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Die Enzyklopädien MGG und New Grove

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Die beiden Enzyklopädien Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG2) und The New Grove Dictionary of Music and Musicians (NG2) – im allgemeinen Sprachgebrauch auch »neue MGG« bzw. »New Grove« genannt – sind die derzeit wichtigsten musikalischen Nachschlagewerke und eignen sich für fast jede Art von Recherche als erste Anlaufstelle. Ihre Artikel wurden überwiegend von Spezialisten verfasst, sind wissenschaftlich lektoriert und befanden sich zumindest zur |36| Zeit ihres Erscheinens in der Regel auf dem neuesten Stand der Forschung. Beide Lexika bieten umfassende Informationen zu musikalischen Termini und Sachverhalten, zu Gattungen, Epochenbegriffen, Ländern und Städten, Instrumenten, Quellen und Institutionen, zu Komponisten und ihren Werken, Musikern und ihrem Wirken, zu Verlegern, Mäzenen und Instrumentenbauern. Ziel der Artikel ist nicht in erster Linie der schnelle und kompakte Zugriff auf Informationen, sondern eine zwar konzentrierte, aber gleichzeitig detailreiche Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zum jeweiligen Gegenstand, der sich in umfangreichen Literaturverzeichnissen am Ende widerspiegelt.

So ähnlich die Gesamtkonzeption der beiden Lexika auch anmutet, ist es in den meisten Fällen sehr hilfreich, sowohl die MGG2 als auch den NG2 zu konsultieren, da die Artikel oft unterschiedlich aufgebaut sind, verschiedene Schwerpunkte haben und teilweise auch qualitative Unterschiede aufweisen.

Die Musik in Geschichte und Gegenwart

Mit der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) hatte die deutschsprachige Musikwissenschaft unter Federführung des Herausgebers Friedrich Blume in der Nachkriegszeit ein für die nationale und internationale Musikwissenschaft bis dato beispielloses Projekt ins Leben gerufen. Zwischen 1949 und 1979 erschienen sukzessive 16 Bände mit dem Ziel, den aktuellen Forschungsstand zu allen erdenklichen Bereichen der Musik auf wissenschaftlichem Niveau zusammenzutragen und in lexikalisch-enzyklopädischer Form darzustellen. Der Begriff »lexikalisch« bezieht sich dabei in erster Linie auf den systematischen Aufbau durch alphabetisch geordnete Stichwörter, »enzyklopädisch« betont zum einen den universellen Anspruch, möglichst alle musikalischen Gebiete miteinzubeziehen, zum anderen aber auch die Darstellungsform, die auf kurze Einträge etwa zu speziellen musikalischen Termini (z.B. »Adagio«, »Allegro«) zugunsten größerer Artikel zu übergeordneten Themenbereichen (z.B. »Tempo«) verzichtet. Sucht man in der MGG daher Informationen zu bestimmten Begriffen, die keine eigenen Artikel haben, so sollte man nach übergreifenden Kategorien fahnden oder den Registerband zurate ziehen, der auf die entsprechenden Hauptartikel verweist.

Als dieser Registerband im Jahr 1986 erschien, waren die in den 1950er- und 1960er-Jahren veröffentlichten Artikel der MGG in ihrem Forschungsstand zu einem großen Teil bereits überholt. Schon wenige Jahre später begannen daher die Planungen zu einer Neuausgabe der Enzyklopädie, die zwischen 1994 und 2008 von Ludwig Finscher in einer Kooperation der Verlage Bärenreiter und Metzler herausgegeben wurde, der »neuen MGG« (MGG2).

|37| Friedrich Blume (Hrsg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 17 Bde., Kassel, Bd. 1–14, 1949/51–1968; Bd. 15 und 16 (Supplement), 1973 und 1979; Bd. 17 (Registerband), 1986. Unveränderte Taschenbuch-Ausgabe, Kassel und München 1989

Abkürzung: MGG

Ludwig Finscher (Hrsg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2., neubearbeitete Ausgabe, 29 Bde., Kassel 1994–2008

Teil 1: Sachteil, Bd. 1–9, 1994–1998; Registerband 1999;

Teil 2: Personenteil, Bd. 1–17, 1999–2007; Registerband 2007;

Supplement, 2008; mit Register

Abkürzung: MGG2

Im Rahmen dieser Neuausgabe unterzog man die MGG mehrerer grundsätzlicher inhaltlicher wie formaler Veränderungen. Viele bestehende Artikel wurden auf Grundlage neuester Forschungsergebnisse überarbeitet, andere wurden ganz neu hinzugenommen. Dabei wurde das inhaltliche Spektrum der Stichwörter von der abendländischen Kunstmusik, die die alte MGG noch deutlich dominiert hatte, auf andere Bereiche wie außereuropäische Musikkulturen und Popularmusik signifikant ausgeweitet. Außerdem unterteilte man die Enzyklopädie der besseren Übersichtlichkeit halber nun in einen Sach- und einen Personenteil. Übersichtlicher geworden sind auch die Artikel selbst, die in der alten MGG oft nur schwer zu überblicken sind, da man aus Platzgründen auf gliedernde Strukturen und Absätze nahezu komplett verzichtete – ein Verfahren, das man in der MGG2 aufgegeben hat. Es versteht sich von selbst, dass sich die alte MGG, obwohl sie zu ihrer Zeit als wissenschaftliches Nachschlagewerk Maßstäbe setzte, aufgrund ihres Alters für einen aktuellen Überblick über ein Thema in der Regel nicht mehr eignet. Sie dient heutzutage in erster Linie als Primärquelle für die Fach- und Rezeptionsgeschichte, indem sie den musikwissenschaftlichen Forschungsstand und die Methoden der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte repräsentiert. Aber auch beim Umgang mit neueren Lexika wie der MGG2 oder dem NG2 sind wesentliche Dinge zu beachten: Lexikonartikel sind nicht über alle Kritik erhaben. Trotz gründlichstem Lektorat können sich Fehler einschleichen, etwa das Sterbedatum von Beethoven in der MGG2 oder eine Fotografie im NG2-Artikel über Mauricio Kagel, auf der fälschlicherweise György Kurtág abgebildet ist, und vor allem bei strittigen Themen wie z.B. dem Sinn und Unsinn von Epochenbegriffen können sie durchaus die ganz persönliche Meinung ihres jeweiligen Autors transportieren. Dazu kommt, dass die neue MGG wie schon die alte über einen langen Zeitraum von beinahe 15 Jahren entstanden ist. Die ältesten Artikel im ersten Band des |38| Sachteils sind also unter Umständen schon wieder veraltet, während man etwa zu Komponisten mit einem Anfangsbuchstaben aus dem hinteren Bereich des Alphabets (z.B. Bernd Alois Zimmermann) weitgehend aktuelle Informationen bekommen wird. Eine wichtige Ergänzung im Hinblick auf den langen Entstehungszeitraum der MGG2 ist der Supplementband. Er enthält zusätzliche Einträge, die aktuelle Entwicklungen in der Musikwissenschaft und in der Kompositionsgeschichte aufgreifen, sowie einzelne Artikel, die aus verschiedensten Gründen zunächst nicht berücksichtigt wurden. So wird man im Sachteil vergeblich nach einem ausführlichen Artikel zum Stichwort »Oper« suchen, der erst im Supplementband erschienen ist.

Für einen sicheren und selbstverständlichen Umgang mit der MGG2 ist es wichtig, den typischen Aufbau ihrer teilweise sehr umfangreichen Artikel (z.B. »Beethoven« mit 277 Spalten) zu kennen. Bei längeren Artikeln empfiehlt es sich, zunächst die Inhaltsübersicht am Beginn des Artikels aufzusuchen, um schnell an die gewünschte Information zu gelangen. Komponistenartikel sind darüber hinaus immer nach einem ganz bestimmten Schema aufgebaut:

 Nach der Nennung von Namen und Namensvarianten, Geburts- und Sterbedaten sowie Berufsbezeichnung(en) beginnen die Artikel mit einer ausführlichen Biografie des Komponisten.

 Das anschließende Werkverzeichnis kann je nach Art und Umfang des jeweiligen Œuvres sehr unterschiedlich als Liste oder Tabelle gestaltet sein. Die einzelnen musikalischen Gattungen erscheinen jedoch immer in der gleichen Reihenfolge.

 Auf das Werkverzeichnis folgt die sogenannte Würdigung, ein Abschnitt, der die Werke des Komponisten in den Blick nimmt und sie in ihren kompositions- und kulturgeschichtlichen Kontext einordnet.

 Den Abschluss bilden Informationen zu modernen Ausgaben der Werke sowie ein umfangreiches, chronologisch von alt nach neu geordnetes und bei längeren Artikeln durch verschiedene Kategorien gegliedertes Literaturverzeichnis.

 Ganz am Ende erfährt man auch, wer der Autor des Artikels ist.

The New Grove Dictionary of Music and Musicians

Die Ursprünge des New Grove lassen sich noch deutlich weiter zurückverfolgen als die der MGG. Die erste vierbändige Ausgabe von George Groves musikalischem Universallexikon, das Dictionary of Music and Musicians, erschien bereits 1878 und erlebte 1954 durch Eric Blom seine fünfte und letzte überarbeitete Auflage in neun Bänden (siehe »Historische Nachschlagewerke«, S. 113). |39| 1980 begründete Stanley Sadie das sogenannte New Grove Dictionary of Music and Musicians, ein 20 Bände umfassendes englischsprachiges Musiklexikon, das jedoch anders als die MGG nicht sukzessive über mehrere Jahre, sondern auf einen Schlag publiziert wurde. 2001 erschien die zweite Auflage des New Grove in 29 Bänden, die gegenüber der ersten Auflage stark erweitert und überarbeitet wurde. Viele Artikel wurden jedoch nur mit leichten Veränderungen und Aktualisierungen aus der ersten Auflage übernommen oder sogar – vor allem in den Literaturverzeichnissen – gekürzt, sodass es sich immer wieder lohnt, in beide Ausgaben hineinzuschauen, auch wenn in der Regel die 2001er-Version die empfehlenswertere ist.

Stanley Sadie (Hrsg.), The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 20 Bde., London 1980

Abkürzung: NGroveD

Stanley Sadie (Hrsg.), The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2., neubearbeitete Ausgabe, 29 Bde., London 2001

Abkürzung: NG2

Auch wenn der NG2 als englischsprachiges Pendant zur MGG2 gilt, gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen beiden Lexika. Insgesamt ist der NG2 deutlich weniger enzyklopädisch ausgerichtet als die MGG2, d.h. es gibt gerade bei den Sachartikeln mehr Einzelstichwörter mit kürzeren Einträgen und weniger übergreifende, große Themenbereiche umspannende Artikel. Weiterhin ist der NG2 nicht in Sach- und Personenteil untergliedert, sondern fortlaufend alphabetisch angelegt. In den Komponistenartikeln erfolgt keine strenge Trennung in Biografie und Würdigung wie bei der MGG2. Nützlich ist die kurze überblicksartige Zusammenfassung über den jeweiligen Gegenstand am Beginn eines jeden Artikels. Das Werkverzeichnis findet sich erst im Anschluss an den Darstellungsteil direkt vor dem Literaturverzeichnis, das im Unterschied zur MGG2 nach jedem Titel einen Absatz einfügt und insofern schneller zu überblicken ist. Auch auf der Suche nach Abbildungen wird man im NG2 eher fündig werden als in der MGG2, die damit vor allem im Personenteil eher sparsam umgeht.

Oxford Music Online

Die zweite Auflage des New Grove (NG2) wurde unter dem Namen Grove Music Online (GMO) komplett in eine Onlineausgabe überführt. Die Artikel sind noch zu einem großen Teil identisch mit denen der Printversion; ein Vorteil der Onlineversion ist aber, dass die Artikel je nach Forschungslage unabhängig |40| voneinander aktualisiert werden können, was insbesondere in den Literaturverzeichnissen recht häufig geschieht. Schon jetzt gibt es im GMO auch einige ganz neue Artikel zu Themen, die im NG2 bisher nicht berücksichtigt waren, sodass die Herausgeber des GMO Deane L. Root bzw. bis 2008 Laura Macy die Onlineausgabe wie eine neue Auflage des New Grove behandeln.

GMO ist seit 2008 integriert in eine Datenbank namens Oxford Music Online (OMO) (http://www.oxfordmusiconline.com), die auch Zugriffsmöglichkeiten auf einige andere Musiklexika bietet, darunter bisher:

 The New Grove Dictionary of Opera (1992)

 The New Grove Dictionary of Jazz (2. Auflage, 2002)

 The Oxford Companion to Music (2. Auflage, Onlineausgabe, 2011)

 The Oxford Dictionary of Music (2., überarbeitete Auflage, 2006)

 Encyclopedia of Popular Music (4. Auflage, 2006)

 The Grove Dictionary of American Music (2. Auflage, 2013)

 The Grove Dictionary of Musical Instruments (1984, 2. Auflage geplant für 2014)

 Links zum Oxford Dictionary of National Biography Online

Geplant ist eine Ausweitung auf weitere musikalische Speziallexika aus der New-Grove-Redaktion (siehe den entsprechenden Abschnitt weiter unten, S. 41). Die Datenbank ist kostenpflichtig und daher nur über eine spezielle Bibliothekslizenz, über die jedoch nicht alle Universitäten und Bibliotheken verfügen, oder als Pay-per-Use nutzbar.

Die Vorteile von GMO gegenüber der Printversion des NG2 liegen auf der Hand. Er ist fast immer auf dem neuesten Stand und obendrein von überallher einsehbar, wenn man über einen Internetzugang und die entsprechende Zugangslizenz verfügt. Mit der Volltextsuche innerhalb der Datenbank OMO wird ein Register überflüssig, und man erhält überdies auch Fundstellen zum Suchbegriff aus den Speziallexika und Handbüchern, die in die Datenbank integriert sind. Hilfreich in der Onlineversion ist auch, dass die mit dem Notensatzprogramm Sibelius hergestellten Notenbeispiele in den Artikeln durch den Computer abgespielt, also hörbar gemacht werden können.

MGG Online

Ähnlich wie der NG2 wird auch die MGG2 ab dem Jahr 2017 in einem lizenzpflichtigen Angebot online zugänglich sein. Unter der Herausgeberschaft von Laurenz Lütteken bereiten die Verlage Bärenreiter und Metzler in Partnerschaft mit Répertoire International de Littérature Musicale (RILM) eine stetig aktualisierte Onlineausgabe mit zahlreichen nützlichen Such- und Recherchemöglichkeiten vor.

Musikwissenschaftliches Arbeiten

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