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Die alte Halle

782 A.D.

Die Halle war alt. An den hohen Wänden hingen die buntbemalten Holzschilde von Generationen von Kriegern, die diesem Haus gedient hatten. Das Holz an der Decke war geschwärzt von den Feuern unzähliger Jahre und die mächtigen Dachbalken thronten weit über den Köpfen der Eintretenden, so fest und sicher wie am Tag ihrer Errichtung.

Berengar ließ seinen Blick über die Decke gleiten, in dem großen Stuhl eingesunken, der dicht am Feuer stand. Das Prasseln der Flammen beruhigte seine Nerven, auch wenn der stickige Qualm die Kopfschmerzen verstärkte, die ihn seit dem Morgen begleiteten. Die Hitze des Feuers strahlte durch die Stuhllehne hindurch und trieb ihm Schweißperlen auf die Stirn, die er fahrig mit dem Ärmel seiner prachtvollen Tunika abwischte.

Der junge Mann presste die beringten Finger gegen die schmerzenden Schläfen, schloss die Augen und wünschte sich, dass es schon Abend wäre. An Tagen wie diesen, wo sein ganzer Kopf dröhnte wie ein Kessel unter Hammerschlägen, ergab er sich ganz dem Gefühl der Hilflosigkeit und sehnte den Schlaf herbei, der den Schmerz von ihm nehmen würde. Das Tageslicht stach wie eine glühende Klinge in seine Augen und jedes Geräusch wurde zur Tortur, also verharrte er regungslos in der dämmerigen Halle und wartete darauf, dass der Tag zu Ende ging und er sich wieder auf sein Nachtlager begeben konnte. Durch die dicken Wände drang kein Laut zu ihm herein, als wäre er der einzige Mensch in dem Gau. Ein Gedanke, den er genoss. Er lehnte den Kopf erneut an die Stuhllehne und sah zur Decke mit ihren geschwärzten Balken hinauf.

Das helle Klopfen des Stockes seines Vaters ließ ihn den Blick seiner wässrigen Augen von der Decke abwenden. Die Tür am anderen Ende der Halle schwang auf und die große, gebeugte Gestalt von Teutomar humpelte in die Halle.

Immer seltener verließ der alte Mann das Bett. Während Alter und Krankheit seinen einstmals kräftigen Körper schwächten, gestatte sein energischer Wille ihm nicht, die Ruhe zu finden, nach der es den betagten Knochen verlangte.

»Hier bist du, mein Sohn!«, sprach Teutomar und kam langsam näher. Sein kurzer Stock schlug bei jedem seiner Schritte durchdringend auf den Boden, bei dem Geräusch presste Berengar schmerzerfüllt die Augen zusammen.

»Manchmal frage ich mich, ob du mitbekommst, was da draußen vor sich geht, während du hier drinnen sitzt und die Wände anstarrst.«

Berengar setzte sich langsam auf. »Meine Kopfschmerzen haben mich wieder nicht schlafen lassen. Wie soll ein Mann so leben können ...«

»Zu einem Mann muss mein Sohn erst noch werden!«, antwortet Teutomar und stellte sich vor das Feuer. Obwohl sein Körper gebeugt war, klang seine Stimme noch tief und fest.

Berengar betrachtete den Rücken und erinnerte sich daran, wie er als Kind beim Klang dieser Stimme innerlich jedes Mal aufgestöhnt hatte. Obwohl sein Vater nie die Hand gegen ihn erhoben hatte, waren es seine Worte gewesen, die ihn zittern machten, solange er denken konnte.

Das Gesicht Teutomars näherte sich seinem langsam und er sah die von Furchen durchzogenen scharfen Züge des alten Kriegers, der die Geschicke seines Landes immer gegen alle Unbill verteidigt hatte, sei es auf dem Schlachtfeld oder bei einer Verhandlung. Bei den sächsischen Adligen hatte sein Wort auf der Volksversammlung in Marklohe noch immer großes Gewicht, wenn es ihm auch jedes Jahr schwerer fiel, dort zu erscheinen.

»Was soll nur werden, wenn ich einmal nicht mehr bin!«, flüsterte er und unter seinen grauen Augen senkte Berengar seinen Blick. Dann richtete sich Teutomar wieder auf und nahm auf seinem prachtvoll geschnitzten Stuhl an der Seite seines Sohnes Platz. »Du solltest draußen sein und tätig, statt in der Halle deine Gedanken vermodern zu lassen. Als ich jung war, ritt ich unentwegt von Hof zu Hof, überwachte die Bewirtschaftung und das Leben der Menschen auf meinem Land. Du musst aus eigener Anschauung Achtung und Einsicht erwerben, denn übel ist der Rat, wenn man ihn beständig von anderen erhält.«

Berengar griff nach einem Goldbecher und leerte den Wein in einem Zug. »Was gibt es denn Neues, Vater?«

Der alte Mann, dem die Verbitterung in der Stimme seines Sohnes nicht entging, sah ihn scharf an. »Einige Freie haben die Kirche am Waldrand niedergebrannt, jeder Mann und jede Frau redet seit Tagen davon, nur mein eigener Sohn sitzt hier im Schatten und hängt seinen Gedanken nach.«

Berengar zuckte die schmalen Schultern. »Es sind nur wenige, Vater, und der Franken sind viele in unserem Land. Sie werden sie bald finden und hinrichten lassen ...«

»Du Narr!«, knurrte Teutomar und warf die knotigen Hände in die Luft. »Dies könnte der Funken sein, der einen Waldbrand entfacht!«

»Unsere Familie hat Frieden mit den Franken, aber wir sollten nicht vergessen, dass wir Sachsen sind. Mag auch in anderen Gauen Krieg herrschen, wir sind bislang verschont worden, weil unsere Bauern besonnen sind ...«

»Besonnen!«, wiederholte Teutomar scharf und nahm Platz. »Es sind die Knechte und Halbfreien, die den Veränderungen mit Wut gegenüberstehen. Eine Wut, die, einmal entfacht, uns unser Land kosten könnte ...« Der alte Mann lehnte sich in seinem Holzstuhl nach vorne und ließ die Spitze seines Stockes über den Boden fahren. »Bald wird es ein Bündnis der Halbfreien und Freien gegen uns Adlige geben, Berengar, das ist so sicher wie der Becher in deiner Hand.«

Der junge Mann betrachtete nachdenklich die Verzierungen des Bechers. Er versuchte, über das, was ihm sein Vater gesagt hatte, nachzudenken, doch unter dem glühenden Pochen seiner Schläfen verflüchtigten sich die Gedanken wie der Morgennebel im Sonnenlicht. Nur die Furcht vor seinem Vater belebte ihn und sorgte dafür, dass er jedem seiner Worte aufmerksam lauschte.

»Wir brauchen einen starken Verbündeten«, fuhr sein Vater fort, »wenn wir die kommenden Zeiten überstehen wollen. Und König Karl ist der stärkste Verbündete, den wir kriegen können. Wenn wir erst mal in das große Frankenreich eingegliedert sind, ist unsere Stellung gesichert und unantastbar.«

»Es gibt diese kleinen Aufstände doch schon seit langer Zeit«, antwortete Berengar bedächtig, »und immer, wenn Karl mit seinem Heer auftaucht, unterwerfen sich die Aufständischen und stellen Geiseln.«

»Weil es immer nur einzelne Sippen und Verbände waren, die sich den Franken entgegengestellt haben. Jetzt aber«, sagte der alte Mann und seine Stimme wurde eindringlich, »sehe ich die Gefahr, dass sich alle Sachsen gegen die Eroberer erheben. Getrieben von ihrem Stolz und Freiheitswillen werden sie es sogar schaffen, ihre Uneinigkeit zu überwinden.

»Du redest so, als wenn wir keine Sachsen wären ...«, murmelte Berengar.

Sein Vater sprach weiter, als hätte er nichts gesagt. »Ich hörte, dass Widukind damit anfängt, mit den Anführern zu verhandeln, um sich dem Feind geordnet entgegenzustellen. Noch verfolgt jeder seine eigenen Interessen. Aber wenn sie sich zusammenschließen, werden sie alles mitreißen, was sich ihnen in den Weg stellt, sollte es sie auch den letzten Tropfen Blut kosten.«

Ein Schauder überlief den jungen Mann, aber es war keine Furcht, die in ihm aufstieg. Er hatte den Franken und ihren christlichen Priestern nie viel abgewinnen können, was er seinem Vater aus Angst aber verschwieg. Dennoch waren die Bauern auf ihren Höfen seinen Gedanken so fern, wie das Oberhaupt der neuen Kirche in Rom. Es reichte ihm, hier in der Halle zu sitzen und das Los seiner Kopfschmerzen und des rastlosen Nachdenkens zu tragen. Ein Aufstand auf ihrem Boden kam ihm unwahrscheinlicher vor als ein Pferd mit fünf Beinen.

Der forschende Blick seines Vaters schreckte ihn auf und er setzte mechanisch den Goldbecher an die Lippen, bevor ihm gewahr wurde, dass er leer war. »Wie willst du verhindern, Vater, dass sich die Menschen unseres Landes zusammenrotten und die Franken bekriegen?«

»Was hältst du von der Religion der Franken, Berengar?«

Der junge Mann zuckte mit den Schultern und stellte den Becher wieder auf der breiten Lehne seines Stuhles ab. »Das Christentum? Ich verstehe es nicht!«

»Ich habe die letzten Tagen darüber nachgedacht, ob diese neue Religion uns dabei helfen könnte, unser Land zu behalten.«

»Der christliche Gott scheint mir kein mächtiger Gott zu sein ...«, warf Berengar vorsichtig ein.

»Der christliche Gott ist der Gott der Franken«, rief Teutomar. »Kein Stamm kommt ihnen an Macht gleich! Und du willst mir sagen, dass ihr Gott kein mächtiger ist? Wie ihr Gott ihnen zu Macht und Land verholfen hat, kann er auch uns helfen. Als Chlodwig und seine Krieger in Bedrängnis waren, betete er zu dem neuen Gott und versprach ihm, sollte er ihm den Sieg über seine Feinde schenken, würden er und alle seine Untertanen zum Christentum übertreten. Chlodwig gewann mit Gottes Hilfe die Schlacht und mit ihm ließen sich Tausende von Menschen in Metz taufen. Seitdem nimmt ihr Ruhm immer weiter zu.«

»Wenn wir uns taufen ließen, müssten alle unsere Männer und Frauen uns folgen ...«

»Womit wir den Franken unseren guten Willen zeigen würden! Außerdem verspricht dieser neuer Gott auch den einfachen Leuten ein prachtvolles Leben nach dem Tod. Auch wenn viele in Armut leben, würde die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Ewigkeit sie beruhigen.«

»Ein wahrhaft großzügiges Angebot«, sagte Berengar und stützte sein Kinn auf die Faust. »Aber was werden die anderen Adligen dazu sagen? Man wird uns Gottneidinge schimpfen ...«

»Sie werden uns folgen, wenn sie klug sind«, unterbrach ihn Teutomar schroff. »Es ist das einfache Volk, das an den alten Gebräuchen festhält. Der Adel wird schon bald auf unserer Seite sein.«

Berengar erhob sich langsam, um sich neues Bier einzuschenken. »Es heißt«, sagte er, während er den Krug wieder absetzte, »dass wir dann keinen Kontakt mehr zu unseren Ahnen haben, denn nur getaufte Menschen können in das Paradies der Christen einkehren.«

Der alte Mann warf mit einem Zischen seinen Stock durch den Raum, der mit einem lauten Knall auf eines der Schilde an der Wand traf. »Woher willst du das wissen?«

Berengar ließ den Becher fallen, der klirrend über den Boden rollte. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und beim Anblick der zornigen Augen seines Vaters schnürte es ihm die Kehle zu.

»Nun sprich schon, oder hat es dir die Sprache verschlagen?«

»Ich redete mit einem Priester!«, antwortete er leise und ärgerte sich darüber, dass man das Zittern in seiner Stimme hörte. »Er sagte mir, nur wer getauft ist, kommt in das Paradies. Da unsere Vorfahren Heiden waren, hätten sie keinen Zugang dazu und würden für immer an einem schrecklichen Ort Qualen erleiden.«

»Pah!«, rief der alte Mann. »Das ist nur das Geschwätz eines Feiglings. Damit kann er vielleicht einen Narren beeindrucken, aber nicht Teutomar! Unsere Sippe ist reich an Ruhm und Heil. Sie werden nicht an einem jämmerlichen Ort weilen und kampflos eine Strafe erdulden.«

Er hat Angst, dachte Berengar. Vater fürchtet sich davor, von seinen Vorfahren getrennt zu werden! Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich Teutomar überlegen.

In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Bediensteter trat ein. »Marbod ist hier, mein Herr!«

Teutomar stieß die Luft aus und richtete sich in seinem Stuhl auf. »Jetzt gilt es, Berengar! Die Franken beehren uns mit einem Besuch!« Das von scharfen Furchen durchzogene Gesicht seines Vaters wurde von einem zum anderen Augenblick maskenhaft.

Die Franken, überlegte Berengar, während er seinen goldenen Trinkbecher abstellte, kommen nicht, um uns ihre Aufwartung zu machen. Sie waren ein mächtiger Gast in jeder Halle und man tat gut daran, auf der Hut zu sein, wenn sie um einen Gasttrunk baten. Die Unruhen im Gau werden ihre Aufmerksamkeit erregt haben und die Forderung würde sogleich mit einer Drohung verbunden sein. Berengar wusste, wie sie lauten würde, und sein Vater ebenfalls, dessen war er sicher.

Teutomar bedeutete dem Mann an der Tür mit einer Geste, den Franken einzulassen. Berengar nahm an der Seite seines Vaters Platz und blickte angespannt zur Tür, während er versuchte, die Gedanken hinter seiner schmerzenden Stirn zu ordnen.

Das Geräusch der schweren Schritte kam langsam näher, dann traten sechs ihrer Männer ein, die sich links und rechts der Tür postierten. Drei fränkischen Krieger folgten ihnen, die mit einer Verbeugung verharrten.

Berengar konnte die Anspannung seines Vaters spüren, obwohl seiner Stimme nichts anzumerken war. »Tretet ein, Marbod! Ihr seid in meiner Halle willkommen!«

Neugierig beobachtete Berengar die drei Franken, die sich ihnen näherten. Alle waren von hohem Wuchs und besaßen die Statur von Kriegern, die viele Schlachten gekämpft hatten. Ihr halblanges, schwarzes Haar fiel bis auf die gepanzerten Schultern ihrer berühmten fränkischen Harnische. Nach einer kurzen Pause erhob sich Berengar und reichte den Franken den Willkommenstrunk. »Ich bin Berengar, Teutomars Sohn, und auch ich heiße euch in unserer Halle willkommen!«, sagte er. Marbods dunkle Augen ruhten auf ihn, bis er den Becher abgesetzt hatte. Auf seinem Brustpanzer glänzte das silberne Kreuz der Christen, das im Schein der Fackeln rötlich leuchtete. Als Berengar den leeren Becher entgegen nahm, war er froh, wieder zu seinem Stuhl zurückkehren zu können.

»Ich bin lange geritten«, begann Marbod, »um mit euch zu sprechen.«

Teutomar senkte seinen grauhaarigen Kopf und sah den hünenhaften Krieger unter seinen dichten Augenbrauen hinweg an. »Meine Halle stand den Franken immer offen und Euer Besuch ehrt mich!«

Marbod hob die gepanzerten Schultern ein wenig und ließ sie dann wieder sinken. »Auf dem Weg hierhin kam ich an einem Haus des Herren vorbei, dessen verkohlte Überreste noch qualmten. In diesem Moment konnte ich den Zorn Gottes tief in meiner Brust fühlen.«

Berengar warf einen Blick zu den Kriegern seines Vaters, die sich ruhig in der Nähe der Franken aufhielten. Aufmerksam verfolgten sie die Szene und Berengar wusste, dass sie keine Sekunde zögern würden, die drei Franken zu überwältigen. Aber allen Männern in der Halle war die Machtverteilung klar. Das Reich der Sachsen gehörte schon längst dem fränkischen König.

Die Stimme Marbods hallte von der hohen Decke nieder, während er jetzt auf Teutomar zu trat. »Die Bauern aus der Umgebung berichteten mir, es wären Freie aus diesem Gau gewesen.«

Der alte Mann nickte langsam. »Auch mir ist diese Kunde zu Ohren gekommen.«

Marbod ging zu der Tafel und schüttete sich etwas Met in einen Trinkpokal. »Wer sich den Anweisungen unseres Königs widersetzt, spürt die eiserne Hand der Franken!«

Teutomar sah dem Hünen dabei zu, wie er in großen Zügen den Pokal leerte, die Augen unter den grauen Brauen verengten sich für einen Moment. »Die Wege im Gau sind lang.«

Marbod stellte den Pokal wieder auf die Tafel zurück. »Euer Land ist groß, Teutomar! Behaltet es im Auge, auf dass es euch nicht entgleitet!«

»Das Land«, antwortete Teutomar mit fester Stimme, »gehört meiner Sippe schon seit vielen Generationen.«

»Dann sollten wir diese Männer finden, bevor sie weiteres Unheil anrichteten. Vergesst nicht, dass Ihr euer Land nur durch die Gnade Karl des Großen noch besitzt. Aber auch sein Großmut ist nicht unerschöpflich.«

Berengar breitete die Arme aus. »Die Wälder dieser Gegend sind groß und undurchdringlich. Alle unsere Männer könnten wochenlang suchen, ohne Erfolg zu haben.«

Marbod warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Bringt eure Bauern zu Vernunft. Sie werden wissen, wo die Männer zu finden sind.«

Bevor Berengar antworten konnte, hob sein Vater die Hand und gebot ihm Einhalt. »Wir werden unsere Männer ausschicken und euch den Kopf der Frevler bringen. Als Zeichen unserer Wertschätzung und Treue. Es wird keinen Aufstand auf unserem Land geben, dessen seid versichert! Richtet dies König Karl aus. Und gebietet ihm meine besten Grüße.«

»Gut!«, Marbod nickte und stellte den kostbaren Trinkbecher achtlos ab. »Ich erwarte eure Nachricht in zwei Monden.«

Als er zur Tür schritt, funkelte das Licht auf seinem geschwärzten Harnisch. Die fränkischen Krieger schlossen sich ihm an.

Berengar fühlte Galle aufsteigen und spuckte in eine silberne Schale. Die Schmerzen in seinem Schädel stachen wie mit glühenden Messern. Erschöpft lehnte er den Kopf an die hohe Lehne und schloss die Augen. Er hörte Teutomar mühsam aufstehen und zu den Schilden an der Wand gehen. Berengar öffnete die Augen einen Spalt und beobachtete seinen Vater. »Unsere Ahnen hätten jeden Mann, der so in ihrer eigenen Halle mit ihnen sprach, erschlagen!«, sagte Berengar langsam.

Teutomar blieb mit dem Rücken zu ihm stehen, auf die Schilde all der Krieger starrend, die für ihre Sippe gestritten hatten. »Was spricht mein Sohn von den Taten eines Mannes? Noch nicht einen Mann erschlug er und redet doch von der Ehre unserer Sippe!«

Die Stimme seines Vaters klang ruhig, aber Berengar spürte den Groll des alten Mannes, der sich nur mühsam beherrschte. »Was wirst du jetzt tun, Vater?«

»Was ich tun werde?« Teutomar nahm ein Schwert von der Wand und zog die Klinge blank. Trotz ihres Alters war sie noch scharf und als Teutomar mit ihr auf ihn zu humpelte, hatte Berengar den Wunsch, aufzuspringen und den Stuhl als Schild zwischen sie zu bringen. »Ich werde die Aufständischen jagen lassen! In die tiefsten Wäldern werde ich meine Männer schicken und wenn wir sie gefunden haben, werde ich ihre Köpfe den Franken überreichen!«

Berengars Stimme zitterte und seine Hände klammerten sich unwillkürlich um den Becher. »Du sagtest, ich wäre kein Mann, Vater, aber ist es nicht eine Neidingstat, einen Gefangenen zu töten?«

Diesmal stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht Teutomars und einige Male wog er die schwere Klinge in der Hand. »Ich werde sie erschlagen lassen, wo ich sie finde. Es wird keine Gefangenen geben. Verstehst du eigentlich, mein Sohn, was hier vorgeht? Hast du dir schon einmal überlegt, was passiert, wenn wir das Wohlwollen der Franken verlieren?«

Unter dem harten Blick seines Vaters senkte Berengar seinen Kopf.

»Die Aufständischen haben den Frieden unseres Gaus zerstört und entwickeln sich zu einer Bedrohung für unsere Vorherrschaft. Ich habe nie gezögert, dem zu begegnen, und ich werde es nicht tun, solange ich atme. Wenn du dieses Gau länger als einen Sommer führen willst, mein Sohn, solltest du lernen, mit den Franken zu leben.«

Erschöpft ließ sich Teutomar in seinen Stuhl nieder und legte die Klinge auf seine Oberschenkel. »Dieses Schwert führten schon mächtige Männer und ich wünsche, dass es eines Tages dir gehören wird.«

Berengars Blick glitt über die blanke Klinge und blieb an den feinen Runen hängen.

»Wenn wir den Aufständischen den Kopf vom Rumpf trennen, solltest du es sein, der es führt!«

Der junge Adlige zuckte bei den Worten des Vaters zusammen und fühlte das Hämmern hinter seinen Schläfen stärker werden. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich im Stuhl zurück und versuchte in die Dunkelheit zu flüchten, die Frieden und Ruhe versprach.

Der Neiding

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