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2.1.2 Objektive und subjektive Sicherheit

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In den letzten Jahren sind neben den Gefahren und Schäden, die durch Kriminalität entstehen und drohen, die Wahrnehmungen von Sicherheit oder Unsicherheit in das Zentrum der öffentlichen Sicherheitsdebatten getreten. Mangelndes Sicherheitsgefühl oder Furcht vor Kriminalität kann nicht aus polizeilichen Daten herausgefiltert, sondern es muss gezielt erhoben werden. In der Kriminologie wird das Sicherheitsgefühl traditionell mit der »Standardfrage« erhoben. Sie lautet (in der Version des Deutschen Viktimisierungssurveys von 2017): »Wie sicher fühlen Sie sich – oder würden sich fühlen –, wenn Sie nach Einbruch der Dunkelheit alleine zu Fuß in Ihrer Wohngegend unterwegs sind oder wären?« (Birkel u.a. 2020, S. 46). Es ist offenkundig, dass mit dieser Operationalisierung nur ein Ausschnitt von Unsicherheitsgefühlen erfasst wird, der sich auf den öffentlichen Raum bezieht, und nicht ein Gefühl, sondern die (unterlassene) Handlung erfasst, die aus dem Gefühl folgt. Das ist die »konative« (= verhaltensbezogene) Ebene der Kriminalitätsfurcht. Daneben existiert eine kognitive Ebene (was weiß man über Kriminalitätsgefahren) und eine affektive Ebene (welche Gefühle löst dieses Wissen aus) (s. Boers 1993, S. 67). 2017 antworteten über 78 % der Befragten auf die Standardfrage mit »sehr sicher« oder »eher sicher«, nur 6,3 % antworteten mit »sehr unsicher« (Birkel u.a. 2020, S. 46). Die so gemessene Kriminalitätsfurcht ist ungleich in der Bevölkerung verteilt: Frauen fühlen sich deutlich unsicherer als Männer, Jüngere fühlen sich sicherer als Ältere und Einheimische fühlen sich sicherer als MigrantInnen (ebd., S. 48–50).

Die Ursachen mangelnden Sicherheitsgefühls sind umstritten. Denn: Welchen Anteil Persönlichkeitsmerkmale, Verletzlichkeit, Medienberichte, lokale Öffentlichkeiten, sozialräumliche Veränderungen, das Schwinden informeller Kontrollen oder soziale Wandlungsprozesse haben, ist umstritten (s. Hahne/Hempel/Pelzer 2020); diese Debatte kann hier jedoch nicht ausgebreitet werden. Entscheidend für die Polizei und Soziale Arbeit ist, dass sich alle darin einig sind, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der objektiven Kriminalität und der (subjektiven) Furcht vor Kriminalität gibt.

Wenn mangelndes Sicherheitsgefühl nicht auf die Kriminalitätslage zurückgeführt werden kann, dann sind die Chancen der Polizei, für mehr »subjektive Sicherheit« zu sorgen begrenzt. Sie muss sogar befürchten, dass ihre vermehrte Präsenz von Teilen der Bevölkerung als Indiz für eine besondere Gefahrenlage bewertet wird. Deshalb liegt es nahe, dass die Polizei nach Verbündeten in der Sicherheitsarbeit sucht, die eher in der Lage sind, jene subjektiven und sozialen Ursachen mangelnden Sicherheitsempfindens zu beeinflussen.

Soziale Arbeit und Polizei

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