Читать книгу Peter Lebegerns große Reise - Max Geißler - Страница 39

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Auf dieser Wanderung erkannte Peter Lebegern, welch ein ausgezeichnetes Mädchen Valentine war. Sie war adligen Herzens und von grosser Klugheit. Wenn sie auch keine weiten Reisen unternommen hatte, so besass sie wie Peter doch eine Vorstellungskraft, die ihr die unmittelbare Anschauung ersetzte. Und weil sie ihre Jahre nicht vertändelt hatte mit Fragen des Anzugs, nichtsnutzigen Vergnügungen und jenen Dingen, die dazu da sind, zu gefallen und sich eine Liebe zu sichern, so besass sie auch ein Wissen, das in manchen Fällen zur Gelehrsamkeit wurde. Auch war Valentine von artiger Schönheit. Die entfaltete sich je sichtbarer, je tiefer ihre Teilnahme für den Gegenstand eines Gesprächs erweckt wurde. Dann ging ein Leuchten von innen über ihr Gesicht — Peter Lebegern dachte, es könne davor ein gefrorenes Gemüt zu überraschender Blüte gelangen.

Das gefrorene Gemüt suchte er in sich selbst. Länger als ein Jahr war sein Herz ohne Regung jungen Mädchen gegenüber geblieben. Nun wurde Valentine für ihn zu einem Erlebnis. Er empfand ihre Nähe wie den Frühling, wenn er den Winter über in der Almhütte verbracht hätte.

So wanderten sie in durchsonnter Zweisamkeit über die Wälder hinaus zu den herbstklaren. Vorbergen. Da sie am Morgen ein Ziel vereinbart hatten, trafen sie mit dem Doktor an dem Tisch eines hochgelegenen Gasthauses zusammen. Eine Linde breitete ihre Äste über den Tisch im Freien und warf den goldenen Regen ihres Laubes über sie. Das Hochgebirg lag gross und leuchtend ringsum.

„Wir sind zu früh hierhergekommen,“ sagte Peter Lebegern und sah den Doktor dabei mit eindeutigem Lächeln an. Es fiel ihm ein: er wollte mit Valentinen noch eine Weile da in der Sonne über die Matten fliegen. Er war von übermütiger Fröhlichkeit. Aber es war ihm auch anzumerken, dass es nicht nur die Rücksicht auf den Doktor und seine Korrekturen sei, die ihn trieb. Er sagte, er wolle diesen letzten Reisetag austrinken bis auf die Neige wie einen Becher mit goldenem Wein. Dabei deutete er auf die ragenden Gipfel, die sie nun von allen Seiten einschlossen. In der Tat: ein Riesenpokal aus getriebenem Silber.

Dem Doktor kam der Vorschlag nicht ungelegen. Bei einem Glase Rotwein nahm er die Lesung der Bogen alsbald wieder auf. Peter Lebegern und Valentine spielten sich indes die Matten empor, auf denen nun die Kühe gingen, weil die Sonne den Reif des Morgens mit einer Raschheit fortgenommen hatte wie die Hüterin des Hauses das Laken vom Tisch.

Auf einmal geschah mit Peter Lebegern eine grosse Verwandlung. Mitten im Spiel ward er stumm. Er setzte sich an den sonnigen Hang, sah dem Doktor Wurzler noch eine schweigende Minute zu, der tief unten als ein winziges Männlein an einem sehr kleinen Tische sass, hin und wieder ein Lindenblatt von dem Druckbogen schnippte und einmal nach dem Glase griff. Es sah sehr komisch aus. Dann begann Peter zu reden. Auch seine Stimme klang nun ganz verwandelt.

„Komm einmal her, Valentine!“ sagte er. Sie wunderte sich über die Massen an dieser kecken Rede und blieb auf ihrem Platze stehen als hätte sie Wurzeln bekommen. Dieser Platz war drei Schritte vom Sitze Peters entfernt. „Nein, du musst dich durchaus neben mich setzen! Es ist heute der letzte Tag, mein Mädchen. Morgen rasen wir im Schnellzug heim — es ist da nicht der richtige Ort über diese Dinge zu sprechen. Und übermorgen — wissen wir denn, was übermorgen sein wird?“

„So reden Sie!“ sagte Valentine. Es klang gefasst.

„Du musst nun auch du zu mir sagen,“ gebot er, „denn ich habe mich dir vorhin auf dem Wege durch die Wälder versprochen für dieses Leben, mein gutes, kluges Mädchen. Ich will dir gehören mit all meiner Treue und mit meinem Willen, etwas Grosses und Gutes fertigzubringen und ein Glück für uns zu schmieden, so freundlich Menschenglück nur immer sein kann“…

„Warum hast du denn diesen Entschluss gefasst, Peter Lebegern?“ fragte Valentine.

„Weil ich erkannt habe: du bist von allen Mädchen, die mir begegneten, die vollkommenste. Du bist eine Einzige, Valentine. Ich weiss, ich würde nie einen Ersatz für dich finden, wenn du dich mir versagtest“…

„Warum soll ich mich dir denn versagen?“ fragte sie.

Da stand er auf und riss sie an sein Herz. „Soll ich dich nun nicht hinübertragen zu deinem, zu unserm Vater, du Geliebteste?“ Sie blickten die Steilheit der Matte hinab, auf der sie sich beschwingt emporgespielt hatten. Es war lieblich und schön. „Siehst du, mein Mädchen — ich hatte keine Zeit, das Verlöbnis anders zu betreiben oder auf eine bequemere Stunde zu verschieben“…

„Du hast es tapfer angegriffen, Peter Lebegern,“ sagte sie — „ich wünsche dir, dass du alles mit so gutem Gelingen erfiegst, wonach dir der Wille steht.“

Da deutete er auf das Zackenrund der hochgeschwungenen Gipfel: „Ich weiss nicht, wohin mich mein Weg und Wünschen führt. Aber mich deucht: dies Hochgebirg sei ein Abbild meines Lebens in den nächsten Jahren. Was ich suche … mein teures Mädchen, was ich suche, das ist in dieser Zeit und bei den Menschen wohl nicht zu finden. Wäre ich sonst so elend an beiden geworden? Und wäre die Almhütte für mich anders ein so namenloses Glück gewesen? Mich deucht, ich muss hinüber über all diese blinkenden Berge, mein Mädchen! Aber wo ist ein Pfad? Und was ist drüben?“

Peter Lebegerns große Reise

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