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Tränen beim ersten Foto-Termin

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Noch gewaltiger ist der Blick vom Krepelschrofen. Der Krepelschrofen ist ein kleiner Buckel gleich im Norden von Wallgau, 1160 Meter hoch, kein Hausberg, eher ein Haushügel. Da hinauf geht ein gemütlicher Wanderweg, von oben sieht man die Häuser, die Höfe, die Kirche von Wallgau. Real existierender Postkartenkitsch, wie er idyllischer nicht sein kann. Von hier aus betrachtet wirkt der Ort noch verwurzelter in das oberbayerische Erdreich als eh schon, und wer dann länger dort oben steht und nachdenkt, könnte meinen, dass es Wallgau vermutlich schon seit Anbeginn der Zeit gab, seit der Schöpfung der Welt, und dass das Dorf dem lieben Gott so gut gefiel, dass er daraufhin als passend schöne Kulisse ringsherum die Berge auftürmte, die saftig grünen Wiesen ausbreitete und einen kleinen Graben für das Rinnsal Isar aushob.

Damals jedenfalls, nach der Öffnung der Grenzen und der Wiedervereinigung, blühte der Tourismus auf in dem kleinen Dorf, und deswegen wollte die Gemeinde auch ihren eigenen Werbeprospekt erneuern. Mit Bildern vom Ort, von den Menschen und mit Bildern von Kindern in Tracht. Dabei kamen sie auch auf die kleine Magdalena von der Familie Neuner.

In Wallgau kannte man die Neuners, aber in Wallgau kannten sich eh alle, das tun sie auch heute noch. 1400 Einwohner, eine enge Dorfgemeinschaft, fast jeder irgendwo aktiv, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr oder im Schützenverein, bei der Blaskapelle oder den Trachtlern, und manche auch überall. Wie heute noch lebten die Neuners auch damals schon in ihrem alleinstehenden Haus abseits der Hauptstraße Richtung Mittenwald, und weil die Lena in Wallgau schon aufgefallen war, weil sie immer so aufgeweckt und fröhlich war, dachten sie sich bei der Gemeinde, das würde ihr doch sicher Spaß machen, so ein Fototermin im Dirndl mit vier anderen Kindern.

Dachten sie.

Denn als es dann soweit war, wurde es der vierjährigen Magdalena zu viel. »Sie hat richtig herzzerreißend angefangen zu weinen«, sagt Zahler im Rückblick, »man hat das Gefühl gehabt, sie hatte richtig Angst.« Schließlich klappte es doch noch, saß die Lena in schöner Tracht auf der Wiese, der Fotograf war glücklich, der Prospektgestalter auch, nur bei genauem Hinsehen fällt dann auch heute noch auf, dass es eher ein verkrampftes Lächeln war bei Magdalena, richtig fröhlich wirkte sie nicht. Wenn keiner hinschaute, keine Kamera da war und kein Fotograf, dann lächelte die junge Magdalena Neuner oft. Ganz natürlich. Ganz normal.

Normal, das ist ein Begriff, den man oft hört, wenn man alte Bekannte der Neuners danach fragt, wie die Magdalena denn aufgewachsen sei.

Auch der 9. Februar 1987 war ja eigentlich ein normaler Tag. Auf der Welt passierten Dinge, die auch an anderen Tagen und in anderen Jahren passieren, in Beirut explodierte eine Bombe, über Afghanistan wurde ein Transportflugzeug abgeschossen, und in der deutschen Regierung stritt sich schwarz-gelb über eine neue Steuerreform. Nur dass die bundesdeutsche Hauptstadt damals noch Bonn hieß und nicht Berlin.

Das einzige bedeutsame Polit-Ereignis an jenem Tag war der Zusammenbruch der Koalition in Hessen. Es gab Streit um die Genehmigung für die Hanauer Nuklearbehörde Nukem, und als Umweltminister Joschka Fischer von Ministerpräsident Holger Börner seine Entlassungspapiere entgegennahm, war das erste rot-grüne Regierungsprojekt auf Landesebene gescheitert. Fischer sollte dennoch noch eine große Zukunft vor sich haben.

Wie das Baby, das an jenem Tag im Krankenhaus von Garmisch-Partenkirchen auf die Welt kam. Magdalena war das zweite Kind von Paul und Margit Neuner, der dreijährige Paul junior war schon da, 1992 kam dann noch der Christoph, 1994 die Anna.

Vier Kinder, und auch sonst eine große Familie, weit verzweigt, mit vielen Geschwistern, Onkeln, Tanten und Cousins, mit manchen hatte sie weniger Zeit verbracht, mit manchen mehr und mit einem ganz viel. Mit Albert Neuner.

Albert Neuner lebt ganz im Osten von Wallgau, im letzten Haus, im Bauernhof seiner Eltern, da wo er groß wurde. Albert Neuner ist ein Vetter von Magdalena, und als Magdalena Neuner 2007 in Baden-Baden zur »Sportlerin des Jahres« gekürt wurde, kam er als Ehrengast auf die Bühne und überreichte ihr die Trophäe. Damals ging es auch um den Verwandtschaftsgrad, und als die Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein nachfragte, wie die beiden familiär zusammenhängen, meinte Magdalena Neuner, dass das etwas kompliziert sei: »Eine Oma von mir ist die Schwester von seinem Vater, die andere Oma von mir die Schwester seiner Mutter, aber meine Eltern sind natürlich nicht verwandt.« Das kann man verstehen, muss man aber nicht, wer aber etwas davon verstehen will, wie die Lena so als Kind war, der spricht am besten mit ihm, mit Albert Neuner.

Danke Lena

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