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Literatur für den ersten Überblick: Nachschlagewerke und Handbücher

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Für den Einstieg in ein neues Thema greift man am besten zu wissenschaftlichen Nachschlagewerken und Handbüchern. Sie sind nützliche Werkzeuge, um sich einen ersten Überblick über einen Gegenstand zu verschaffen, bevor man sich anhand von speziellerer Literatur in Detailfragen einarbeitet.

Lexika oder Enzyklopädien können sich in Konzeption, Umfang und Inhalt stark voneinander unterscheiden, haben aber in der Regel einen ähnlichen |32| Zugriff auf die einzelnen Artikel anhand alphabetisch geordneter Stichwörter. Musikalische Universallexika (siehe S. 35) versuchen alle erdenklichen Themenbereiche der Musik abzudecken, einige, wie die neunundzwanzigbändige Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart, in aller Ausführlichkeit, andere, wie etwa das fünfbändige Riemann Musiklexikon, so knapp wie möglich. Manche sogenannte Speziallexika (siehe S. 41) sind auf bestimmte Themengebiete oder Personengruppen beschränkt, z.B. Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters oder Das große Sängerlexikon, andere stellen sogar einen einzelnen Komponisten ins Zentrum. Hilfreich für die musikwissenschaftliche Arbeit können darüber hinaus auch Wörterbücher, die die fachspezifische Terminologie unterschiedlicher Sprachen dokumentieren, und Fachfremde Nachschlagewerke sein, die grundlegend für eine Einarbeitung in angrenzende Fachdisziplinen sind (siehe S. 45 f.).

Auch Handbücher (siehe S. 45 ff.) sind in erster Linie Nachschlagewerke. Anders als Lexika sind sie jedoch in der Regel nicht – oder zumindest nicht durchgängig – alphabetisch geordnet und bestehen auch nicht aus vielfältigen, möglichst kurzen Einträgen zu einzelnen Aspekten eines übergreifenden Themas. Handbücher versuchen vielmehr, bestimmte Themenbereiche in einer in sich kohärenten, verschiedene Betrachtungsweisen integrierenden Darstellungsform überblicksartig nach dem neusten Forschungsstand zusammenzufassen und gegebenenfalls mit nützlichen und informativen Materialien wie Tabellen, Chroniken, Glossaren, Quellenübersichten, Werkverzeichnissen oder Bibliografien zu besonderen Schwerpunkten anzureichern.

Musikwissenschaftliche Handbücher gibt es wie Lexika in vielen unterschiedlichen Ausführungen. Einige Handbücher richten ihren Fokus auf einen bestimmten Komponisten (Mozart-Handbuch), andere konzentrieren sich auf eine zeitlich begrenzte Gattung (Cambridge Companion to Eighteenth-Century Opera), und wieder andere versuchen, in mehreren Bänden einen Überblick über die gesamte Musikgeschichte zu geben (z.B. Neues Handbuch der Musikwissenschaft oder The New Oxford History of Music). Je nach thematischer Ausrichtung folgen Handbücher dabei häufig einer chronologischen Darstellungsweise oder kombinieren diese mit einer übergeordneten Systematik, etwa nach Gattungen oder Ländern. Handbücher sind nützliche Werkzeuge, um sich in ein Thema einzulesen, etwas schon Bekanntes nachzulesen oder Daten und Namen nachzuschlagen. Im besten Fall führen Handbücher aber zumindest ansatzweise auch in die aktuellen Forschungsdiskurse zu ihrem Gegenstand ein bzw. verweisen auf die entsprechende Spezialliteratur. Zu beachten ist, dass Handbücher oder Handbuchartikel aufgrund ihrer besonderen, Zusammenhänge stiftenden Darstellungsform mehr noch als Lexikonartikel |33| immer eine bestimmte Sichtweise auf ein Thema transportieren, die man als Leser nicht unhinterfragt übernehmen sollte. Welche Musikstücke etwa als besonders repräsentativ für die Entwicklung einer Gattung angesehen werden, ist immer auch eine persönliche Meinung des Autors, die ein anderer Wissenschaftler durchaus nicht teilen muss.

Wikipedia – geeignet für den ersten Überblick?

Wikipedia ist wahrscheinlich die bekannteste und meistgenutzte Informationsquelle im Internet. Auf der Suche nach ersten Informationen oder einem knappen, verständlich geschriebenen Überblick über ein Thema landet fast jeder, der einen Begriff in die Suchleiste seines Internetbrowsers eingibt, sofort auf dem entsprechenden Wikipedia-Artikel. Was er dort findet, ist manchmal hilfreich, bisweilen sogar ausgesprochen gut, sehr häufig aber auch schlichtweg nicht zu gebrauchen, übersät mit Fehlinformationen und auf einem Forschungsstand von vor 100 Jahren.

Dass die Artikel in Wikipedia eine so unterschiedliche Qualität aufweisen können, liegt am Grundprinzip des Onlinelexikons. Jeder, der sich kompetent genug für ein Thema fühlt, kann einen Wikipedia-Artikel schreiben oder ändern, unabhängig von seiner Qualifikation und vor allem ohne seinen Namen zu nennen. Die Qualitätssicherungsmaßnahmen von Wikipedia beschränken sich dabei auf ein Minimum. Erfahrene Artikelschreiber kontrollieren neue Artikel in erster Linie auf formale Richtigkeit und unterbinden Vandalismus durch mutwillige, offensichtliche Falschinformationen bzw. sitten- oder verfassungswidrige Inhalte. Die fachliche Kompetenz, einen Artikel auch inhaltlich einschätzen zu können, besitzen sie in der Regel nicht. Besonders gute Artikel entstehen oft dann, wenn sich mehrere Autoren vom Fach gleichzeitig mit einem Thema beschäftigen und auf der Diskussionsseite der Artikel strittige Punkte ansprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden versuchen. Gerade bei kleineren, abseitigen Themen, für die sich nur einzelne Autoren interessieren, funktionieren solche Kontrollmaßnahmen jedoch häufig nicht. Die eigentliche Herausforderung beim Umgang mit Wikipedia liegt darin, gute von schlechten Artikeln zu unterscheiden, was einem erfahrungsgemäß leichter fällt, wenn man sich in einem Thema bereits gut auskennt – zu einem Zeitpunkt also, an dem man Wikipedia eigentlich nicht mehr braucht.

|34| Es wäre nun allzu einfach und sicher der falsche Weg, Wikipedia aus der wissenschaftlichen Arbeit komplett zu verbannen, zumal es mittlerweile ohnehin fast jeder benutzt. Wichtiger ist es, dass man einige Regeln für den Umgang mit Wikipedia beachtet:

Begrenzte Zitierfähigkeit: Wikipedia ist keine zitierfähige wissenschaftliche Quelle, weil sie eine wichtige Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten nicht erfüllt: Der oder die Autoren eines Wikipedia-Artikels sind nicht bekannt und können daher für die Richtigkeit der Informationen auch nicht verantwortlich gemacht werden. Zitiert werden dürfen Wikipedia-Artikel in einer wissenschaftlichen Arbeit nur dann, wenn man sich auf Informationen beruft, die in wissenschaftlicher Fachliteratur nicht zu finden sind, oder wenn das Thema der Arbeit so gefasst ist, dass Wikipedia als Primärquelle fungiert, z.B. »Wolfgang Amadeus Mozarts Werke im Spiegel ihrer Wikipedia-Artikel«. Für solche Arbeiten ist es übrigens von großem Wert, dass Wikipedia alte Versionen der Artikel archiviert und sich auf diese Weise die Genese eines Artikels in allen Stadien nachvollziehen lässt.

Kritischer Blick: Auch wenn es mitunter schwer einzuschätzen ist – es gibt gewisse Kriterien dafür, ob einem Artikel zu vertrauen oder doch eher zu misstrauen ist. Das Fehlen von Fußnoten etwa, die auch in Wikipedia-Artikeln heute eigentlich keine Unbekannten mehr sind, und ein Literaturverzeichnis aus zwei Einträgen, von denen die jüngste Publikation aus den 1930er-Jahren stammt, sind z.B. deutliche Hinweise auf die mangelnde Qualität eines Artikels. Eine gute Idee ist es auch immer, sich den entsprechenden Artikel in einer anderen Sprache, z.B. Englisch, anzuschauen. Wenn man hier schon auf den ersten Blick sieht, dass die Informationen sich elementar unterscheiden und teilweise widersprechen, dass der englische Artikel vielleicht dreimal so lang ist, eine ganze Reihe an Fußnoten und ein weitgehend aktuelles Literaturverzeichnis aufweist, dann sollte das Misstrauen endgültig geweckt sein. Gute Orientierung bieten hier auch die Diskussionsseiten der Artikel. Anhand der Diskussionsbeiträge lässt sich die fachliche Qualifikation eines Autors oft leichter einschätzen, und auch das völlige Fehlen einer Diskussion ist ein Hinweis darauf, dass der Artikel bisher nicht kritisch gelesen wurde.

Als Faustregel gilt in jedem Fall: Alle Informationen, die über eine vage Verortung des Themas hinausgehen und wissenschaftlich weiterverwertet werden sollen, müssen anhand von verlässlicher Fachliteratur (z.B. wissenschaftlichen Nachschlagewerken) überprüft werden. Das heißt: Für die Frage, in welchem Jahrhundert der Komponist Cipriano de Rore lebte, reicht |35| vielleicht tatsächlich ein Blick in den Wikipedia-Artikel, für speziellere Fragen, etwa nach umstrittenen Lebensdaten oder in welcher Beziehung er zu seinem Zeitgenossen Adrian Willaert stand, ist dagegen ein wissenschaftliches Nachschlagewerk zu konsultieren. Sobald man sich also tiefer gehend mit einem Thema beschäftigen möchte, ist der Klick in den Wikipedia-Artikel eher ein Umweg als eine echte Hilfe. Auch wenn Wikipedia als Informationsquelle für einen ersten Überblick über ein Thema aus den dargelegten Gründen nur eingeschränkt zu gebrauchen ist, kann es in manchen Punkten auch für die wissenschaftliche Arbeit von einigem Nutzen sein:

Aktuelle Informationen: Wikipedia-Artikel reagieren oft schnell auf aktuelle Entwicklungen. Dass aus Jorge Mario Bergoglio Papst Franziskus geworden war, konnte man schon eine Minute später auf Wikipedia nachlesen. Wissenschaftlich relevant sind auch die häufig aktualisierten Linklisten am Ende der Artikel, die z.B. zu interessanten, auch wissenschaftlichen Onlineangeboten, neuen Datenbanken, Volltexten, Digitalisierungsprojekten o.Ä., führen, auf die man über die klassische gedruckte Literatur, die immer nur mit großem Berichtsverzug auf neue Erkenntnisse reagieren kann, vielleicht kaum gestoßen wäre.

Bilder: Wikipedia-Artikel enthalten oft Bilder in teilweise recht hoher Auflösung, die sich – natürlich unter Angabe der Quelle (siehe »Leitfaden für bibliografische Angaben«, S. 265) – als Anschauungsmaterial für Referate, Vorträge o.Ä. verwenden lassen. Auch hier ist es wichtig, die Identität des Bildes vor der Weiterverwendung zu verifizieren und zu klären, ob auf dem Bild tatsächlich das abgebildet ist, was die Bildunterschrift vorgibt.

Anregung: Auf der Suche nach Inspiration kann ein Wikipedia-Artikel genau wie jede andere Art der Lektüre weiterhelfen. Wikipedia sollte hier aber niemals die Endstation, sondern höchstens den Ausgangspunkt für weitere Recherchen bilden.

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