Читать книгу Psychotherapie und Psychosomatik - Michael Ermann - Страница 182
4.4.1 Ätiologie und Disposition
ОглавлениеDas höhere Strukturniveau wird erst in relativ späten Phasen der Kindheitsentwicklung erreicht, nämlich nachdem die frühe Individuationsentwicklung angemessen bewältigt worden ist und die Autonomieentwicklung voranschreitet. Voraussetzung ist ein Konflikterleben in integrierten Objektbeziehungen, die auch begrifflich, d. h. in komplexen Vorstellungen, erfasst werden können. Es wird im deklarativen Funktionsmodus kodiert und als explizit-deklarative Erinnerungen gespeichert. Es bildet das autobiografische Gedächtnis, in dem die Erinnerungen auf das Selbst bezogen erlebt werden und eine deutliche Beziehung zur Zeitdimension besteht ( Kap. 2.2.1). Dieser Zustand beginnt mit der Sprachentwicklung im zweiten Lebensjahr. Er ist am Ende des dritten Lebensjahres so weit ausgereift, dass pathogene Einflüsse auf dem höheren Strukturniveau, d. h. als Konfliktpathologie, organisiert werden.
Den wichtigsten Einfluss hat in diesem Stadium die Verarbeitung der familiären Erziehung. Zu Fixierungen kommt es, wenn bei der Bewältigung und Integration der expansiven, aggressiven und libidinös-sinnlichen Bedürfnisse und der Beziehungskonflikte dieser Entwicklungsperiode keine angemessene Orientierung und Unterstützung gegeben wird. Das bedeutet zumeist, dass die Erziehung kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewähren und Begrenzen gibt. Übermäßige Verwöhnung oder Versagungen oder ein nicht vorhersehbarer willkürlicher Wechsel zwischen beiden gelten in dieser Entwicklungsphase als Ausgangspunkt für eine neurotische Entwicklung.136 Sie führen dazu, dass die Lösung der phasenspezifischen motorisch-aggressiven, phallisch-narzisstischen und libidinösen Konflikte erschwert wird. Es werden konflikthafte Selbst-Objekt-Repräsentanzen verinnerlicht. Erziehungspersonen stehen dabei nicht ausreichend als Hilfe bei Konfliktlösungen und bei der Bewältigung von Spannungen zur Verfügung. Die Folge ist, dass die Konflikte verdrängt werden. Sie nehmen später, in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter aus dem Unbewussten heraus auf das aktuelle Erleben und Verhalten Einfluss.