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Die Ethik – eine zu Unrecht gering geschätzte Wissenschaft

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Das gewichtigste Argument für den Veganismus, die Tierethik, prallt allerdings an vielen Menschen spurlos ab, da sich eine irritierende Geringschätzung der Ethik durch unsere Gesellschaft zieht. Der Vegankritiker und »Don’t go Veggie«-Autor Udo Pollmer sagte dazu beispielsweise: »Der entscheidende Punkt ist eigentlich der, dass man [als Veganer] gar nicht auf sachliche Argumente eingeht, sondern ständig religiöse oder sogenannte moralische Aspekte in den Vordergrund stellt. […] ich kann die Moral immer vorschieben, wenn ich keine Argumente mehr für meine Position habe. Und deshalb steht das moralische Argument […] bei den Veganern und bei Teilen der Vegetarier im Vordergrund.«42 Die falsche Unterstellung, dass der Veganismus eine Religion sei, wird im Rahmen des Kapitels 27 noch im Detail besprochen. Für Udo Pollmer gibt es abseits des moralischen Aspekts keine belastbaren Argumente für den Veganismus (womit er grundsätzlich recht hat), er versucht jedoch, das bedeutende tierethische Argument mit einem Nebensatz abzuhaken, und verhält sich so, als wären die ethischen Grundpfeiler des Veganismus lediglich irrationale Vorwände, um die quasireligiösen Vorstellungen vegan lebender Menschen rechtfertigen zu können.

Diese offen zur Schau gestellte Gleichgültigkeit gegenüber moralischen Argumenten ist schon allein deswegen als irritierend zu bezeichnen, da unsere Gesellschaft grundsätzlich von moralischen Werten abhängt. Wir fordern von Politik und Wirtschaft, dass sie sich moralisch verhalten sollen; unsere Gesetze fußen auf einem moralischen Fundament, unsere Institutionen ziehen regelmäßig Ethikkommissionen zur Beratung heran usw. Unser ganzes Leben wäre in der gegenwärtigen Form nicht ohne moralische Werte denkbar und wir verdanken ihnen vieles.

Abgesehen davon, dass die schulische Ausbildung häufig keine grundlegende Einführung in Moral und Ethik bietet, dürfte noch ein anderer Grund eine wesentliche Ursache für die Geringschätzung des Wissenschaftsbereichs der Ethik darstellen. Und zwar handelt sich bei der Ethik nicht um eine Naturwissenschaft wie die Physik, die Chemie oder die Biologie – ethische Positionen seien »rein subjektiv«, nur »menschengemacht«, willkürlich »erfunden« und demnach auch nicht verpflichtend, heißt es etwa seitens Kritikern wie Udo Pollmer. Derartige Einwände offenbaren im Zusammenspiel mit der Regelmäßigkeit, mit der sie einem begegnen, einen fundamentalen Bildungsmissstand in unserer Gesellschaft. Es ist selbstverständlich vollkommen richtig, dass Werte nicht wie Steine oder Bäume existieren, aber damit ist noch nichts über ihre fehlende Notwendigkeit oder Beliebigkeit gesagt.

Wie selbstverständlich wir uns auf Außernaturwissenschaftliches stützen und dies als äußerst wichtig empfinden, lässt sich schon an den Naturwissenschaften selbst aufzeigen. Naturwissenschaften können an und für sich nur Erkenntnisse gewinnen, sie können jedoch keine Aussage treffen, was wir mit diesen Erkenntnissen anfangen sollen. Eine reine Naturwissenschaft wäre folglich funktionslos und würde nur zweckloses Wissen anhäufen. Naturwissenschaftliche Forschung stellt aber keinen Selbstzweck dar, sondern sie verfolgt, wo sie nicht nur etwa der Befriedigung der Neugier dient, ein Ziel, das selbst nicht naturwissenschaftlich begründet werden kann. Auch die Art und Weise, wie Naturwissenschaft betrieben wird, lässt sich nicht aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten. Sie ergibt sich aus dem nicht naturwissenschaftlich gewonnenen Wunsch, zuverlässige und intersubjektiv nachvollziehbare Ergebnisse zu produzieren.

Um sich dem damit aufgeworfenen Problem anzunähern, ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass wir in der Wissenschaft zwei Formen von Sätzen begegnen: deskriptiven und normativen Sätzen. Bei deskriptiven, also beschreibenden Sätzen, handelt es sich um Sätze, die das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Sachverhaltes aussagen. Es sind wahrheitsfähige Beschreibungen, die folglich mit naturwissenschaftlichen Mitteln überprüft werden und sich als zutreffend oder unzutreffend erweisen können. Normative Sätze sind hingegen Sätze, die auf Handlungen oder Handlungsunterlassungen abzielen. Normative Sätze können daher nicht wie deskriptive Sätze einfach als wahr oder falsch gelten, sondern sie können nur im Hinblick auf einen gesetzten Zweck zielführend oder eben nicht zielführend sein. Die normative Aussage, dass Druckerpapier 29,7 cm mal 21 cm (DIN A4) groß sein sollte, lässt sich nicht rein naturwissenschaftlich bestätigen. Sie kann sich nur als sinnvoll erweisen, wenn hier ein Drucker benutzt wird, der auf dieses Papierformat ausgelegt ist.

Sobald eine naturwissenschaftliche Forschung ein Ziel verfolgt – zum Beispiel die Entwicklung eines Medikaments –, stützt sie sich unweigerlich auf Normen, die ihrerseits nicht rein »objektiv« begründet werden können. In Diskussionen kann daher stets darauf verwiesen werden, dass eine Abwertung von normativen Sätzen nicht nur die Ethik, sondern letztlich die gesamte Wissenschaft betrifft. Darüber hinaus müsste ein Gegenüber, das diese Abwehrstrategie verwenden möchte, dazu bereit sein, beispielsweise auch die Rechtswissenschaft oder die Logik zu entwerten. Die (Grund-)Rechte, deren Verletzung sicher nicht gewünscht wird, existieren schließlich genauso wenig wie Steine oder Bäume.

Obgleich die Ethik umfassend von beschreibenden (deskriptiven) Sätzen Gebrauch macht, geht es ihr um normative, also um handlungsleitende Sätze. Wer sich mit ihr kritisch auseinandersetzen will, greift zu kurz dabei, die Ethik einfach nur aufgrund ihres normativen Charakters zu verwerfen, denn damit wird unbedacht ausgeblendet, in welchem Umfang unser Wohlergehen von Normen abhängt und dass auch die Naturwissenschaften ohne Normatives nutzlos blieben. Die Frage ist, welches Ziel eine ethische Position verfolgt und ob ihre Mittel zur Erreichung angemessen sind. Doch bevor genauer dargestellt wird, was die tierethischen Hintergründe des Veganismus sind, muss geklärt werden, was die Ethik überhaupt ist und wo die Unterschiede zwischen Moral und Ethik liegen.

Vegan ist Unsinn!

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