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Gold und Silber

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Blattgold

Über Gold in der Buchmalerei unterrichtet ausführlich der bedeutendste mittelalterliche Malereitraktat, die erwähnte, um 1100 geschriebene Schedula des Theophilus Presbyter. In Kapitel XXII beschreibt der Autor die Herstellung von Blattgold durch das Hämmern von Goldblech zu hauchdünnen Blättchen. Mit einer Schere schnitt der Vergolder dann die der gewünschten Form entsprechenden Stücke aus, um, wie Theophilus schreibt, „die Kronen um die heiligen Häupter, die Stolen und Säume der Kleider und das Übrige“ zu schmücken. Um die Leuchtkraft des Goldes zu erhöhen, präparierte man das Pergament mit Kalk und „Gesso“ (in Wasser gelöster Gips), auf den man den „Bolus“ (rote Tonfarbe) auftrug. Dieser dichte Untergrund verleiht dem Blattgold, nachdem man es mithilfe eines Bindemittels wie Eiklar aufgelegt und mit einem Tierzahn oder einem Achat auf Hochglanz poliert hat, einen tiefen Schimmer.

Bei besonders wertvollen Bilderhandschriften wurde ein gewölbter Kreidegrund angelegt, der das mit einem Vergoldermesser aufgetragene kostbare Metall plastisch hervortreten lässt (Kissen- oder Polimentvergoldung). Goldtinte stellte man im Mörser her: Honig wurde mit Blattgold zerrieben und anschließend mit Eiklar oder Gummi angerieben und nach dem Trocknen poliert. Das gleiche Verfahren wurde auch für Silbertinte angewandt.

Muschelgold

Das sogenannte Pinselgold ist eine Goldfarbe: pulverisiertes Blattgold, meist mithilfe einer Pflanzengummilösung gebunden. Ab dem 13. und 14. Jahrhundert diente das Musivgold, ein Zinnsulfidpulver, als Ersatz. Der Künstler konnte durch den Einsatz des Musivgoldes einen weiteren, dunkelgoldenen Metallton erzielen. Da Pinselgold gerne in Muschelschalen aufbewahrt wurde oder auf die Innenseite von Muschelschalen gestrichen in den Handel kam, hieß und heißt es im Fachjargon auch „Muschelgold“.

Früh schon hat man die Goldgründe in sich strukturiert. Auf höchst elegante Weise taten dies beispielsweise die Künstler der um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Nordfrankreich oder England entstandenen Trinity-Apokalypse (Cambridge, Trinity College Library, Ms R. 16.2). Die im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts tätigen Illuminatoren der spätgotischen deutschen Ottheinrich-Bibel (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8010/1 und Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Hs. 28) belegen noch ausgeprägter, in welchem Um fang man sich nunmehr für die Musterung goldener Hintergründe zahlreicher Modeln, Punzen, Schablonen und Pressbrokate bediente, die als Marken-zeichen einer Werkstatt und ihrer von Generation zu Generation weitergegebenen Gepflogenheiten fungierten. Und im herrlichen Codex Gaston Phoebus – Das Buch der Jagd (Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms fr. 616) dekorierten die Illuminatoren um 1405–1410 die Goldgründe mithilfe ausgefeiltester Techniken, um deren Schmuckwirkung zu intensivieren. Diese Entwicklung verlief parallel auch in der Tafelmalerei und in der als Fassmalerei bezeichneten goldenen Fassung der Rahmen von Schnitzreta-beln.


Schon Goldschmiede vorgeschichtlicher Zeit gingen daran, Gold nicht nur gleichmäßig zu treiben, sondern auch mit Hammer und Meißel zu verzieren, also zu ziselieren. Ebenso wie der Terminus „punzieren“ ist im Mittelalter der Begriff „ziselieren“ aus dem Sprachgebrauch der Goldschmiede in den der Maltechniken übernommen worden, ohne die auffallenden instrumentellen Abweichungen zu berücksichtigen. Während nämlich der Goldschmied beim Ziselieren Silber- und Goldblech mithilfe stählerner Punzenstempel reliefartig vorwölbte oder mit Mustern strukturierte, arbeitete der Tafel- beziehungsweise Buchmaler ausschließlich mit dem Einpressen von Musterpunzen. Zusätzlich ergänzte er die vorgenommenen Punzierungen gerne mit feinen Linien oder Riffelungen, die er mithilfe der abgerundeten Spitze eines Silber- oder Messingstiftes in den noch nicht ganz erhärteten, polierten Goldgrund eindrückte (eine stumpfe Spitze deshalb, um das Blattmetall nicht aufzureißen). Diese Maßnahme als Gravierung zu bezeichnen, ist irreführend. Auch der Ausdruck „Ziselierung“ trifft die Sache strenggenommen nicht, da in der Malerei kein Span abhebendes Ziseliereisen (durch Hammerschläge vorwärts bewegt) verwendet wird. Das Eindrücken von Linien, anstelle des Linien ziehenden Spanabhebens, wird in der Goldschmiedekunst „trassieren“ genannt, was angesichts der entsprechenden Goldverzierung in der Buchmalerei treffender wäre als die gebräuchliche Bezeichnung der „Ziselierung“.

Das dekorative Hauptziel jeder durch Stempel oder anderweitige Muster hergestellten Punzierung respektive Trassierung (Ziselierung) besteht darin, die gleichmäßige Lichtreflexion der Metalloberfläche zu brechen; entweder stehen dann die Motive dunkel in glänzenden Gold- oder Silbergründen, oder aber sie glitzern hell aus nicht reflektierenden dunklen Metallflächen heraus. Die Tiefe der Stempeleindrücke vermag zusätzlich die Illusion zu steigern, die Goldgründe bestünden aus massivem Metall und nicht nur aus hauchdünnen Blättchen. Im Medium der Buchmalerei sind die Effekte dieser Bearbeitungsmethoden besonders häufig in ungebrochener Reinheit und Schönheit erhalten geblieben.

Der unergründliche, wie von innen kommende Glanz des Goldes trug von jeher zur Aura dieses Edelmetalls bei, erhob es über allen ökonomischen Wert hinaus (welcher dem Gold auch seinen negativen, verführerischen Aspekt verleihen konnte) zum Bedeutungsträger irdischen Glücks wie transzendenter Vollkommenheit, zum namengebenden Stoff eines jeden „Goldenen Zeitalters“. Das Mittelalter hing, wie auch zahlreiche Quellentexte belegen, der Vorstellung vom Gold als materialisiertem Licht sowie als Träger spiritueller Kraft an.

Salzburger Perikopebuch

Illuminare bedeutet „mit Licht tränken“, „Glanz verleihen“. Das Wort charakterisierte somit Gold und Silber als die vornehmste Auszeichnung einer Handschrift. Auch Silber fungierte als Lichtreflektor. Das verdeutlichen zum Beispiel die entsprechende Effekte zeitigenden Zierbuchstaben der ottonischen und der auf sie folgenden salischen Epoche in Deutschland oder auch die Heiligenscheine in dem Bild mit der Hochzeit zu Kana, fol. 17r in dem wunderbaren Salzburger Perikopenbuch aus den Jahren um 1020 (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 15.713). Dennoch beanspruchte die Ästhetik des Goldes unangefochten den Vorrang. Deshalb schmückten zwischen dem 10. und dem 14. Jahrhundert die Buchkünstler aus Byzanz und Europa den Hintergrund ausgezeichneter Miniaturen und Initialen mit glänzendem Gold, das durch seine Lichtwirkung die Erscheinung eines überirdischen, göttlichen Ortes signalisieren sollte.

Aachener Schatzkammerinventar

In der westlichen Buchmalerei ist der Goldgrund erstmals konsequent um 990, im Aachener Schatzkammerinventar (Evangeliar Ottos III.) (Aachen, Domschatzkammer), eingesetzt, das heißt in Miniaturen, die wahrscheinlich, wie die neuere Forschung annimmt, in der Klosterschule der Insel Reichenau entstanden. Der Überlieferung zufolge wurde der Codex von Kaiser Otto III. dem Aachener Krönungsstift geschenkt. Jahrhundertelang diente er als Schwur-evangeliar für die deutschen Könige in ihrer Eigenschaft als Kanoniker eben dieses Stiftes.

Ein kräftiger Purpurrahmen umzieht den Goldgrund der zu dem einleitenden Widmungs-„Diptychon“ gehörenden Apotheose Ottos III. Der Kaiser sitzt, umfangen von einer ansonsten Christusbildern vorbehaltenen Mandorla (einem mandelförmigen Glorienschein), in antikisierender Kleidung auf einer Thronbank. Sie scheint zu schweben, obwohl sie von der weiblichen Personifikation der Erde getragen ist. Vom Himmel herab senkt sich die Hand Gottes und berührt das Diadem auf dem Haupt des jugendlichen Kaisers. Die Aureolen (Glorienscheine) um die Gotteshand und die Kaiserfigur überschneiden sich, und präzise in dem dadurch abgegrenzten Segment ist das kaiserliche Antlitz platziert. Oben erscheinen die vier Evangelistensymbole. Links und rechts vom Thronschemel, außerhalb der Mandorla und nicht wie der Kaiser in die Himmelssphäre hineinragend, stehen zwei Könige in ehrerbietiger Haltung, vermutlich als Vertreter der Vasallenreiche. In der unteren Zone sind vier hohe weltliche und geistliche Würdenträger des Reiches platziert. Der Kaiser wird in dieser Miniatur auf einzigartige Weise verklärt, anders als die übrigen irdischen Mächte ist er Gott nahe: Er erscheint als Stellvertreter Christi. Deshalb umfängt ihn die Mandorla, deshalb umringen ihn die Tiersymbole der Evangelisten, die eigentlich nur der Majestas Domini, dem thronenden Christus, zukommen. Und all das ist vor schimmerndem Goldgrund inszeniert, der das Bild ins Transzendente hebt.

Nach dem 14. Jahrhundert, als die Buchmalerei sich mehr und mehr an mimetischen (auf Naturnachahmung ausgerichteten) Darstellungszielen orientierte, verschwand das Gold zwar keineswegs aus den Codices, aber es wurde, meist als Pinselgold, vornehmlich für Glanzlichter eingesetzt. Auf diese Weise „naturalisiert“ diente es nur noch der modellierenden zeichnerischen „Höhung“ eines Motivs, nicht mehr dessen Auratisierung.

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