Читать книгу I don't like Mondays - Michael Behrendt - Страница 18
6 This song is (not) your song: Woody Guthrie, This Land Is Your Land
ОглавлениеKann ein Lied, das die Schönheit eines riesigen Landes besingt und obendrein betont, dass dieses riesige Land einfach allen Menschen gehöre, auch von allen Menschen gesungen werden? Ich meine Nein. Denn wenn ein solches Lied von Anhängern der unterschwellig rassistisch und antisozial argumentierenden amerikanischen Tea-Party-Bewegung angestimmt wird oder den Soundtrack zu Veranstaltungen der ultrakonservativen National Organization for Marriages bildet, die gegen die gleichgeschlechtliche Ehe agitiert, dann ist das ein Widerspruch in sich. Zeilen wie „This land was made for you and me“ klingen dann angesichts der sie begleitenden Ausgrenzungsrhetorik einfach nur zynisch.
Insofern wird der Folkklassiker This Land Is Your Land von Woody Guthrie, einem ausdrücklich im linken politischen Spektrum angesiedelten Sänger, jedes Mal missbraucht, wenn er in extrem reaktionären Kontexten erklingt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Song in seiner kürzeren Version tatsächlich nur die Schönheit Amerikas und das Land als Allgemeinbesitz preist: „This land is your land, this land is my land/From California to the New York island/From the red wood forest to the Gulf Stream waters/This land was made for you and me.“ Es ist doch ganz einfach: Wenn Amerika „dir und mir“ gehört, dann gehört es auch den Angehörigen sozialer Minderheiten, den Benachteiligten und den Diskriminierten, gegen die diese extrem reaktionären Kreise hetzen. Oder?
Hinzu kommt, dass Woody Guthrie, der das Lied in den 1940er Jahren schrieb, seinen Gassenhauer eben auch in einer längeren Fassung verbreitet hat. Und die enthält zwei weitere Strophen, in denen bildhaft zusätzlich Schattenseiten Amerikas beleuchtet werden. So kommt das Song-Ich auf seiner Reise durch Amerika an ein Schild mit der Aufschrift „Betreten verboten“. Es folgt der messerscharfe Schluss: Wer von der anderen Seite auf das Schild zuläuft, für den gibt es keine Beschränkungen – und das, so der Text, solle doch für alle gelten: „As I went walking I saw a sign there/And on the sign it said ‚No Trespassing‘/But on the other side it didn’t say nothing/That side was made for you and me.“ In der zweiten kritischen Strophe geht es um Menschen, die hungernd vor dem Sozialamt stehen („I seen my people as they stood there hungry“), was die fassungslose Frage provoziert: „Is this land made for you and me?“ Ein so schönes, großes Land wie Amerika, so lässt sich interpretieren, sollte eigentlich frei von Ausgrenzung sein und jedem Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Eine Schande, dass es hier Menschen gibt, die nichts zu essen haben. Es ist bezeichnend, dass der Song – längst so etwas wie die inoffizielle amerikanische Nationalhymne – bei der Inaugurationsfeier von US-Präsident Barack Obama mit diesen sozialkritischen Passagen erklingen durfte. In ultrareaktionären Kontexten werden diese Passagen jedoch in der Regel geflissentlich ignoriert.