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Die Goldene Regel in der Formulierung Leonard Nelsons

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Die Goldene Regel in all ihren Varianten darf wohl als der bekannteste ethische Grundsatz der Welt bezeichnet werden. Im deutschsprachigen Raum sind besonders diese beiden Formulierungen geläufig:

Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.

Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.

Diese zwei in der Alltagsmoral oft unkritisch herangezogenen Versionen weisen jedoch einen – durchaus schwerwiegenden – Mangel auf: Sie machen die eigenen Präferenzen zum Maßstab und fordern dazu auf, diese einfach auf eine andere Person zu übertragen. Nach dieser Logik müsste es für Masochist*innen ethisch vertretbar sein, Sexualpartner*innen ohne eine zuvor eingeholte Einwilligung zu schlagen oder zu demütigen.

Der Philosoph Leonard Nelson hat dieses Problem bereits 1917 in seinem Werk »Kritik der praktischen Vernunft« berücksichtigt und eine eigene Goldene Regel als »Abwägungsprinzip« formuliert. Sie lautet:

»Handle nie so, dass du nicht auch in deine Handlungsweise einwilligen könntest, wenn die Interessen der von ihr Betroffenen auch deine eigenen wären.«50

Mit dieser etwas sperrigen Variante wollte Nelson darauf hinweisen, dass es zwingend erforderlich ist, sich aufrichtig um die Einschätzung zu bemühen, was denn die von der Handlung betroffene Person (Nelson bezeichnet auch Tiere als Personen) will oder nicht will. Auf der Basis dieser – nie gänzlich sicheren – Einschätzung soll dann versucht werden, die eigenen und die fremden Interessen gerecht abzuwägen. Um der Gefahr der Voreingenommenheit für die eigene Sache entgegenzuwirken, sollen die fremden Interessen zusätzlich als die eigenen Interessen betrachtet werden. Zwei Beispiele können verdeutlichen, wie Nelson sich diesen Vorgang vorgestellt hat:

Beispiel 1: Wenn es zu entscheiden gilt, ob einem Hund ein günstigerer einfarbiger oder ein teurer gemusterter Keramikwassernapf gekauft werden soll, sind von der Entscheidung nach Nelson zwei Parteien betroffen. Hundebesitzer*innen haben (zumindest in vielen Fällen) das Interesse, einen preiswerten Wassernapf zu kaufen, der nicht unnötig teuer sein muss, sodass sie eine Präferenz für den günstigeren Napf haben. Der Versuch sich in die Hunde hineinzuversetzen, führt schnell zu einem Ergebnis: Ihnen ist es (aller Wahrscheinlichkeit nach) völlig egal, wie ihr Napf aussieht. Die Hundehalter*innen können nun beide »Haltungen« (den Wunsch, Geld zu sparen, und die vermutete Gleichgültigkeit der Hunde hinsichtlich der Beschaffenheit des Napfes) gedanklich abwägen. Sie können also den günstigeren Napf kaufen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Beispiel 2: Eine Frau beobachtet, wie einem Mann vor ihr beim Gehen ein 50-Euro-Geldschein herunterfällt, ohne dass er es merkt. Sie hebt ihn auf und überlegt, was sie nun machen soll. Ein Blick auf den Mann, der das Geld verloren hat, offenbart, dass sein Aussehen darauf schließen lässt, dass er in keiner glücklichen finanziellen Situation ist und er das Geld sehr dringend nötig hat – auch wenn sein Äußeres hier natürlich keine letztendliche Sicherheit geben kann. Sie versucht nun, auf dieser Basis festzustellen, welche Entscheidung die richtige ist. Sie denkt an ihre mäßige Freude, sich etwas Schönes quasi »kostenlos« kaufen zu können. Sie stellt sich aber auch vor, wie es wäre, in einer deutlich unglücklicheren finanziellen Lage zu sein, und wie sehr sich der sichtlich nicht wohlsituierte Mann ärgern wird, nun noch mehr sparen zu müssen. Der Vergleich führt sie rasch zu der Einsicht, dass sie lieber die Geldknappheit bei ihrem Gegenüber vermeiden möchte, als das Geld einzubehalten, und sie gibt dem Mann daher den Geldschein zurück.

Leonard Nelsons Modell für eine gerechte Abwägung wird gerade bei zunehmend komplexeren Entscheidungssituationen (mehr Faktoren, mehr Personen) stets mit Unsicherheiten verbunden sein. Aber Nelsons Goldene Regel kann sehr schnell offenlegen, wo unser Umgang mit Tieren zweifelsohne als ungerecht eingestuft werden muss. Wer seinen Gaumenkitzel beim Verzehr eines Stück Fleisches mit dem vergleicht, was ein Tier für gewöhnlich bis zum endgültigen Verlust des Bewusstseins durchleiden muss, wird im Rahmen einer redlichen Betrachtung des Sachverhaltes aus Gründen der Fairness den veganen Ersatz wählen.

Vegan ist Unsinn!

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