die Ergebnisse in unterschiedlichen Erscheinungsweisen. Dennoch bleibt das Vorgehen vergleichbar. Um einen Gegenstand zu untersuchen, muss er zuerst lokalisiert werden. Um Kontexte herzustellen, müssen diese und das Wissen darüber aufgerufen werden. Um etwas sinnvoll zu kommunizieren, bedarf es der Ordnung der Gedanken und der Kanäle, in denen die Einsichten verständlich transportiert werden. Das alles ist wissenschaftliches Handwerk.
Es war ein in diesem Sinne handwerklicher Impuls, der mich – angeregt von der Lektorin des Bärenreiter-Verlags – zu Beginn meiner Zeit als Assistentin an einem musikwissenschaftlichen Universitätsinstitut ein Buch für angehende Musikwissenschaftler schreiben ließ. Das war genau vor einem Vierteljahrhundert. Auch die vorliegende Publikation ist wieder von zwei Autoren, die noch nicht zu lange die Schnittstelle zwischen Studium und Berufstätigkeit hinter sich gelassen haben, verfasst. Und wie die vorliegende Präsentation der Ergebnisse Altes und Neues vereint, hat sich auch die Alltagsarbeit der Musikwissenschaftler teils stark modifiziert, ohne eine völlig |10| andere Richtung einzuschlagen. Es ist ungemein beruhigend zu sehen, als wie wertvoll solides Rüstzeug im Umgang mit Kunst und Wissenschaft eingeschätzt wird. Andernfalls hätte sich der Vorgänger dieses Vademekums nicht der Auflagengrenze von zwanzigtausend Exemplaren annähern können. Andernfalls hätte das neue Autorenteam auch nicht den besagten Kern übernehmen können, um ihn neben beherzten Schnitten mit neuen Themenfeldern, Informationen zu heutigen technischen Erfordernissen, kreativen Handreichungen, praxisnahen Tipps und empathischen Empfehlungen auszubauen und zu aktualisieren.
Es ist insofern weit mehr als ein dem medialen Fortschritt geschuldetes Update daraus geworden. Es ist das Bekenntnis der nächsten Musikwissenschaftlergeneration zu den Grundlagen musikhistorischer Arbeit. Demjenigen, der sie beherrscht, verleihen sie die Autonomie, sich allen Inhalten und Methoden, die das Fach bereithält, kritisch zu öffnen. Es ist ein schönes Gefühl, die nächste Staffel bereits am Start zu sehen: Möge auch die neue Bearbeitung der Nr. 1 der Bärenreiter Studienbücher Musik ein Marathonläufer werden!
Nicole Schwindt, im Juni 2014