Читать книгу Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde - Michael Kleine-Cosack - Страница 128
(3) Besonders schwerer Nachteil
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Diese Alternative ist in der Praxis am bedeutsamsten. Sie stellt ab auf die weitergehenden Folgen, die beim Beschwerdeführer eintreten, wenn ihm die Entscheidung zur Sache versagt wird und er die Grundrechtsverletzung hinnehmen muss.[32] Eine entsprechende existenzielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung ergeben. Als Beispiele seien angeführt eine strafrechtliche Verurteilung[33] oder ein Berufsverbot; nicht hingegen reicht ohne Weiteres eine schlichte Rüge,[34] z.B. für einen Rechtsanwalt im Falle einer angeblichen Berufspflichtverletzung, soweit nicht besondere Umstände hinzutreten, wie dies des öfteren in der Vergangenheit bei unhaltbaren Entscheidungen berufsständischer Kammern der Fall war.[35] Bei der Prüfung, ob ein Beschwerdeführer existenziell betroffen ist, müssen die Belastungswirkungen, die der angegriffene Hoheitsakt auf Grund seines Gegenstandes oder seiner Folgen für den Beschwerdeführer entfaltet, in Relation zu dessen persönlicher Situation gesetzt werden. Namentlich in Zivilsachen wird es häufig auf den streitigen Geldbetrag ankommen. Das relative Verständnis von existenzieller Betroffenheit schließt es aber aus, eine für alle Fälle gültige feste Grenze für das Vorliegen von existenzieller Betroffenheit zu bestimmen. Einzelne Überlegungen, eine existenzielle Betroffenheit grundsätzlich erst ab einer bestimmten Beschwer in Betracht zu ziehen, haben sich daher bisher nicht durchgesetzt.
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Dennoch sollte man bei Abfassung einer Verfassungsbeschwerde den Wertaspekt im Auge behalten. Je geringer die konkrete Beschwer ist, umso eingehenderer Begründung bedarf die „existenzielle Betroffenheit“ des Beschwerdeführers.[36] Kaum je begründbar wird sie sein in Bagatellfällen, bei geringen Bußgeldern für Fehlverhalten im Straßenverkehr, bei Beschwerden gegen nicht berufungsfähige amtsgerichtliche Urteile, bei fehlerhaften Kostenentscheidungen, bei bloßen Verweisen im Disziplinarrecht oder schlichten Rügen[37] im Recht der freien Berufe sowie vergleichbaren Entscheidungen aus anderen Gerichtszweigen. Eine existenzielle Betroffenheit kann z.B. in Asylsachen dann zu verneinen sein, wenn dem Asylbewerber aus anderen Gründen – z.B. wegen Anerkennung als Flüchtling auf Grund von Nachfluchtaktivitäten – ein zuverlässiges Bleiberecht zur Seite steht.[38] Eine Erledigung des Ausgangsverfahrens und der damit einhergehende Fortfall der Beschwer schließen im Regelfall den Nachteil aus,[39] soweit nicht die Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses fortbesteht.[40] Dies ist u.U. der Fall bei versammlungsrechtlichen Beschwerden.[41]