Читать книгу Peter Lebegerns große Reise - Max Geißler - Страница 34
ОглавлениеDieses Zusammentreffen war gar nicht so merkwürdig. Nämlich: zuerst hatten sich der Doktor und Valentine mit den Tatsachen abgefunden die die ‚Neuesten Nachrichten‘ als unabänderlich verkündeten. Danach begann der Gelehrte an dem Falle herumzuleuchten … Nun, Peter Lebegern war weder ein Bergsteiger, der sich den Gefahren eines Absturzes aussetzte; er war weder ein krankhafter Träumer, noch ein müder Melancholiker, der zuletzt willenlos in ein Sterben am Wege gelaufen sein konnte …
So wandte man im Hause Wurzler den Fall um und um. Und da war es die blonde Valentine, die dem grüblerischen Mutmassen ihres Vaters ein Ende machte mit den Worten: „Man mache sich auf und suche mit liebendem Eifer nach dem jungen Manne!“
Das sagte sie aus Teilnahme für Lebegern. Aber mehr noch aus erfinderischer Liebe zu ihrem Vater. Sie war auch die Ursache, dass der Doktor sein Lehramt bei Semesterschluss niedergelegt hatte. Zudem hatte er sein grosses Werk mit einem ungeheuren Aufwand an Zeit und Willen beendet. Wahrlich, der Tapfere durfte nun selbst einmal faltergleich hinausfliegen in die letzte Sonne des Jahres! Da er aber ein kleiner Mann war, in vielen Dingen hilflos, wie es nur solch ein Gelehrter sein kann, und obendrein leidlich angejahrt, so wurde beschlossen, selbzweit den Sonnenflug in die Berge zu machen. Das ging gar nicht anders; denn seit Ferdinand Wurzler Witwer war, schwebte Valentine als guter Engel um ihn. Sie packte die Koffer, sie stattete in seinem Auftrage die Brieftasche des Herrn Wurzler mit dem nötigen Reisegeld aus, und sie musste zuletzt darauf achten, dass der kleine Mann in besinnlichem Gipfelflug nicht selber in eine verlassene Almhütte geriet. Na, und so waren sie seit einer Woche an Ort und Stelle. Wie aus ihrer Wohnung ersichtlich ist, hatten sie sich mit Eifer an die Dinge herangeforscht. Übertag durchstreiften sie die Umgebung, kletterten in der Partnachklamm herum und traten fragweis in jedes hochgelegene einsame Bauernhaus. „Habt ihr den Peter Lebegern nicht gesehen?“
Nun feierten sie das Fest des Wiederfindens. Es waren Stunden voll geläuterter, tiefer Fröhlichkeit.
Danach hatte der Doktor Wurzler das volle Verständnis für Peter Lebegerns Art. Aber seine Freude an ihr war nicht ohne Bangigkeit. Ja.
Valentine hörte gerne kluge Männer reden. Auch hatte sie Musse, den verloren Gewesenen zu betrachten in seinem Einsiedlergewande (das die bräunliche Farbe einer Kutte angenommen hatte) und nach dem Wechsel dieses Kleides. Sein Bericht über die Erlebnisse der letzten Wochen brauchte nicht erst phantasievoll aufgeputzt zu werden — er griff ans Herz in seiner absichtslosen Schlichtheit und in der Fülle an Abenteuerlichkeit.
Valentine erkannte: Peter Lebegern kehrte als ein anderer aus der Bergsiedelei zurück. Als ein Erlöster. Träumerische Besonnenheit spann ihn ein. Seine Augen waren tief und klar und ohne Müdigkeit. Ganz absichtslos stand er vor dem Leben. Mit einem Herzen voller Verheissungen. Und mit dem Ausblick auf tausend Wege. Die führten alle in sein Königreich.