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3 Auf die harte Tour

Vom Stein zum Stahl


Treffend: von der Steinknolle zum multifunktionalen EDC – die Evolution des Messers aus Sicht des Schweizer Taschenmesser-Herstellers Victorinox

Von den ersten Steinwerkzeugen bis zu den heutigen Messern sind weit über drei Millionen Jahre vergangen. Den größten Teil davon waren diese tatsächlich aus Stein. Erst mit der Metallgewinnung vor rund 7000 Jahren änderte sich das – wenn auch langsam. Die Entdeckung und Nutzbarmachung von Kupfer, später Bronze und noch einmal 1500 Jahre später auch von Eisen war entscheidend für die Entwicklung der modernen Welt, in der wir heute leben.

Als im 7. vorchristlichen Jahrtausend in Mitteleuropa die Neolithische Revolution begann und aus Jägern und Sammlern Bauern und Hirten wurden, änderten sich die Lebensumstände drastisch. Die Menschen der Jungsteinzeit wohnten nun in bis zu 50 Meter langen Langhäusern zusammen. Doch auch das dafür notwendige Bauholz fällten und bearbeiteten die Menschen von damals überwiegend mit fein ausgearbeiteten Beilklingen aus mikrokristallinen Feuersteinarten. Diese wurden noch bis weit in die Bronzezeit (in Mitteleuropa etwa 2200–800 v. Chr.) hinein benutzt, auch wenn Bronze als Material zur Herstellung von schneidenden und hackenden Werkzeugen deutlich besser geeignet war. Denn Bronze ist sehr bruchfest, lässt sich einfach überarbeiten und schleifen und kann immer wieder eingeschmolzen werden. Sie wurde zu Waffen, Werkzeugen und Schmuck geformt und über Tausende Kilometer gehandelt. Skandinavien etwa wurde bereits vor 4000 Jahren mit Metall von den Britischen Inseln und aus Mitteleuropa versorgt. Von den östlichen Alpen und dem slowakischen Erzgebirge aus wurde das Metall an die Küste des heutigen Mecklenburg transportiert und von dort über die Ostsee verschifft. Die Skandinavier bezahlten das Metall vermutlich mit Bernstein und fertigten daraus Axtköpfe und andere Gebrauchsgegenstände. Erst die Verbindung von Kupfer und Zinn, etwa im Verhältnis 9:1, lässt Bronze entstehen. Es ist also eine menschengemachte Verbindung. Doch was brachte die Menschen dazu, unscheinbares Gestein so hoch zu erhitzen, dass Kupfer und Zinn ausgeschmolzen wurden? Warum brachten sie die beiden Metalle in einem bestimmten Mischungsverhältnis zusammen und entwickelten so die ungleich härtere Bronze? Das Ganze grenzt an ein Wunder.


Wundermaterial Eisen

Noch faszinierender ist die Nutzbarmachung des Eisens. Auch wenn unser Erdkern zum größten Teil daraus besteht, und sich in oberflächennahen Bereichen vielerorts Eisenerze (eisenhaltiges Gestein) finden lassen, ist die Gewinnung anspruchsvoll. In Mitteleuropa gelang dies erst ab dem 8. Jahrhundert vor Christus. In hocheffizienten Öfen erhitzten sie die Eisenerze mithilfe von Holzkohle so stark, dass eine sogenannte Eisenluppe entstand. Aus diesen schwammartigen, kohlenstoffhaltigen Eisenklumpen konnten fachkundige Schmiede hochwertigen Stahl gewinnen.

Eisen und dann Stahl machten Werkzeuge von bis dahin unbekannter Festigkeit und Schärfe möglich. Auch unsere moderne Welt wäre ohne Stahl undenkbar. Er ist die Grundlage fast all unserer Maschinen, Werkzeuge und Fortbewegungsmittel und stützt unsere höchsten Gebäude. Bei der Herstellung von Messerklingen führt sowieso kein Weg an Stahl vorbei. Um scharfe Klingen herzustellen, die selbst bei feinstem Ausschliff von Millimeterbruchteilen so stabil bleiben, dass man mit ihnen nicht nur Obst, Gemüse und Fleisch schneiden kann, sondern auch Harthölzer, Kunststoffe oder fasrige Materialien wie Karton oder Sisalseile, gibt es kein geeigneteres Material.

Steinzeit oder Holzzeit?

Der bislang längste Teil der Menschheitsgeschichte wird Steinzeit genannt. Und natürlich bearbeiteten die frühen Menschen Steine zu Klingen, zu Pfeilspitzen, Schabern, Bohrern oder Axtköpfen. Diese Steinwerkzeuge waren essenziell und man brauchte sie zur Bearbeitung von Holz, für die Jagd, zum Roden von Wäldern oder um sie unfreundlich gesonnenen Zeitgenossen über den Kopf zu hauen. Die Mehrzahl der Gerätschaften jedoch bestand damals aus Holz, Knochen und Geweihen, Leder, Pflanzenfasern und Keramik. Doch diese Materialien wurden nicht so beständig konserviert, weshalb sie lange Zeit vernachlässigt wurden. Würde es nach dem realen Bild gehen, müsste die Steinzeit eigentlich Holzzeit heißen.

Rauch über schwindenden Wäldern

Ab dem Mittelalter wurde der Bedarf an Eisen – es wurde für Werkzeuge, Rüstungen und Waffen benötigt – so hoch, dass zur Gewinnung der fürs Schmelzen notwendigen Holzkohle ganze Landstriche gerodet wurden. Denn aus 100 Kilogramm Hartholz können nur circa 30 Kilogramm Holzkohle gewonnen werden. Und so rauchten überall im Land die Kohlenmeiler.

Bis ins 13. Jahrhundert hinein waren die Rennöfen (neben der Eisenluppe entstand auch rinnende, abfließende Schlacke; daher der Name) der einzige Weg zur Stahlgewinnung. In den letzten Jahren entdecken viele Schmiede das alte Verfahren neu – es ist zwar extrem aufwendig, doch es hat seinen ganz eigenen Reiz, ein Stahlwerkzeug zu besitzen, dessen Entstehung so ursprünglich ist.

Heute stammt das Eisenerz meist aus Brasilien oder China. Mit der Eisenbahn und mit Frachtschiffen wird das Eisenerz zu den Stahlwerken gebracht, die überall auf der Welt verteilt sind. Nicht nur in Deutschland dürfte Thyssenkrupp den meisten ein Begriff sein. Besonders für die Produktion von Messer- und Werkzeugstählen sind auch Böhler-Uddeholm (Österreich und Schweden), Crucible (USA) oder Sandvik (Schweden) bekannt. In den Hochöfen wird das Eisenerz zunächst in Roheisen umgewandelt und durch die Beimengung von Legierungsbestandteilen bei Temperaturen von über 2000 Grad Celsius in Stahlschmelze umgewandelt. Doch Stahl ist nicht gleich Stahl. Um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es Hunderte unterschiedlicher Stahlsorten. Die wichtigsten Messerstähle stellen wir in Kapitel 41 vor.


Komponiert: Allein für Messerklingen gibt es Hunderte geeigneter Stahllegierungen, deren jeweilige Zusammensetzung exakt gesteuert wird.

Handbuch Messer: 101 Dinge, die Sie schon immer über Messer wissen wollten.

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