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Für Missverständnisse gibt es Gründe

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Was läuft schief, wenn wir etwas missverstehen? Eine Frage, die sich nicht erst im Zeitalter der Hitparaden stellt. Schon seit Jahrhunderten sind ihr Dichter und Denker auf der Spur, mit den unterschiedlichsten Ergebnissen. „Keiner versteht den anderen ganz, weil keiner beim selben Wort genau dasselbe denkt wie der andere“, hat zum Beispiel der große Johann Wolfgang von Goethe erkannt. Damit hat er nicht etwa die mögliche Doppel- oder gar Vieldeutigkeit von Wörtern gemeint, sondern die individuellen Vorstellungen, die ein jeder Mensch mit bestimmten Begriffen und Zusammenhängen verbindet. Und warum ist das so? Weil unsere Herkunft, die Zusammenhänge, in denen wir leben, und unsere ganz persönlichen Erfahrungen unser Verständnis prägen. So verbindet möglicherweise jemand, der in einer Diktatur lebt, mit dem Titel Don’t Let Me Be Misunderstood etwas ganz anderes als jemand, der am Strand in Florida gerade dabei ist, sich frisch zu verlieben.

Franz Kafka wiederum hat in seinem Roman Der Prozess einen merkwürdigen Satz geschrieben: „Richtiges Auffassen einer Sache und Mißverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“ Das ist eine schon in sich missverständliche Aussage. Unter anderem macht sie klar, dass sich manche Zusammenhänge, manche Erzählungen einfach nicht eindeutig erschließen lassen. Sie sind bereits von Grund auf zwiespältig. Rätselhaft. Und so ist jede seriöse Interpretation ebenso richtig wie falsch.

Wer danach sucht, findet weitere Sinnsprüche, die erklären, wie Missverständnisse funktionieren. „Die größten Missverständnisse entstehen durch Irrtümer“, lautet einer von ihnen. Dass die Urheberschaft dieser Sentenz ungeklärt ist, macht sie nicht weniger wahr. Denn manchmal stehen wir als Missverstehende eben einfach auf der Leitung, liegen gewaltig daneben. „Röster-Däpfel“ interpretierte ich neulich die Beilagennennung auf der Speisekarte eines Restaurants. Gemeint sind natürlich „Röst-Erdäpfel“, schließlich frönt das Lokal der österreichischen Küche. Doch das muss man aus „Rösterdäpfel“ zwischen all dem Fleisch, Salat und Gemüse erst mal herauslesen! Aber macht nichts, Irrtümer können passieren.

Gravierender ist da schon der Zusammenhang, den ein Autor namens Karl Talnop auf verschiedenen Websites formuliert: „Vermeidbare Missverständnisse entstehen oft dadurch, dass wir zu gern nur das verstehen, was wir verstehen wollen.“ Gemeint sind Phänomene wie die Projektion persönlicher Sichtweisen auf einen Text und das Ausblenden unliebsamer Aspekte, die unsere Sichtweise stören. Man versteht eben, was man verstehen will – und wird damit unter Umständen dem Text überhaupt nicht gerecht. In seiner extremen Form mündet dieses Phänomen in bizarre Hirngespinste, bis hin zu sogenannten „urban legends“, zu Deutsch: „modernen Mythen“, und Verschwörungstheorien.

Mehrdeutigkeit und persönliche Befindlichkeiten. Simples Irren und eine fundamentale Rätselhaftigkeit. Ausblenden. Projizieren … All das kommt auch beim Hören und Verstehen von Songs zum Tragen. Und es gibt weitere Mechanismen, die sich zwischen uns und den Song stellen können. Ein Code beispielsweise, den nur Eingeweihte verstehen. Wer diesen Code nicht kennt, muss – wie viele Erwachsene, die die Sex- und Drogenanspielungen der noch jungen Rockmusik der Sechzigerjahre nicht kapierten – das Gesagte missverstehen. Und manchmal ist es auch einfach der Faktor Zeit, der das Missverständnis für sich arbeiten lässt: So können spätere Generationen die ursprünglichen Bedeutungsebenen und versteckten Anspielungen eines musikalischen Werks manchmal nicht mehr nachvollziehen, weil seine Entstehungsgeschichte und die damaligen Zeitumstände kaum noch bekannt sind.

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