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Sherrington zum Geist-Gehirn-Zusammenhang: Aristoteles, missverstanden

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Angesichts dieses verworrenen Dualismus kommt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den beiden Entitäten zwangsläufig auf. Sherrington behauptete, niemand bezweifele, dass es zwischen Gehirn und Geist eine, wie er sagt, ‚Liaison‘ gibt. Jedoch ist „das ‚Wie‘ derselben, so müssen wir annehmen, […] für die Wissenschaft wie für die Philosophie noch immer ein Rätsel, das gelöst sein will“ (MN 190).

In all jenen Organismusarten, in denen das Physische und das Psychische koexistieren, erreichen beide ihr Ziel nur, wenn sie eine zweckmäßige Liaison miteinander eingehen. Und diese Liaison kann als der endgültige und höchste, das Individuum vervollständigende Zusammenschluss gelten. Die Frage, wie sie zustande kommt, harrt jedoch nach wie vor ihrer Beantwortung; weiter, als es Aristoteles vor mehr als zweitausend Jahren bereits war, sind wir damit nicht gekommen. Es gibt allerdings eine eigentümliche Unstimmigkeit, von der man sagen könnte, dass sie die aristotelische und viele andere psychologische Theorien kennzeichnet. Diese verorten die Seele im Körper und binden sie an den Körper, ohne darüber hinaus zu versuchen, den Grund dafür auszumachen bzw. zu ermitteln, unter welchen Bedingungen, was den Körper betrifft, eine solche (Ver-)Bindung zustande kommt. Das scheint indes die eigentliche Frage zu sein.91

Es ist merkwürdig, dass Sherrington dies schreibt, denn er wusste, dass die Frage, wie der Geist mit dem Körper interagieren könne, sich für Aristoteles nicht stellte. Innerhalb des aristotelischen Denkrahmens (siehe 1.1) ist eben diese Frage so unsinnig wie die Frage „Wie kann die Gestalt des Tisches mit dem Holz des Tisches interagieren?“ Offensichtlich ist dies keine Schwierigkeit, die uns Aristoteles mit seiner Philosophie hinterlassen hätte. Die Schwierigkeit tauchte im Rahmen von Platos dualistischer Philosophie auf, die von Aristoteles angefochten wurde, dennoch aber den Neuplatonismus anregte und durch die Vermittlung des hl. Augustinus zunehmend das christliche Denken dominierte. Thomas von Aquin übernahm allerdings die aristotelische Psychologie und eiferte mit fragwürdiger Inbrunst danach, sie der christlichen Theologie anzupassen. Der platonische Dualismus blieb jedoch die Konzeption, die dem populären Christentum am nächsten stand, und er inspirierte die Renaissance-Variante des Neuplatonismus. Das Verhältnis zwischen Geist und Körper stellt für jede Form des Dualismus ein außerordentliches Problem dar, und mit der Dominanz von Descartes im 17. Jahrhundert und dem gleichzeitigen Niedergang der aristotelischen Philosophie kam das Interaktionsproblem wieder auf die Tagesordnung, und dort befindet es sich noch immer.

Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften

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