Читать книгу Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde - Michael Kleine-Cosack - Страница 131
2. Sonderfälle
Оглавление221
Nicht ganz so strenge Anforderungen stellt das BVerfG gelegentlich bei einzelnen Urteilsverfassungsbeschwerden, falls gerügt wurde die Verletzung
• | der Art. 103 Abs. 1 oder Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG oder |
• | des Grundrechts auf faires Verfahren oder |
• | ein Verstoß gegen das Willkürverbot. |
In diesen Fällen hat das Gericht in der Vergangenheit auch bei Fällen geringerer Bedeutung Verfassungsbeschwerden angenommen. Die Tendenz ist aber uneinheitlich.
222
Beispiel
Das BVerfG nahm eine Verfassungsbeschwerde gegen ein einer Klage über 610 DM stattgebendes Urteil nicht an. Das Urteil war verkündet worden, obwohl die Frist zur Erwiderung auf die Klage noch nicht abgelaufen war. Der Richter hatte dazu angegeben, er habe den Fristablauf „versehentlich falsch“ berechnet. Das BVerfG stellte im Hinblick auf § 93a Abs. 2 BVerfGG fest, eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung bestehe nicht, die „Tragweite“ des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nämlich hinreichend geklärt, die Rechtsverletzung habe „weder besonderes Gewicht“ noch betreffe sie den Beschwerdeführer „in existentieller Weise“.[51]
223
Das BVerfG hatte früher in vergleichbaren Fällen von willkürlichen Fehlentscheidungen einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben. In der Tat ist es aber nicht einzusehen, warum bei der Verletzung von Verfahrensrechten weniger strenge Anforderungen gelten sollen als bei materiellen Grundrechten. Ist die aus der fehlerhaften Entscheidung resultierende Belastung des Betroffenen gering, handelt es sich z.B. nur um einen vergleichsweise geringen materiellen Schaden bzw. eine niedrige Geldbuße, dann erscheint es vertretbar, dass das BVerfG – letztlich aus funktionell-rechtlichen Gründen – die Annahme der Verfassungsbeschwerde ablehnt bzw. in Bagatellfällen auch eine Mißbrauchsgebühr verhängt.[52]