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2.1.3 Reaktive und präventive Zielsetzungen

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In der herkömmlichen Verfassung ist die Polizei eine reagierende Instanz. Im liberalen Polizeirecht muss sie abwarten, bis eine Gefahr zu einer »konkreten« wird, d.h. die Dinge müssen sich im Einzelfall so weit entwickeln, dass der Schaden eintreten würde, wenn sie nicht eingreift. Sie reagiert damit auf eine Prognose, aber diese Prognose hat einen sehr engen zeitlichen und sachlichen Horizont. Im Bereich der Strafverfolgung ist der reaktive Charakter noch eindeutiger: Die strafbare Handlung (auch Vorbereitungshandlungen können strafbar sein) muss geschehen sein, erst danach setzt die Strafverfolgung ein.

Durch die Erweiterung des Gefahrenbegriffs wird dieser reaktive Handlungstypus durch einen präventiven ergänzt. Die »Vorsorge für die Gefahrenabwehr« und die »vorbeugende Bekämpfung von Straftaten« lösen das polizeiliche Handeln von unmittelbaren Anlässen ab (Gefahren oder Straftaten). Diese präventive Öffnung hat weitreichende Folgen für die Tätigkeit und das Selbstverständnis der Polizeien (zugleich war sie der rechtliche Niederschlag bereits in Wandlung befindlicher Praktiken); sie verändert das Verhältnis von Polizei und Gesellschaft und sie macht die Polizei zu einer Einrichtung, die Interesse an gesellschaftlichen Sachverhalten haben muss – und nicht nur an gefährlichen oder kriminalisierten.

Bereits die reaktive Polizei agierte in sozialen Bezügen. Die Abwehr von Gefahren und die Aufklärung von Straftaten ist umso erfolgreiche, je besser die Polizei Situationen und soziale Milieus kennt, je mehr Vertrauen oder Anerkennung sie bei den Menschen genießt. Durch die ›präventive Kehre‹ wird das polizeiliche Interesse an gesellschaftlichen Sachverhalten jedoch erheblich verstärkt. In den 1970er Jahren hat der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, die Vorstellung propagiert, die Polizei sei eine Einrichtung, die zur sozialen Sanierung der Gesellschaft beitragen könne, weil sie ein Erkenntnisprivileg habe: Da sie immer dann gerufen werde, wo anders nicht zu lösende Probleme entstehen, könne man aus dem polizeilichen Handlungsprofil die Notwendigkeiten politisch-sozialer Reformen herleiten (Herold 1980). Diese Auffassung hat sich in den Polizeien nicht durchgesetzt. Sie ist auch sachlich falsch. Denn die Polizei wird immer erst am Schluss einer Handlungskette gerufen. Die Herold’sche Sichtweise ist aber insofern von großer Bedeutung, weil ihr die Vorstellung zugrunde liegt, dass es soziale Sachverhalte sind, die polizeiliches Tätigwerden veranlassen. Deshalb muss eine moderne, aufgeklärte Polizei ihren Blick auf die sozialen Bedingungen richten, unter denen sich kriminalisiertes Verhalten entwickelt. Genauer: Die präventive Polizei richtet ihr Augenmerk auf das Vorgelagerte, das nicht kriminalisierte und das (noch) nicht gefährliche Vorfeld, auf die Formen des Zusammenlebens, der alltäglichen Lebensbewältigung und auf die soziale Problemlagen etc.

Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich die unmittelbare Verbindung zur Sozialen Arbeit. Denn welche andere Profession könnte mit besseren Argumenten behaupten, dass sie Kenntnis von und Zugang zu den Lebensweisen der Menschen hat? Und zwar genau jener Gruppen in der Gesellschaft, die als potenzielle TäterInnen oder mögliche Opfer besonders im polizeilichen Fokus stehen.

Soziale Arbeit und Polizei

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