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»… oder Du bist der Depp«

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Und Magdalena Neuner wusste ja nur zu gut, dass ihre wohl größte Chance auf einen Titel bei dieser Heim-WM unmittelbar bevorstand. Von den acht Sprintrennen des Winters hatte die Wallgauerin bis dahin atemberaubende sechs gewonnen. Selten hatte eine Athletin eine einzelne Disziplin derart deutlich dominiert. In Ruhpolding allerdings schwebte nun ein kleiner Unsicherheitsfaktor über Neuners Spezialdisziplin: Das milde Wetter. Nicht wenige hatten den späten WMZeitpunkt kritisiert. Stephane Bouthiaux, Frankreichs Männertrainer und damit Coach des neuen Überfliegers Martin Fourcade, reihte sich in den Kreis der Kritiker ein. »Ich habe absolut kein Verständnis für die IBU«, wetterte der Franzose in Richtung Weltverband, »wie kann ich im März eine WM in Mitteleuropa machen. Faire Wettbewerbe sind so unmöglich.« Bouthiaux` Ahnung: Die angegriffene Spur werde sich im Verlauf eines Rennens derart verschlechtern, dass Athleten mit höherer Startnummer chancenlos sind. Wolfgang Pichler, der knorrige Ruhpoldinger, der seit Sommer die Geschicke von Russlands Frauen lenkte, hatte derweil eine ganz andere Befürchtung. Was wäre, wenn der Nachmittagsschatten unter dem Zirmberg die Temperaturen vielleicht doch wieder in den Bereich des Gefrierpunkts absinken lässt? Wären auf einer vereisenden Strecke nicht Läufer mit höherer Startnummer im Vorteil? »Du kannst hier die richtige Karte ziehen oder du bist der Depp«, befand er ziemlich lapidar.

Beim Sprint der Frauen schlossen sich die großen Verbände dann doch der französischen Ahnung an. Die Favoritinnen ließen sich allesamt im Vorderfeld eingruppieren. Am spätesten noch Magdalena Neuner, deren Nummer 29 sich allerdings als echter Vorteil erwies: Sie hatte auf der Schleife, die die Veranstalter sogar mit Brezensalz gepflegt hatten, im Blick, wie es ihren Konkurrentinnen erging. Und so wusste sie auch vom kleinen Missgeschick von Darja Domratschewa, ihrer großen Widersacherin dieser Weltcup-Saison. Die Weißrussin hatte sich am Schießstand zwar keinen Fehler erlaubt, aber sie hatte Probleme mit ihrer Waffe, die sie wertvolle Sekunden gekostet hatten. Der Schützling des deutschen Trainerfuchses Klaus Siebert war über die Saison hinweg die einzige Läuferin gewesen, die Neuner auch in der Spur in schwere Bedrängnis bringen konnte. Nach ihrem Patzer war klar: Mit zwei Mal »Null« wäre der Weg zum Weltmeistertitel frei. Und Magdalena Neuner tat, was von ihr gefordert war. Ohne Fehler brachte sie die beiden Schießeinlagen hinter sich und bescherte den 28.000 Biathlon-Fans in der restlos vollgepackten Arena ihren ersten Glücksrausch. Der Jubel, als die 25-Jährige dann auch tatsächlich mit gut 15 Sekunden Vorsprung auf Domratschewa und sogar 37 Sekunden auf die ukrainische Überraschungs-Dritte Vita Semerenko über die Ziellinie rauschte, dürfte noch im nahe gelegenen Salzburg zu hören gewesen sein. Und selbst Wolfgang Pichler, der im Vorfeld noch gestichelt hatte (»Hier werden Medaillen ganz schwer hergehen«) verbeugte sich tief vor der nun alleinigen Rekordweltmeisterin. »So a varreckts Luder«, entfuhr es dem 57-Jährigen mit breitem Grinsen. Ein höheres Lob ist aus bayerischem Mund kaum zu bekommen. Natürlich war auch der zum Champions Park umfunktionierte Kurpark im Herzen der 6800-Seelen-Gemeinde voll gepackt, als sich Neuner wenige Stunden später ihre elfte Goldmedaille um den Hals hängen lassen durfte. Rund 5000 Menschen verwandelten den sonst so beschaulichen Platz in ein beeindruckendes schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

Und natürlich witterte die verzückte Fangemeinde die Chance auf mehr. Denn der Sprintsieg bescherte Magdalena Neuner ja auch eine glänzende Ausgangsposition für die bereits Tags darauf wartende Verfolgung. Wie es gehen könnte, machte dem deutschen Liebling der Massen schon einmal der Franzose Martin Fourcade vor, der als erster Sprint-Weltmeister überhaupt auch das folgende Jagdrennen für sich entscheiden konnte. Der Ausnahmeläufer leistete sich sogar satte vier Schießfehler. 600 Extra-Meter in der Strafrunde hatte er sich damit also eingehandelt, doch am Ende reichte die Kraft immer noch, um den schwedischen Routinier Carl-Johan Bergman locker nieder zu spurten.

Danke Lena

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