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12 Das Laguiole

Sinnbild für elegante Schärfe

Mythenumrankt und »everybody’s darling« – das französische Laguiole übt seit rund 170 Jahren einen ganz besonderen Reiz aus. Um seine Entstehung und Formgebung entstanden im Lauf der Zeit zahlreiche Legenden, denen der französische Autor und Historiker Christian Lemasson in akribischer Forschungsarbeit auf die Spur gegangen ist. Seine Erkenntnisse zeichnen ein neues, aber nicht weniger faszinierendes Bild.


Für die tägliche Arbeit

Wie praktisch alle Messer der damaligen Zeit war auch das ursprüngliche Laguiole ein Schneidwerkzeug für die tägliche Arbeit auf dem Land. Seine Käufer waren Viehzüchter, Bauern, Winzer und fahrende Händler, die mit Wein und Kohle aus der Aubrac- und der Auvergne-Region bis nach Spanien Handel trieben.


Authentischer Ansatz: drei ausgezeichnete Laguiole-Modelle von PassionFrance in historischer Ausführung und ein Laguiole en Aubrac mit Damastklinge (unten)


Rückenansichten: fein gearbeitete Rückenfedern, zweimal mit figürlicher Mouche und einmal linsenförmig; Messer von PassionFrance

Mythencheck

• Oft wird behauptet, dass sich das Laguiole aus dem Capuchadou, dem in der Region einst verbreiteten feststehenden Dolch, und dem spanischen Navaja entwickelt habe. Doch das ist aufgrund der konstruktiven Unterschiede mehr als unwahrscheinlich. Vielmehr hat sich das Laguiole aus bereits bestehenden französischen Messern wie dem Yssingeaux entwickelt.

• »Mouche« bedeutet Fliege. Doch mit einer rein schmückenden Fliege, zu der sie später tatsächlich überwiegend geformt wurde, hatte die ursprünglich linsenförmige Verbreiterung der Rückenfeder zunächst nichts zu tun. Sie war konstruktiv notwendig als Bestandteil eines alten Verriegelungsmechanismus, bei dem man das Ressort (die Rückenfeder) mit den Fingern an der Mouche anheben muss, um die Arretierung der Klinge zu lösen. Vielleicht hielten die Schmiede aus dekorativen Gründen daran fest. Zunächst wurde die Mouche, vor allem für zahlungskräftigere Kunden, figürlich geformt, etwa zu Blumen oder Kreuzen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

• Bereits auf alten Messern finden sich verschiedene Formen der »pointillage«, einer Verzierung mit Metallstiftchen rund um den mittleren Niet. Die Muster waren rautenförmig, rund oder oval und könnten einen Rosenkranz symbolisiert haben. Das Hirtenkreuz, zu dem die Hirten angeblich schon im 19. Jahrhundert nachts auf der Weide gebetet haben sollen, taucht erst seit dem Zweiten Weltkrieg auf.

Das erste, um 1850 im gleichnamigen Dorf entstandene Laguiole hatte noch einen geraden Griff. Deshalb werden sie heutzutage auch als Laguiole-Droit (dt.: gerade) bezeichnet. Die Klinge hatte eine Bourbonnaise-Form mit gestreckter und salbeiblattförmiger Kontur und nach vorne gerichteter Spitze. Die typische geschwungene Yatagan-Klingenform, die das Laguiole heute auszeichnet, entwickelte sich erst um 1860. Ein entscheidendes Merkmal zeigten jedoch bereits diese ersten Laguiole-Droit-Modelle: die mouche, eine linsenförmige Verbreiterung am Ende der Rückenfeder.


Elegantes Detail: der angefaste Rücken einer Laguiole-Klinge

Dieses Laguiole ist das erste Messer, das eigenständig in Laguiole entstand und dementsprechend benannt wurde. Es ist das erste und ursprüngliche Laguiole, aus dem sich im Lauf der folgenden Generationen die heute bekannten Varianten entwickelten, deren Eleganz sich kaum jemand entziehen kann.

Trifft man sich in Frankreich zum casse-croûte, der typisch französischen Brotzeit, wird erst mal in den Taschen gekramt und gefachsimpelt. Worüber? Über das Laguiole natürlich. Mit oder ohne Korkenzieher, der Griff aus Horn oder Buchsbaum, die Klinge aus rostbeständigem Stahl oder doch aus nicht-rostfreiem Kohlenstoffstahl, deren Patina bald vom alltäglichen Gebrauch des Messers zeugen wird? C’est votre décision. Nur eines ist klar: Ohne Laguiole geht es nicht.

Einfach und effektiv

Der Dorn und der deutlich später auftauchende Korkenzieher sind die klassischen Zusatzwerkzeuge an einem Laguiole. Der Dorn war und ist ein essenzielles Werkzeug zur Reparatur von ledernem Zaumzeug. Den Weinhändlern diente er zum Öffnen der Lederschläuche, in denen der Wein der Auvergne zunächst transportiert wurde. Und der Korkenzieher? Wo man sich Brot, Wein und Käse teilte, benötigte man mit dem Aufkommen der Glasflaschen eben auch einen Korkenzieher. C’est si simple.

Handbuch Messer: 101 Dinge, die Sie schon immer über Messer wissen wollten.

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