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»Irgendwann verlierst du die Nerven«

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Sie war die große Wegbereiterin des Booms. Wurde sie zu Beginn ihrer Karriere wie die übrigen Biathlon-Frauen noch abfällig als »Flintenweib« bezeichnet, sorgte Uschi Disl mit ihren Erfolgen und ihrer Ausstrahlung dafür, dass ihre Sportart ungeahnte Popularität erlangte. Nach acht WM-Titeln, sechs davon mit Staffel und Mannschaft, und zwei Olympiasiegen 1998 und 2002 mit der Staffel beendete Disl 2006 ihre Karriere. Hier erzählt sie über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen sich und Magdalena Neuner.

Frau Disl, als Sie von der Biathlon-Bühne abtraten, waren Sie 35 und damit zehn Jahre älter als Magdalena Neuner bei ihrem Rücktritt. Hat Sie Neuners frühes Karriereende überrascht?

USCHI DISL: Ja, durchaus. Aber ich denke, man muss das akzeptieren. Dennoch ist es schade, denn sie hätte das Zeug dazu gehabt, eine Legende zu werden, ein weiblicher Ole Einar Björndalen. Aber nur fünf Jahre im Weltcup, das ist für eine Legende meines Erachtens doch zu kurz. Magdalena hat eben andere Prioritäten, sie möchte Familie haben, bei mir kam das erst viel später.

Das war aber auch eine andere Zeit. Als Sie 25 waren, war Biathlon noch ein kaum beachteter Spartensport.

Das ist richtig. Wir waren auch erfolgreich, aber zu der Zeit hat uns kaum einer zugeschaut. Den Männern vielleicht, aber wenn die Männer fertig waren und wir Frauen an der Reihe waren, sind die Zuschauer heimgegangen. Viel Geld hast du mit unserem Sport am Anfang nicht verdient. Das ist bei der Magdalena natürlich anders, als sie 2007 ihren Durchbruch hatte, boomte Biathlon schon längst.

Neuner hatte schnell Sponsoren, aber auch bald keine Ruhe mehr. Vor Medienterminen, Werbeauftritten und vor allem nicht mehr vor zudringlichen Fans. Das haben Sie aber auch noch erlebt.

Ja, das ging 1998 los, nach Olympia in Nagano. Da explodierte plötzlich alles, das Interesse nahm zu. Es standen auch Leute bei mir daheim und klingelten an der Tür oder drückten sich die Nase am Küchenfenster platt. Damals hatte ich in Ruhpolding gewohnt, weil es einfach günstig war und ich nicht weit zum Training hatte. Aber das habe ich schnell geändert, ich bin dann umgezogen nach Kössen in Tirol. Da hatte ich meine Ruhe, da haben sie meine Haustür nicht gefunden.

Der Rummel war Ihnen also manchmal zu viel?

Wenn man den Sport macht und in der Öffentlichkeit steht, dann gehört das dazu. Bei mir waren es ein paar Jahre in der zweiten Hälfte meiner Karriere, wo ich damit auch gut Geld verdienen konnte, manche Dinge musst du dann eben in Kauf nehmen. Die meisten Fans waren auch immer nett, aber manchmal gab es auch Situationen, die nicht leicht zu ertragen waren. Keine Privatsphäre mehr zu haben, als Allgemeingut gesehen zu werden, das war sehr schwer.

Manche Fans haben wohl das kollektive Gefühl, Titel und Medaillen gehören allen. Das »WIR-haben-Gold-gewonnen«.

Und darum verlieren viele auch die Distanz. Wenn ich kurz vor einem Wettkampf Leuten gesagt habe, dass ich jetzt meine Ruhe brauche, weil in zehn Minuten mein Rennen beginnt, dann haben sie gemurrt, dass ich arrogant sei. Irgendwann verlierst du da die Nerven, das ging der Magdalena ja genauso. Und sie ist ja nicht nur erfolgreich gewesen, sondern auch jung, hübsch und hat ein nettes Lächeln. Nicht umsonst war und ist sie der Liebling des Publikums.

Sind Sie nach dem Karriereende erst einmal in ein psychisches Tief gefallen?

Ganz und gar nicht. Für mich war das eine unbeschreibliche Erleichterung. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich möchte keine Sekunde meiner Karriere missen, aber als ich aufhörte, ging es mir wesentlich besser. Ich konnte viel besser schlafen, mein seelisches Gleichgewicht war wieder viel stabiler. Im Nachhinein sah ich auch, warum ich die letzten Jahre so schlecht geschossen hatte. Der Druck – sowohl von außen als auch von mir selbst – war einfach zu groß. Diese Belastung war mir zu viel geworden.

Sie fürchten also nicht, dass Magdalena Neuner in ein Loch fällt und ihren Rücktritt bedauert.

Nein. Wenn ihr Bauch ihr sagt, dass es jetzt Zeit ist, aufzuhören, dann ist es für sie genau der richtige Moment, unabhängig davon, was alle anderen sagen. Dann gibt es auch keinen Grund mehr, nachzuweinen. Was sie wollte, hat sie erreicht. Ich glaube, sie möchte jetzt einfach in Ruhe und Frieden in Wallgau leben.

Danke Lena

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