Читать книгу Buchmalerei verstehen - Norbert Wolf - Страница 24

Die Malstoffe Farbpigmente

Оглавление

Die von den Miniatoren verwendeten Farbsubstanzen werfen in einzelnen Fällen bis heute offene Fragen auf. Besonders umstritten ist etwa der Nachweis, ob ein bestimmtes leuchtendes Blau mithilfe von Lapislazuli entstand, einem im Mittelalter immens teuren Halbedelstein, dessen kostbarste Variante aus Lagerstätten im afghanischen Himalajavorgebirge stammte und über die Seidenstraße auf die Märkte Europas gelangte.

Die Forschung hat über dreißig Farbmittel identifiziert, die in der Geschichte der Buchmalerei zum Einsatz kamen. Zu den elementarsten zählen die anorganischen Pigmente. Es handelt sich um die Erdfarben oder Erdpigmente. Anorganische Farben wurden indes auch in chemischen Verbindungen hergestellt, in der Regel Metallverbindungen. Zusätzlich stand den Buchkünstlern ein umfangreiches Spektrum organischer – tierischer wie pflanzlicher – Farbmittel zur Verfügung.

Zur Gruppe der roten Farbmittel zählen als wichtigste der rote Ocker, der durch Brennen des gelben Ockers erzeugt wird; dann der natürliche, in Spanien geförderte beziehungsweise der künstliche, aus Quecksilber und Schwefel hergestellte Zinnober; ferner Mennige, das durch Brennen von Bleiweiß entsteht; weiterhin der tief purpurrote Farbstoff Karmin, der aus der Kermesschildlaus gewonnen wurde; nicht zu vergessen der aus einer Wurzel herrührende Krapplack oder die aus Brasilholz (Rotholz) extrahierte Substanz, die seit dem 10. Jahrhundert (vor der Entdeckung der riesigen Wälder in Brasilien) aus Hinterindien, Ceylon und China nach Europa kam.

Die wichtigsten gelben Farbpigmente gewann man aus Ocker. Weiter gehören dazu das helle oder dunkle Schwefelgelb, das Bleigelb, der teure, aus den getrockneten Blütennarben des Safran gewonnene Farbstoff, ferner das warme satte Gelb aus dem Saft der Reseda, das hochgiftige Arsensulfid (im Altertum auripigmentum – „Goldfarbe“, im Mittelalter opperment genannt, dessen Oberfläche glimmerartige glitzernde Pünktchen enthält), schließlich noch gelbes Bleioxyd.

Die Grüntöne erzeugte man mittels Grüner Erde (terra verde), seltener mit dem leicht blaustichigen, hochpreisigen Malachit (durch Pulverisierung des gleichnamigen Edelsteins gewonnen), mit dem aus der Reaktion von Essig und Kupfer resultierenden Grünspan und einer Reihe entsprechender Pflanzensäfte.

Das am häufigsten verwendete weiße Pigment ist Bleiweiß. Schwarze Pigmente gewann man beim Verrußen und Verkohlen von Pflanzen oder von Elfenbein.

Ultramarin, Königin der Farben

Von besonderer Kostbarkeit waren die blauen Farbmittel, darunter das Azurit-Pigment aus einem zu Pulver vermahlenen Kupferlasurstein, der im Mittelalter in Italien, Spanien, Deutschland und England gefördert wurde; weiterhin die aus der orientalischen Indigopflanze oder aus dem nordeuropäischen Färberwaid extrahierten, relativ transparenten Blausubstanzen. Als Königin der Farben aber fungierte das natürliche Ultramarin, das man aus fein gemahlenem, gereinigtem Lapislazuli herstellte. Dieser, wie gesagt, wertvollste Stein kam aus den Bergwerken Afghanistans und begegnet eventuell schon in der insularen Buchmalerei um 800 und in den Jahrzehnten danach; allerdings ist die Forschungslage hier sehr prekär, denn das, was man lange Zeit für gemahlenen Lapislázuli gehalten hat, erweist sich neuerdings als die vermutlich durch ein Bindemittel verursachte kristalline Erscheinungsform eines organischen blauen Farbstoffs, Indigo oder Waid. Später ist Ultramarin häufiger nachzuweisen mit dem an Wertschätzung und Symbolkraft einzig der Purpur konkurrierte.

Als Bindemittel aller gebräuchlichen Farbsubstanzen dienten Fischleim Eikläre und Gummi, der zumeist aus dem Harz von Kirsch- oder Pflaumenbäumen durch Aufquellen gewonnen wurde. Seit dem späteren Mittelaltei wurden häufiger zwei oder sogar mehrere Farbzonen lasierend übereinander gelegt, eine Technik, aus der subtile koloristische und ästhetische Effekte resultierten.

Abschließend sei noch auf einen, künstlerisch allerdings bemerkenswerten, Sonderfall hingewiesen: Im späten italienischen Trecento verwendete Giovannino de’ Grassi eine Öllasur sowohl für Bordüren als auch 1 für Miniaturen; insbesondere sein stets anders leuchtendes Rotgold war und blieb in der Geschichte der abendländischen Buchkunst singulär.


Buchmalerei verstehen

Подняться наверх