Читать книгу Haus in Flammen - Mischa Kopmann - Страница 24

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Manchmal fuhren wir raus aus der Stadt. In Yvettes weißem VW. Wir gingen spazieren in einem Waldstück in der Heide, in dem Yvette sich sehr gut auskannte, weil sie sonntags häufig mit ihren Eltern dort gewesen war, um Pilze zu sammeln und die Ruhe zu genießen. Einmal stießen wir auf eine Rotte Wildschweine. Yvette legte den Zeigefinger auf die Lippen und nahm mich bei der Hand. Langsam, sehr langsam gingen wir rückwärts, uns immer wieder in beide Richtungen umsehend. Sobald wir den Weg erreichten, rannten wir los, lachend und wie von Furien gehetzt. Obwohl uns kein Wildschwein folgte. Einmal wurden wir von einem Gewitter überrascht. Wir flüchteten vor dem Regen und küssten uns im Schutz der Kiefern und Birken. Yvette sagte, sie könne sich keinen süßeren Tod vorstellen, als so vom Blitz getroffen zu werden, klatschnass und zungenküssend. Manchmal fuhren wir an die See. Für einen Tag oder ein Wochenende. Yvette liebte das Wasser. Selbst im Oktober ging sie noch baden, bei Nieselregen und zehn Grad Außentemperatur. Ich sehe sie vor mir in ihrem altmodischen flaschengrünen Badeanzug, meine schöne Meerjungfrau, wie sie in der Brandung aufgeregt auf und ab hüpft wie ein Kind, wie sie eintaucht in die Wellen und verschwindet, für eine kleine Ewigkeit, um schließlich prustend und juchzend an irgendeiner anderen Stelle wieder aufzutauchen und mir zuzuwinken. Manchmal überwand ich mich und folgte ihr ins eiskalte Wasser, wo wir uns küssten und uns festhielten an den verbotensten Stellen, zwei zitternde Körper im Wind. Wenn ich es nicht über mich bringen konnte, ins Wasser zu gehen, wartete ich mit dem Handtuch am Strand auf sie. Ich breitete meine Arme aus, wenn sie mit ihren typischen kurzen Schritten auf mich zugelaufen kam.

Yvette stellte mich ihrer Großmutter vor. Adele. Die Mutter ihrer Mutter. Alles war genau so, wie Yvette es mir erzählt hatte: In den beiden Zimmern unter dem Dach stapelten sich Schallplatten, Bücher, Notenhefte. Im Wohnzimmer stand ein Bechstein-Piano, das einmal im Jahr gestimmt wurde, wofür eigens ein älterer Herr aus Aschersleben anreiste, den Adele seit Ewigkeiten kannte. Es gab Tee und Plätzchen. Adele bot mir das Du an und sagte, ich könne jederzeit vorbeikommen, um Klavier zu spielen oder einfach nur mit ihr zu plaudern. Ich hatte das Gefühl, ich war bei Weitem nicht der erste Verehrer, den Yvette ihrer Großmutter vorstellte. Wahrscheinlich war ich auch nicht der Erste, den sie einlud, sie zu besuchen. Trotzdem ging ich hin, ab und an. Wir tranken Tee zusammen und aßen den Kuchen, den ich von der Konditorei ein paar Häuser weiter mitgebracht hatte. Manchmal spielte ich Klavier. Manchmal, sehr selten, spielte Adele. Bach. Brahms. Beethoven-Sonaten. Alles praktisch fehlerfrei. Alles aus dem Kopf.

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